Die "drei A" treiben Microsofts Börsenwert über 3 Bill. Dollar
Geld oder Brief
Die "drei A" treiben Microsofts Börsenwert über 3 Bill. Dollar
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Dieser Tage gibt es am US-Aktienmarkt ein durchaus denkwürdiges Ereignis. Nach Apple schickt sich nun Microsoft als zweiter Konzern dieses Planeten an, eine Marktkapitalisierung von mehr als 3 Bill. Dollar zu erreichen. Intraday gelang dies bereits, mit dem Handelsschluss vom Mittwoch rutschte Microsoft aber wieder mit einem Börsenwert von 2,96 Bill. Euro unter die magische Grenze, oberhalb deren sich aktuell nur Apple mit 3,02 Bill. Dollar aufhält.
Um sich die Dimensionen im globalen Vergleich einmal vorzustellen: Eingeordnet in die Rangliste der Bruttoinlandsprodukte der größten Nationen der Welt wäre Apple auf Platz 7 zu finden und Microsoft auf Rang 8. So bedeutende Nationen wie Frankreich, Russland, Kanada oder Italien werden von den beiden Konzernen abgehängt. Nun lässt sich zu Recht einwenden, dass der Vergleich in vielerlei Hinsicht hinkt, unter anderem, weil in der zugrunde gelegten Rangliste keine Kaufkraftparitäten der Länder verglichen werden, aber auch, weil Apple und Microsoft für sich zumindest bislang noch keine staatliche Souveränität in Anspruch nehmen. Andererseits dürfte ihr Einfluss auf die US-Politik aber vermutlich größer ausfallen als derjenige wichtiger Nato-Verbündeter wie Kanada oder Italien und CEOs großer Konzerne verhandeln heute mit Regierungschefs auf Augenhöhe.
Herrscher über den Aktienmarkt
Microsoft gehört zu den "Magnificent Seven", den großen US-Technologiekonzernen, die den amerikanischen Aktienmarkt beherrschen. Der Konzern ging im März 1986 an die Börse, wobei es 8.351 Handelstage erforderte, um die erste Billion an Marktkapitalisierung zu erreichen. Bis zur zweiten Billion dauerte es dann nur noch 543 Börsensitzungen und bis zur bislang nur kurzfristig erreichten dritten Billion 650 Handelstage.
Nun ist es nicht so, dass für Microsoft damit schon das Ende der Fahnenstange erreicht wäre. Die zugegebenermaßen stets optimistische amerikanische (Sell-Side-)Analystengemeinde rät weit überwiegend zum Kauf der Aktie. Von 52 Häusern wird dies von nicht weniger als 42 so gehandhabt. Sechs weitere Analysten stufen den Titel mit "Overweight" ein und vier nur mit "Hold". Einstufungen mit "Underweight" oder gar Verkaufsempfehlungen gibt es gar keine. Das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate liegt bei 427,63 Dollar, bezogen auf das aktuelle Kursniveau wäre das immerhin noch ein Anstieg von etwas mehr als 6%. Sollte es dazu kommen, würde sich Microsoft solide oberhalb der Marke von 3 Bill. Dollar etablieren und sich vor allem auch in dem von praktisch sämtlichen Analysten als anspruchsvoll gekennzeichneten Marktumfeld des Jahres 2024 gut behaupten – eine Eigenart, die für die "Magnificent Seven" im Allgemeinen gilt, weshalb der amerikanische Technologiesektor aktuell von vielen Analysten empfohlen wird.
Anspruchsvolle Bewertung
Die Bewertung von Microsoft ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate von 39 als durchaus anspruchsvoll zu bezeichnen. So kommt Apple beispielsweise nur auf 31,7, Nvidia aber auf sehr viel höhere 81. Für die Aktie zahlt man rund das 13-Fache des Umsatzes, verglichen mit dem Achtfachen bei Apple und dem Dreifachen bei Amazon. Im bisherigen kurzen Jahresverlauf kommt Microsoft bereits auf einen Kursanstieg von 7%, auf Sicht von zwölf Monaten sind es 62%. Seit Anfang 2024 sind nur zwei Unternehmen, nämlich Microsoft und Nvidia, für 75% des Anstiegs des Benchmark-Index S&P 500 verantwortlich.
Microsoft ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung unter den Technologiekonzernen, handelt es sich doch um einen der Softwarekonzerne aus der Frühzeit des Technologiebooms, von denen viele längst in der Bedeutungslosigkeit gelandet sind. Microsoft ist es hingegen mehrfach gelungen, sich neu zu erfinden. Aktuell sind es die "drei A", die nach Einschätzung von Kirk Materne, Analyst bei Evercore ISI, im Verlauf des aktuellen Jahres für die Anpassung der Gewinnschätzungen nach oben sorgen dürften: Artificial Intelligence (künstliche Intelligenz, KI), Azure und Activision. Diese Faktoren könnten gemäß der Konsensschätzung den Umsatz des Konzerns im laufenden Jahr um nicht weniger als 15% antreiben. Einen Einblick in die aktuelle Lage gewährt der Konzern am 30. Januar mit der Vorlage der Quartalszahlen. Gemäß der Konsensschätzung sollen die Erlöse im Quartal um 17% auf 61 Mrd. Dollar gestiegen sein. Der Gewinn je Aktie soll um 19% auf 2,78 Dollar geklettert sein.
Im Bereich der KI gilt Microsoft als einer der größten Profiteure, dank seiner Partnerschaft mit dem Unternehmen OpenAI, das den KI-Internet-Bot ChatGPT entwickelt hat. Bislang lässt sich ChatGPT nur über Microsoft abonnieren. Allerdings wird es wie bei anderen KI-Unternehmen noch längere Zeit dauern, bis sich dieses Geschäft in signifikanten Zahlen niederschlägt. Nicht wenige Analysten glauben freilich, dass der Start des KI-Tools Copilot, wie Wedbush-Analyst Dan Ives es ausdrückt, so etwas wie ein "iPhone-Moment" für Microsoft ist.
Aktuell ist es vor allem der beeindruckend hohe Marktanteil des Azure genannten Cloud-Geschäfts, der das Ergebnis antreibt. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr erreichte die Sparte ein Umsatzwachstum von 17%, im laufenden Jahr dürfte sie ähnlich abschneiden.
In der Sparte Productivity & Business Processes ergab sich im abgelaufenen Geschäftsjahr immerhin ein Umsatzwachstum um 9%, getragen von höheren Erlösen im Bereich Office 365. Weniger gut lief es mit einem Umsatzrückgang um 8% hingegen im Bereich Personal Computing aufgrund niedriger Erlöse bei Windows und der Spielekonsole Xbox. Für das laufende Jahr rechnen aber viele Analysten mit einer gewissen Verbesserung. Mitte Oktober konnte auch die 69 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Videospieleriesen Activision Blizzard abgeschlossen werden. Allerdings hat die amerikanische Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) ihren Widerstand trotz eines für sie negativen Gerichtsurteils noch nicht aufgegeben. Es gilt aber als sehr unwahrscheinlich, dass sich die FTC noch durchsetzt.
Traumhafte Margen
Derweil kann der Konzern mit Margen glänzen, von denen andere Konzerne nur träumen können. Die operative Gewinnmarge im Gesamtkonzern liegt aktuell bei mehr als 40%. Zum Vergleich: Amazon, das ebenfalls zu den "Magnificent Seven" gehört, kommt auf lediglich 4%. Insofern darf nun spekuliert werden, wie lange es dauert, bis Microsoft die vierte Billion erreicht.