Die Commerzbank muss jetzt liefern
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Manchmal braucht es nur wenige Minuten, um ein über Jahrzehnte aufgebautes Vertrauen zu verspielen. Die Commerzbank scheint sich dafür zwei Jahre Zeit nehmen zu wollen. Die Personalquerelen im Aufsichtsrat eignen sich jedenfalls nicht, um das von Vorstandschef Manfred Knof so dringend benötigte Narrativ vom Neuanfang zu unterlegen. Nachdem innerhalb weniger Monate drei Vorstands- und fünf Aufsichtsratsmitglieder ausgetauscht werden mussten, verfestigt sich vielmehr das Bild einer Bank, die sich mit großer Ausdauer und Leidenschaft mit sich selbst beschäftigt, während sich draußen der perfekte Sturm aus Zinstief und sich auftürmenden Ausfallrisiken zusammenbraut.
Fairerweise sei zugestanden, dass das Personalhickhack im Aufsichtsrat wahrscheinlich keinen nennenswerten Einfluss auf die bereits verabschiedete Strategie haben dürfte, die den Abbau von 7 500 Stellen im Inland vorsieht. Bis Anfang Mai soll dafür eine Rahmenvereinbarung mit den Gremien der Arbeitnehmer stehen. Wie zum Beweis dafür, dass dieses ambitionierte Ziel umgesetzt werden kann, verkündete die Commerzbank am Donnerstag, dass eine Einigung über ein erstes Freiwilligenprogramm zum Abbau von 1 700 Stellen erzielt worden sei. Dafür sollen noch im ersten Quartal Umbaukosten von insgesamt 470 Mill. Euro gebucht werden, die Teil der veranschlagten Restrukturierungskosten von rund 1,8 Mrd. Euro sind.
Blaupause Deutsche Bank
Aus Investorensicht ist die Nachricht positiv, auch wenn sie angesichts der Veröffentlichung kurz vor den Osterfeiertagen zu versanden droht. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass der neue Commerzbank-Chef beim Konzernumbau Tempo macht. Auf diese Weise könnte es der Nummer 2 der privaten Bankenbranche vielleicht gelingen, eine Miniaturausgabe des vielbeachteten Turnaround hinzulegen, den die Deutsche Bank nach dem Ende der Fusionsgespräche erreichte.
Jun Yang, Bankanalystin bei Barclays Research, meldete kürzlich jedoch deutliche Zweifel an dieser Interpretation der Commerzbank-Story an. Wie sie Mitte März in einer Erstbewertung des MDax-Titels unterstrich, ist die Deutsche Bank für sie der klare Favorit unter den hiesigen Banken. Sie sei nicht bloß schon besser vorangekommen mit ihrer Restrukturierung, sondern profitiere überdies stärker vom derzeit positiven Umfeld für das Investment Banking.
Ambitioniertes Programm
Zweifel hegt Barclays-Analystin Yang auch an der Rechnung, die Knof und seine Mannschaft im Februar vorgelegt haben. Um im Jahr 2024 eine materielle Eigenkapitalrendite (RoTE) von 7% zu erreichen, will das Institut die jährlichen Kosten um 1,4 Mrd. Euro senken, was etwa einem Fünftel entspricht. Yang hält die Kostenschätzungen offenbar für unrealistisch. Ihre Schätzungen für die Kosten seien höher, während sie bei den Erträgen von einer schwächeren Entwicklung ausgeht. Die Commerzbank-Aktie empfiehlt die Analystin der britischen Investmentbank daher unterzugewichten, ihr Kursziel liegt mit 5 Euro knapp unter dem aktuellen Kurs. Die Zweifel an dem aus seiner Sicht sehr, womöglich zu ambitionierten Restrukturierungsplan teilt auch Jan Lennertz von Independent Research. Vor dem Hintergrund seiner sehr pessimistischen Prognose eines Rückgangs der Konzernerträge um 5,2% auf knapp 8,2 Mrd. Euro im gesamten Geschäftsjahr rät er zum Verkauf der Aktie. Sein nach dem Ertragswertverfahren ermitteltes Kursziel liegt bei 4,20 Euro.
Schwieriges Restjahr
Auch aus Sicht der Analysten von Exane BNP Paribas steht der Commerzbank ein ausgesprochen schwieriges Restjahr bevor. Die kommenden Quartale würden von hohen Restrukturierungskosten und zunehmendem Margendruck geprägt sein, sagen die BNP-Analysten in einem Mitte Februar publizierten Researchreport voraus. Für den Restrukturierungsplan finden die Analysten derweil lobende Worte. Sofern die Umsetzung gelinge, werde die Bank nicht nur deutlich profitabler sein, sondern sei auch mit Blick auf eine erwartete Kernkapitalquote (CET1) von 14 bis 15% komfortabel aufgestellt, moderner und wettbewerbsfähiger.
Mit Blick auf die Frage, ob sich der Einstieg bei der Commerzbank lohnt, halten sich die BNP-Analysten derweil vornehm zurück. Zwar sei die Bewertung mit dem 0,2- bis 0,7-Fachen des materiellen Buchwertes im historischen Vergleich eher niedrig. „Es wird jedoch Zeit brauchen,die kurzfristigen Herausforderungen zu bewältigen und neue Zukunftsperspektiven zu schaffen“, geben sie zu bedenken und raten daher zu einer neutralen Gewichtung.
Für die Analysten der Citigroup ist die Commerzbank laut einer ebenfalls anlässlich des Kapitalmarkttages veröffentlichten Studie ein klarer Kauf. Nicholas Herman, Andrew Coombs und Jens Ehrenberg bringen darin ihre Freude über die Klarheit zum Ausdruck, mit dem das Management nicht nur seine Kosten-, Ertrags- und Kapitalziele erläutert habe, sondern auch die strategische Marschrichtung. Punkten konnten Knof und seine Vorstandsmannschaft demnach mit dem Ziel, die Kosten an die bröckelnden Erträge anzupassen, das Privatkundengeschäft zu digitalisieren und den Fokus auf lukrativere Segmente wie das Wealth Management zu legen sowie sich im Firmenkundengeschäft auf die Geschäfte zu konzentrieren, die sich für die Bank auszahlen. Ihr Fazit: Die Commerzbank biete viel Wert für den geduldigen Investor. Das Kursziel revidierten die Citi-Analysten gleichwohl von 6,80 Euro auf 6,30 Euro.
Verhaltene Einstufung
Auch die Analysten von Morgan Stanley zeigen sich mit Blick auf die Zukunftsperspektiven der Commerzbank grundsätzlich angetan. Gelingt die Umsetzung der neuen Strategie, eröffne dies Spielräume für Aktienrückkäufe oder Ausschüttungen in Höhe von 2,3 Mrd. Euro. Das Institut werde kleiner, aber auch deutlich profitabler aus der Restrukturierung hervorgehen, schreibt Analystin Magdalena L. Stoklosa. Ihre verhaltene Einstufung „Equalweight“ mit dem Kursziel 6 Euro werde sich jedoch erst nach oben korrigieren, wenn das Management erste Restrukturierungserfolge vermelden kann.