Devisenwoche

Die Dominanz des Greenback bröckelt nur langsam

Die Dominanz des Dollar in seiner Rolle als weltweite Reservewährung wird aktuell angegriffen. Allerdings sind derartige Veränderungen von langwieriger Natur. Es wird noch viele Jahre dauern, bis der Dollar seine führende Position verliert.

Die Dominanz des Greenback bröckelt nur langsam

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Die Dominanz des Greenback bröckelt nur langsam

Von Sven Schubert *)

*) Sven Schubert ist Senior Investment ­Strategist bei Vontobel.

Oft schon wurde dem Dollar in den vergangenen Jahren prophezeit, er würde seinen Status als globale Reservewährung verlieren. Geopolitische Konflikte wie der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der Ukraine-Krieg waren Wasser auf den Mühlen der Dollar-Untergangspropheten. Schließlich haben beide Konflikte nicht nur die globale Abhängigkeit von Öl, Gas und den entsprechenden Vorprodukten, sondern auch vom Dollar aufgezeigt. Insbesondere nach dem Einfrieren russischer US-Assets wurde deutlich, dass letztere keinesfalls in jeder Situation eine sichere Anlageklasse sind. Tatsächlich hat sich der Trend – insbesondere in Schwellenländern – zu einer Abkopplung vom Dollar in den letzten Jahren verstärkt. Aus mehreren Gründen dürfte ein endgültiger Abgesang jedoch mindestens eine Dekade verfrüht sein. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlangten zwei Währungen, der Dollar und das britische Pfund, den Status einer globalen Reservewährung. Die USA und das Vereinigte Königreich zeichneten eine wirtschaftliche, geopolitische, militärische Dominanz sowie ein Vertrauen in ihre Institutionen aus.

Totgesagte leben länger

Der chinesische Yuan gilt, trotz der jüngster Konjunkturschwäche, nicht zuletzt aufgrund des technologischen Fortschritts, seiner Wirtschaftskraft und des Einflusses in Afrika und Lateinamerika, als valider zukünftiger Kandidat für eine Reservewährung. Und richtig: Nach manchen Messgrößen, wie dem kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP), hat China die USA bezüglich Wirtschaftskraft schon im Jahr 2017 überholt. Allerdings weisen die USA zu Marktpreisen weithin ein höheres BIP aus. Auch ist das BIP nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Schließlich hatten die USA während des Zerfalls des britischen Empire dieses in Sachen BIP bereits Ende des 19. Jahrhunderts überholt. Globale Reservewährung wurde der Dollar jedoch erst in den späten 1920ern.

Auch erscheint China nach einer ganzen Reihe anderer Kriterien weniger dominant. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen rangiert China trotz schnellen Schrittes weltweit weiterhin nur auf Rang 72. Die nach Marktkapitalisierung größten Aktientitel kommen weiterhin aus den USA (9 der Top-10). Mit Tencent rangiert der größte chinesische Titel auf Platz 17. Ein anderes Maß der Innovation – Startups mit einer Kapitalisierung von mindestens einer Milliarde Dollar (Unicorns) – spricht ebenfalls für die USA. Mit 525 Unicorns liegen die USA – gemäss CB Insights – derzeit weiterhin deutlich vor China (87). Hinsichtlich militärischer Vormachtstellung könnten die Karten in dieser Dekade jedoch neu gemischt werden. In bestimmten Technologien, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz, Robotik oder aber auch 5G, spielt China mittlerweile mindestens in derselben Liga wie die USA. Da diese Technologien für die Kriegsführung der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen könnten, könnte auch die militärische Vormachtstellung der USA in Frage gestellt werden. Die weiterhin hohe Abhängigkeit Chinas von US-Halbleitertechnik verschafft den USA jedoch einen wichtigen Hebel und somit Zeit im Zweikampf um die beste Militärtechnik. Hinzu kommt, dass die USA ein deutlich gewichtigeres Netzwerk an geopolitischen Allianzen vorzuweisen haben.

Nicht zuletzt die Tiefe der Finanzmärkte und das Vertrauen in die Institutionen spielen eine gewichtige Rolle. Während die USA in diversen Stresssituationen bewiesen haben, dass der US-Anleihenmarkt die nötige Liquidität hat, muss der chinesische Markt dies erst unter Beweis stellen.

Langsamer Abstieg des Dollars

Trotzdem spricht vieles dafür, dass der Yuan gemessen an nahezu allen Wirtschaftskriterien unterrepräsentiert ist. So zeigt eine IWF-Studie aus dem Jahr 2020[1], dass der Dollar als Fakturierungswährung in weltweiten Handelsverträgen überrepräsentiert ist. Obwohl nur 13% der globalen Exporte in die USA gehen, sind 23% der globalen Exporte in Dollar denominiert. Ein ähnliches Ungleichgewicht weisen die Devisenbestände der Zentralbanken auf. Zwar zeigt die Statistik des IWF einen Anstieg des Yuan-Anteils in den Devisenbeständen der Zentralbanken über die letzten Jahre, mit 3% bleibt der Anteil gegenüber dem Dollar (59%) und Euro (20%) jedoch verschwindend gering. Der alle drei Jahre erscheinende Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der die globalen Währungstransaktionen misst, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: In lediglich 7% der weltweiten Währungstransaktionen ist der Yuan involviert. Dass der Yuan bei Wirtschafts- und Finanzmarkttransaktionen eine so untergeordnete Rolle spielt, ist überraschend, dürfte sich in den kommenden Jahren jedoch ändern. So wird der China-Handel außerhalb der USA zunehmend in Yuan abgewickelt, etwa mit Russland, Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch stoßen regionale Zahlungssysteme, die weniger auf den Dollar ausgerichtet sind, in Südostasien auf großes Interesse. Damit wachsen für das durch Swift vom Dollar dominierte internationale Zahlungssystem gefährliche Wettbewerber heran.Auch wenn diese Entwicklungen derzeit nur kleine Tropfen im globalen Währungsmarkt darstellen, dürfte sich dieser Trend fortsetzen und vielleicht sogar verstärken. Insbesondere Chinas Aktivitäten im Eurasischen Raum über die Belt-&-Road-Initiative spiegeln den zunehmenden ökonomischen Einfluss Chinas wider, der sich auch in der Nachfrage nach Yuan niederschlägt, vor allem, da die Internationalisierung des Yuan in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat. So wurde der Zugang zu den chinesischen Finanzmärkten für ausländische Investoren über die letzten Jahre sukzessive verbessert und spiegelt sich mittlerweile auch in der Aufnahme chinesischer Lokalwährungsanleihen in weltweiten Anleihen-Benchmarks wider.

China ist bereits einen Schritt weiter bei seinem Vorhaben der Positionierung eines digitalen Yuan. Während die Dollar-Version weiterhin in der Testphase ist, ist der e-CNY bereits erhältlich. Im Juli 2023 wurden immerhin 950 Mill. Transaktionen vermeldet. Noch macht der Anteil des e-CNY weniger als 1% der zirkulierenden Geldmenge aus, aber das ist schon eine Verachtzehnfachung gegenüber letztem Jahr. Insgesamt spielt der Yuan im globalen Wirtschaftsgeschehen heute eine untergeordnete Rolle. Das ist zwar ungerechtfertigt, aber der Aufstieg zur Reservewährung ist steinig und so lang, dass wir ihn zu unseren Lebzeiten möglicherweise nicht erleben werden.

*) Sven Schubert ist Senior Investment Strategist bei Vontobel.

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