LEITARTIKEL

Die ausgebliebene Zinswende

Viele hatten sie erwartet - so mancher Investor, der dringend höhere Anlagerenditen benötigt, hatte sie sich herbeigesehnt, aber am Ende ist sie dann doch ausgeblieben: Die Rede ist von der Zinswende, die am Markt auch zu höheren Anleiherenditen...

Die ausgebliebene Zinswende

Viele hatten sie erwartet – so mancher Investor, der dringend höhere Anlagerenditen benötigt, hatte sie sich herbeigesehnt, aber am Ende ist sie dann doch ausgeblieben: Die Rede ist von der Zinswende, die am Markt auch zu höheren Anleiherenditen führen sollte. Seit Jahresbeginn gehen die Renditen entlang der gesamten Bundkurve jedoch zurück, und zwar deutlich. Derzeit werfen zehnjährige Bundesanleihen noch gerade einmal gute 1,3 Prozent ab. Damit liegen sie nur noch ca. 20 Basispunkte über dem im Sommer 2012 markierten Rekordtief von 1,13 %.Mit den rekordtiefen Renditen – so zum Beispiel in einigen Euro-Peripherieländern – oder nahezu rekordtiefen Renditen wie beim Bund treten am Markt auch wieder die altbekannten Probleme auf bzw. verstärken sich. So zum Beispiel gestern bei der Auktion einer neuen zehnjährigen Bundesanleihe. Sie hat nur noch einen rekordtiefen Kupon von 1,5 % nach 1,75 % beim Vorgängerpapier. Dann kann es vorkommen, dass sich die Anleger anderweitig nach Rendite umsehen und dem Bund auch mal die kalte Schulter bei einer Auktion zeigen. Gestern kam es dann zur Unterdeckung. Es ist die vierte in diesem Jahr. Für den Bund ist das kein Problem. Die Papiere gehen in die sogenannte Marktpflegequote und werden später über den Sekundärmarkt abverkauft. Gestern wanderten knapp 25 % des Emissionsvolumens in die Marktpflege. Im Schnitt liegt der Anteil, d.h. auch bei Auktionen ohne Unterdeckung, bei rund 20 %. Ohnehin sind die Unterdeckungen nur ein Bruchteil des gesamten jährlichen Refinanzierungsvolumens. Der Bund ist demzufolge weit entfernt von Refinanzierungsgefahren.Die niedrigen Renditen im risikolosen Bereich befeuern aber auch noch andere Entwicklungen. Die Anleger sind auf der Suche nach dem Rendite-Pick-up und wenden dabei in erster Linie drei Strategien an. Erstens: Sie gehen die Laufzeitenkurve herauf, da bei normaler Zinsstrukturkurve im längerfristigen Bereich auch mehr verdient wird. Bei 30-jährigen Bundesanleihen bekommen die Anleger noch die zwei vor dem Komma. Noch! Das verstärkte Zugreifen führt dazu, dass auch in diesem Segment die Renditen fallen. Im kürzerfristigen Bereich, d.h. bei den zweijährigen Bund-Laufzeiten, sollten sich die Anleger auch darauf einstellen, dass die Renditen wieder negativ werden könnten. Zweitens: Die Investoren halten in anderen Währungen außerhalb des Euro nach Opportunitäten Ausschau, was auch hier auf die Renditen drückt. Drittens: Die Anleger gehen die Bonitätskurve nach unten. Auch das machen sie schon seit geraumer Zeit. Die Investoren greifen zum Beispiel in der Peripherie zu. Somit sinken auch hier die Sätze immer weiter. Derzeit können Anleger in Italien oder Spanien im zehnjährigen Laufzeitenbereich in etwa noch das Doppelte des Bund-Satzes bekommen. Das ist attraktiv. Außerdem bietet der Draghi-Put Sicherheit, d. h., im Fall der Fälle springen die Währungshüter den Ländern mit Bondkäufen zur Seite.Diese Suche nach Rendite lässt die Anleger aber auch bei High-Yieldern aus dem Unternehmensbereich zugreifen – mit den entsprechenden Wirkungen auf die Sätze. High Yield ist heute doch tatsächlich schon das, was vor einigen Jahren noch das Sparbuchniveau war. Derzeit finden Emittenten aus dem Ramschsegment hervorragende Konditionen vor. Doch die Anleger müssen sich so langsam einmal überlegen, ob diese Konditionen für jeden Emittenten noch gerechtfertigt sind oder ob nicht heute bereits die eine oder andere Adresse Geld zu sehr niedrigen Zinsen bekommt, die in normalen Marktphasen überhaupt kein Geld über den Markt erhalten würde.Die niedrigen Renditen werden noch eine weitere sehr starke Auswirkung auf Markt und Anleger ausüben. Je länger die niedrigen Renditen anhalten und je mehr die Anleger demzufolge auch daran gewöhnt sind, dass im risikolosen zehnjährigen Bereich etwa eine eins vor dem Komma Realität ist, desto mehr werden die Investoren Renditen von zwei Prozent oder mehr als Ausnahme ansehen. Denn diese Sätze gibt es verständlicherweise nicht so häufig. Sollte es – wann auch immer – mal zu einem Renditeanstieg am Markt kommen und dann die nächste Big Figure erreicht werden, werden die Anleger kräftig zugreifen, um sich eben genau diese Sätze zu sichern. Und genau diese umfangreichen Käufe führen dann dazu, dass der Renditeanstieg abgebremst wird, und zwar kräftig. Und wenn Investor A weiß, dass Anleger B bei 2 % zugreifen wird, kauft A eben schon bei 1,95 %. Das wirkt dämpfend auf den Renditeauftrieb.Bleibt noch der Faktor Europäische Zentralbank. Sie wird die Anleger Anfang Juni mit Lockerungsschritten konfrontieren. Das spricht auch nicht gerade für höhere Renditesätze.——–Von Kai JohannsenDie von vielen erwartete Zinswende ist ausgeblieben. Die Bundrenditen liegen nahe Rekordtiefs. Es spricht vieles dafür, dass die Renditen niedrig bleiben werden.——-