IM INTERVIEW: GERNOT GRIEBLING, LBBW ASSET MANAGEMENT

"Die Carry Trades sind wiederbelebt worden"

Während die Währungen der Industrieländer im Zinstief verharren, sieht der Währungsexperte noch "nennenswerte Zinsdifferenzen" zu den Schwellenländern

"Die Carry Trades sind wiederbelebt worden"

Carry Trades waren bis zur Finanzkrise eine beliebte, wenngleich riskante Wette auf Zinsdifferenzen von Währungen. Nun erleben sie ihr Comeback, sagt Gernot Griebling von LBBW Asset Management. Anders als früher richtet sich inzwischen der Fokus allerdings auf die Schwellenländer.- Herr, Griebling, bis zur Finanzkrise waren Carry Trades, also Wetten auf die Zinsdifferenzen von Währungen, sehr beliebt. Sie haben nun kürzlich einen Fonds zu dieser Strategie aufgelegt. Ist das ein Zeichen für die Rückkehr der Carry Trades?Die Carry Trades sind wiederbelebt worden. Darauf weisen Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hin. Der Handelsumsatz am Devisenmarkt ist demnach von 2010 bis Ende 2013 um 35 % auf 5,3 Bill. Dollar täglich gestiegen. Das ist für sich genommen schon bemerkenswert, aber interessanter ist eine weitere Zahl. 53 % des Umsatzes werden von sogenannten Nicht-Händler-Finanzinstitutionen getätigt, also kleinen, nicht berichtspflichtigen Banken, Vermögensverwaltern und auch Hedgefonds, während gleichzeitig der Anteil der Unternehmen am Handel gesunken ist. Diese Entwicklung hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Währungen aufstrebender Länder immer häufiger konvertierbar sind und sich die Geld-Brief-Spannen für deren Währungen dank gestiegener Liquidität denen in entwickelten Ländern angepasst haben. Insgesamt ist der Devisenmarkt ein sehr effizienter Markt geworden.- Welche Anlagemotive verfolgen die Nicht-Händler-Finanzinstitutionen am Devisenmarkt?Immer mehr Vermögensverwalter diversifizieren ihr Portfolio global. Daraus erwächst ein Bedürfnis nach einer Absicherung der Währungsrisiken. Wie hoch dieser Bedarf ist, wurde vor einem Jahr deutlich, als die US-Notenbank Federal Reserve den Ausstieg aus der quantitativen Lockerung ankündigte und daraufhin viele Schwellenländerwährungen unter Druck gerieten. Es findet aber auch eine bewusste Risikonahme am Devisenmarkt statt, die auf Zinsdifferenzen setzt. Hier sehen wir die Rückkehr der Carry Trades.- Lohnen sich Carry Trades überhaupt noch angesichts der Niedrigzinsen in der Eurozone, den USA und Japan?Carry-Trade-Strategien sind in Euro, Dollar, Yen und auch britischem Pfund in der Tat derzeit wenig sinnvoll, da die Zinsdifferenzen zwischen diesen Währungen wegen der stark gesunkenen Leitzinsen weitgehend eingeebnet sind. Allerdings sind in den Schwellenländern noch nennenswerte Zinsdifferenzen zu erzielen.- Seit Beginn der Tapering-Debatte haben die Schwellenländer-Währungen deutlich abgewertet. Hat das nicht auch die Carry-Trade-Strategie untergraben?Das stimmt schon, aber mir scheint die Höhe der Abwertung übertrieben zu sein. Die Schwellenländer sind fundamental in einer deutlich besseren Verfassung als in vergangenen Abwertungsphasen. Länder mit hohem nominalen und realen Wachstum werden auch in Zukunft nominal und real höhere Zinsen haben. Gemäß der Theorie der ungedeckten Zinsparität wertet die höher verzinsliche Währung im Zeitablauf sukzessive ab, so dass kein systematischer Gewinn aus der Zinsdifferenz gezogen werden kann. Entsprechend stellt nach der Theorie der Terminkurs den besten Schätzer des Kassakurses dar. Das ist aber in der Realität meist nicht der Fall: In der Vergangenheit haben Währungen sich immer wieder anders entwickelt, als dies der Terminkurs prognostiziert hatte. Während der Euro-Schuldenkrise hatte der Euro weit stärker zum australischen Dollar, einer typischen Anlagewährung, abgewertet, als dies der Terminkurs hätte erwarten lassen. Ähnliches war bei Euro und Schweizer Franken zu beobachten.- Was bedeutet dies?Die Wissenschaft spricht vom Forward Rate Bias. Der Terminkurs eines Währungspaares ist demnach ein verzerrter Schätzer für die tatsächliche Kursentwicklung. Eine systematische Arbitrage ist nicht möglich. Meines Erachtens stellt der Forward Rate Bias vor allem eine Risikoprämie für höhere Inflationsraten in der Zukunft, politische Instabilitäten oder hohe Außenhandelsdefizite dar. Wir schöpfen die Risikoprämie ab. Man muss dabei auch im Blick haben, dass eine auf Carry Trades basierende Strategie nicht in jedem Jahr einen positiven Ertrag liefert, aber insgesamt ein attraktives Chance-Risiko-Profil bietet.- Der Yen gilt als die klassische Finanzierungswährung für Carry Trades? Hat er diese Rolle wegen der Niedrigzinsen an Euro und Dollar abgegeben?Rein von der Zinsseite würde man den Yen nicht mehr benötigen. Wenn man aber berücksichtigt, dass die quantitative Lockerung in Japan wohl anhalten wird, während sie in den USA langsam ausläuft, dann wirkt der übergeordnete Trend weiter abwertend auf den Yen – allerdings mit geringerer Dynamik als nach dem Beginn der quantitativen Lockerung in Japan im Herbst 2012. Es ist vor diesem Hintergrund also weiterhin sinnvoll, den Yen als Finanzierungswährung zu benutzen. Wie sehr der Risk-off-Modus mit einem steigenden Yen-Kurs einhergeht, zeigte sich während der Euro-Schuldenkrise der Jahre 2011 und 2012: Mit jedem Anstieg der Spreads in den Peripherie-Ländern gab der Euro-Yen-Wechselkurs weiter nach.- Wie wählen Sie bei Ihrem Fonds LBBW Devisen 1 die Anlagewährungen aus?Derzeit sind wir in einem streng regelbasierten Prozess long in folgenden Währungen positioniert: australischer und neuseeländischer Dollar, mexikanischer Peso, südafrikanischer Rand, türkische Lira, polnischer Zloty und ungarischer Forint. Wir orientieren uns an unserem eigenem Index, dem LBBW FX Carry Index ER, und bilden dessen Wertentwicklung über einen Swap im Fonds ab. Das Geld der Investoren ist in Covered Bonds oder sonstige Sicherheiten mit hoher Bonität angelegt.- Was bildet der Index ab?Er bildet aus dem Universum der 15 Währungen die Wertentwicklung als Summe aus Zinsdifferenz zuzüglich Kursveränderung derjenigen Währungen ab, die an dem sogenannten regulären Anpassungstermin – der zweite Freitag im Januar und Juli eines Jahres – eine Zinsdifferenz von mindestens 1,5 Prozentpunkten für Sechsmonatsgeld zu den beiden Basiswährungen Euro und US-Dollar aufweisen. Dabei haben wir eine Long-Position in den Währungen mit einem Zinsvorteil von mindestens 1,5 Prozentpunkten gegenüber Euro und Dollar und eine Short-Position in den Währungen, deren Zinsdifferenz mehr als – 1,5 Prozentpunkte zum Euro und US-Dollar beträgt. Faktisch kommen für eine Short-Position nur der Yen und der Franken in Frage.- Carry Trades gelten als riskante Anlage. Wie gehen Sie mit Phasen extremer Unsicherheit um?Risiken einzelner Währungen werden durch die Diversifikation des Index aufgefangen. Darüber hinaus versuchen wir anhand eines eigenen Risikoindikators Phasen des allgemeinen Marktstresses zu identifizieren. In diesen Stressphasen stellen wir alle unsere Währungspaare glatt und sind vollständig in Cash investiert. Erst wenn wir uns wieder in normalen Marktphasen befinden, werden die Devisentermingeschäfte neu eröffnet. In diese Stressanalysen, die wir monatlich durchführen, fließen insbesondere Volatilitätskennzahlen der Währungs-, Rohstoff- und Aktienmärkte ein.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.