GASTBEITRAG

Die Ertragserwartungen der Institutionellen müssen gesenkt werden

Börsen-Zeitung, 6.12.2014 Obwohl die letzten Jahre oft als "unsicher" und "volatil" beschrieben werden, waren sie eigentlich recht gut. Seit Anfang des Jahres 2010 haben US-Aktien um beinahe 12 % und Staatsanleihen um fast 6 % zugelegt und so bei...

Die Ertragserwartungen der Institutionellen müssen gesenkt werden

Obwohl die letzten Jahre oft als “unsicher” und “volatil” beschrieben werden, waren sie eigentlich recht gut. Seit Anfang des Jahres 2010 haben US-Aktien um beinahe 12 % und Staatsanleihen um fast 6 % zugelegt und so bei jedem ausgewogenen Portfolio am größten Markt der Welt für ansehnliche Erträge gesorgt. Da sich die Renditen in den USA gegenwärtig fast auf einem historischen Tief befinden und der Aktienmarkt beinahe auf einem Allzeithoch, könnte man leicht annehmen, dass die zukünftige Wertentwicklung niedriger ausfallen wird. Wie viel niedriger wird das jedoch sein? Und was sind die größten Unsicherheitsfaktoren, die erhebliche Auswirkungen für Anleger mit sich bringen könnten? Im Folgenden erläutern wir unsere Herangehensweise bei Morgan Stanley für die Frage, was die kommenden zehn Jahre für die Renditen von Vermögensklassen bereithalten könnten. Blick über Renditen hinausDas Prognostizieren von Anleiheerträgen ist ein schwieriges Unterfangen, da man nicht weiß, ob Renditen steigen werden, wann dies der Fall sein könnte und falls sie steigen, wie hoch das sein wird. Wie mein Kollege Martin Leibowitz jedoch aufzeigte, sind diese Fragen weniger wichtig als ursprünglich gedacht. Über einen Zeitrahmen von ungefähr dem Zweifachen der Duration eines Rentenportfolios tendieren Erträge sehr stark in die Nähe der anfänglichen Rendite, auch wenn die Renditen im Verlauf dieses Zeitraums steigen. Die laufende Rendite für einen Rentenindex mit einer Duration von fünf oder sechs gewährt kurz gesagt einen ziemlich guten Einblick in die Ertragsgenerierung ebendieses Index über die kommenden zehn Jahre.Diese Schätzung kann unserer Ansicht nach noch weiter verbessert und um zwei gegensätzliche Kräfte berichtigt werden. Da kurzfristige Renditen tendenziell niedriger sind als langfristige Renditen, legen Anleihen, je näher sie an die Fälligkeit herankommen, im Laufe der Zeit üblicherweise zu. Dies nennen wir “Rolldown”. Andererseits erlitten einige Unternehmens- und Staatsanleihen in der Vergangenheit Verluste aufgrund von Kreditausfällen. Durch das Hinzufügen eines durchschnittlichen Maßes an Rolldown und durch Abzug eines durchschnittlichen Niveaus an Kreditrisiko wird unsere Schätzung noch weiter verbessert.Was sagen diese Zahlen aus? Über die nächsten zehn Jahre bringt uns ein Engagement an einem Index von zehnjährigen US-Staatspapieren vielleicht 3,0 %, US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Qualität könnten einen Ertrag von 3,1 % erwirtschaften und US-Hochzinsanleihen vielleicht einen Ertrag von 3,5 % pro Jahr.Unsere Prognose für den Hochzinsbereich weist die größte Schwankung auf und könnte je nachdem, wie sich die Ausfallraten im Vergleich zum historischen Durchschnitt entwickeln, besser oder schlechter ausfallen. Die Kernaussage ist jedoch eindeutig: Anleiherenditen sind dann vielleicht nur noch halb so hoch, wie Anleger sie in den letzten 60 Jahren erlebt haben. Niedrigere AktienrenditeSeit 1954 haben US-Aktien einen Ertrag von mehr als 10 % erwirtschaftet. Für die kommenden zehn Jahre wird das Ergebnis unserem Erachten nach eher bei 6 % liegen. Unsere Schätzungen basieren auf einem dreistufigen Prozess, der die drei Bestandteile von Aktienerträgen berücksichtigt.Erstens ist Kapital vorhanden, das Unternehmen in Form von Aktienrückkäufen oder Dividenden direkt an Investoren ausschütten. In der Vergangenheit machte dies etwa die Hälfte der Gesamterträge aus, was unserer Ansicht nach auch eine angemessene Annahme für die Zukunft ist. Derzeit beläuft sich das Ergebnis auf 2,7 % pro Jahr. Ertragszuwächse vorhandenZweitens sind Ertragszuwächse vorhanden. Diese können untergliedert werden in Inflation (Annahme von 2 % in den kommenden zehn Jahren), den Trend bei Ertragszuwächsen nach der Inflation und Schwankungen um diesen Trend (beispielsweise beim Anstieg oder Fall der Gewinnspanne). Bezogen auf den Wachstumstrend der Erträge nach Inflation teilen wir die Differenz zwischen dem 60-jährigen und dem 30-jährigen Durchschnitt und erhalten im Ergebnis 2,9 %.Zu guter Letzt nehmen wir an, dass die Gewinnspannen von Unternehmen, ausgehend von den letzten Rekordständen, moderat zurückgehen, jedoch aufgrund von historisch niedrigen Steuersätzen und Zinskosten oberhalb des Durchschnitts bleiben. Diese Normalisierung kostet laut unserer Prognose 1 % pro Jahr und führt zu einem Ergebnisbeitrag von insgesamt 3,9 %.Der dritte Punkt ist das “Vielfache”, das auf diese Erträge angewendet wird. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollte man unserer Ansicht nach vernünftigerweise von einer Rückkehr zum 60-jährigen Durchschnitt ausgehen. Daraus würde sich ein Vielfaches ergeben, das etwa fünfmal niedriger ist als heute. Verteilt auf zehn Jahre werden dadurch jährlich 0,5 % von der Marktrendite abgezogen.Zusammengefasst kommen wir auf eine Gesamtsumme von rund 6 % pro Jahr, die sich aufteilt in 2,7 % aus “Einkommen”, 3,9 % aus “Erträgen” und – 0,5 % durch das “Vielfache”.Wenn die potenziellen Erträge sowohl von Anleihen als auch von Aktien im Verhältnis zu den historischen Niveaus niedrig sind, hat dies bedeutende, sogar bedrückende Folgen. Ein 60/40-Portfolio aus US-Aktien und zehnjährigen US-Staatspapieren hatte Anfang der achtziger Jahre erwartungsgemäß eine Zehn-Jahres-Rendite von über 16 %. Heute beläuft sich dieser Wert auf weniger als 5 %.Wir sehen hierbei drei bedeutende Konsequenzen: Erstens müssen die institutionellen Ertragserwartungen unserem Erachten nach gesenkt werden. Dies wird nicht schnell passieren oder gar einfach sein, aber die Renditeannahmen vieler institutioneller Portfolios sind zu hoch, da sie sich auf die Erfahrungen der vergangenen 60 Jahre stützen anstatt auf einen zukunftsgerichteten Ausblick.Zweitens müssen US-Anleger ihren Horizont erweitern. Langfristige Erträge an europäischen, asiatischen und aufstrebenden Aktienmärkten dürften im Verlauf der nächsten zehn Jahre aufgrund der niedrigeren Ausgangsbewertungen höher ausfallen. Das Umfeld für Anlagen in den USA erscheint aktuell vorteilhaft, Anleger sollten sich jedoch solchen Märkten zuwenden, an denen eine größere Unsicherheit auch zu höheren Risikoprämien führt. Weniger spannendDrittens gehen wir davon aus, dass die Nachfrage für “Alternative Anlagen” und Strategien mit der Zielsetzung, historisch betrachtet moderate Erträge bei einem angemessenen Volatilitätsniveau zu erwirtschaften, nach wie vor stark bleiben wird. 5 % dürften dafür ausreichend sein, wenn man das Niveau unserer Prognosen für Renten und Aktien berücksichtigt. Vermutlich ist dies nicht die spannendste Geschichte, aber weniger spannend könnte genau das sein, worauf wir uns in Zukunft einstellen müssen.—-Andrew Sheets, Chief Cross-Asset Strategist bei Morgan Stanley