Kreditwürdig

Die große Rückzahlung

Die TLTRO-Rückzahlung in diesem Monat wird sich nicht nur in der Höhe von den bisherigen Rückzahlungen unterscheiden. Der Fokus liegt auf Italien, wo die Banken mehr ausstehende TLTROs als Überschussliquidität haben.

Die große Rückzahlung

Kreditwürdig

Die große Rückzahlung

Von Christoph Rieger*)

Die TLTRO-Rückzahlung in diesem Monat wird sich nicht nur in der Höhe von den bisherigen Rückzahlungen unterscheiden. Der Fokus liegt auf Italien, wo die Banken mehr ausstehende TLTROs als Überschussliquidität haben. Der Appetit der italienischen Banken auf BTPs könnte weiter abnehmen, während die Nachfrage der Kernbanken nach HQLA steigen könnte.

Dieser TLTRO ist anders!

Ende des Monats müssen die Banken 477 Mrd. Euro aus der noch ausstehenden TLTRO-III.4-Tranche zurückzahlen. Bisher haben die Banken nur einmal mehr zurückgezahlt, nämlich 500 Mrd. Euro im letzten Dezember. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass die Rückzahlungen damals weitgehend freiwillig waren. Diesmal müssen 477 Mrd. Euro bei Fälligkeit zurückgezahlt werden.

Zusammen mit den 29 Mrd. Euro, die die Banken im Juni freiwillig in anderen TLTRO-Geschäften zurückzahlen werden, ergibt sich eine Rückzahlung von 506 Mrd. Euro für nächsten Mittwoch, die höchste EZB-Bilanzreduzierung, die jemals an einem Tag stattgefunden hat.

Wie viel von dieser Tranche in den einzelnen Ländern aussteht, wird nicht veröffentlicht. Laut dem Financial Stability Report der Banca d‘Italia (BdI) werden von den 318 Mrd. Euro TLTROs, die italienische Banken halten, im Juni 45% fällig, d. h. 143 Mrd. Euro. Aus den Bilanzdaten der BdI und den Tilgungsdaten der EZB ist ersichtlich, dass die italienischen Banken bisher am wenigsten von der freiwilligen Rückzahlungsoption Gebrauch gemacht haben, seitdem die Konditionen im November letzten Jahres ungünstiger wurden.

Italien ist damit das einzige Land, in dem die Banken mehr TLTROs als EZB-Liquidität zur Rückzahlung haben. Dieser Fehlbetrag wurde in den vergangenen beiden Monaten zwar reduziert. Ende Mai überstiegen die TLTROs die Überschussliquidität bei der EZB jedoch noch um insgesamt 36 Mrd. Euro. Diese Gesamtzahl für alle Banken verschleiert dabei die sehr unterschiedliche Situation einzelner Banken. Viele der größeren Banken verfügen über mehr als genug Überschussliquidität, um ihre TLTROs zurückzuzahlen. So gab Unicredit in ihrer Q1-Berichterstattung an, dass sie über 130 Mrd. Euro an Überschussliquidität verfügt, gegenüber 78 Mrd. Euro an TLTROs. Dies bedeutet jedoch, dass viele kleinere Banken ein noch größeres Defizit an EZB-Liquidität aufweisen als der nationale Durchschnitt. Laut BdI hatten knapp die Hälfte aller italienischen Banken Ende März noch ein Liquiditätsdefizit.

Ein Problem für italienische Banken bestand darin, dass sie bis vor kurzem nicht in der Lage waren, den Covered-Bond-Markt aktiv zu nutzen, um ihre Liquidität zu erhöhen, da ihre Regularien noch nicht an die EU-Covered-Bond-Direktive angepasst waren. Dies hat sich mittlerweile jedoch geändert, so dass die Primärmarktaktivitäten italienischer Emittenten in diesem Monat wieder angezogen haben. Das Covered-Bond-Funding beschränkte sich bisher allerdings auf nur wenige Banken (bisher Unicredit, Crédit Agricole Italia und Banco BPM), so dass es für die TLTRO-Planungen der meisten italienischen Institute noch keine direkte Rolle spielen sollte.

Neben dem tatsächlichen Liquiditätsbedarf für die Tilgung von TLTROs müssen Banken auch die Auswirkungen der Rückzahlung auf ihre regulatorischen Liquiditätskennziffern berücksichtigen. Wenn Banken bei der Tilgung HQLA-Sicherheiten freigeben, sind die Auswirkungen auf die Liquiditätsdeckungsquote (LCR) neutral. Da der Sicherheitenpool bei der Banca d‘Italia im Januar 2022 zu mehr als 60% aus Nicht-HQLA bestand (Kredite, von Emittenten einbehaltene Covered Bonds und ABS) und dieser Anteil seitdem wahrscheinlich noch gestiegen ist, dürfte sich die Rückzahlung negativ auf die LCR auswirken. Angesichts der sehr komfortablen LCR-Position sowohl der großen als auch der kleinen italienischen Banken sollte dies jedoch für die meisten Häuser kein Problem darstellen.

Wo kommt das Geld her?

Es ist zwar davon auszugehen, dass alle Banken über ausreichend Liquidität verfügen, um ihre ausstehenden TLTROs bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Die Banken hatten jahrelang Zeit zu planen und die Aufsichtsbehörden dürften die Tilgungs- und Finanzierungspläne genau geprüft haben. Es ist daher unwahrscheinlich, dass es bei der Rückzahlung am 28. Juni zu Verwerfungen kommen wird. Allerdings werden einige Banken wahrscheinlich ihre Bilanzen anpassen müssen, um ohne TLTROs auszukommen.

Eine Möglichkeit für Banken, die nicht über genügend EZB-Liquidität verfügen, wäre die Inanspruchnahme regulärer Offenmarktgeschäfte wie des einwöchigen MROs oder des dreimonatigen LTROs. Die Zuteilungsergebnisse dieser beiden Tender dürften daher in der kommenden Woche seit langem mal wieder interessant werden. Abgesehen von dem um 50 Basispunkte (BP) höheren MRO-Satz, der für diese Finanzierung gilt, dürften viele Banken jedoch das Stigma scheuen, sich bei der EZB zu einem Zinssatz zu refinanzieren, der deutlich über dem €STR- oder den Repo-Sätzen liegt. Die BdI schätzt, dass die Finanzierung des im März vorherrschenden Defizits über die EZB den Return on Equity der Defizitbanken um 350 BP reduziert hätte.

Es scheint deshalb plausibel, dass kleinere Banken, die über eine komfortable LCR-Quote verfügen, bei denen die EZB-Liquidität für die TLTRO-Rückzahlungen jedoch knapp ist, die Aktivseite ihrer Bilanz reduzieren werden. Neben dem Abbau von Staatsanleihen (BTPs) könnte dies auch eine Einschränkung der Kreditvergabe bedeuten.

Bei den größeren Banken mit Zugang zum Kapitalmarkt ist es wahrscheinlicher, dass sie ihre Repo- oder Covered-Bond-Finanzierung ausweiten werden. Covered Bonds könnten zwar teurer werden als EZB-Finanzierungen, aber sie können über längere Laufzeiten begeben werden und erhöhen gleichzeitig das Marktvertrauen, wenn Banken sich am Markt finanzieren können, statt auf die EZB angewiesen zu sein.

Einige, vor allem kleinere, italienische Banken müssen vermutlich noch Cash generieren, um ihre ausstehenden TLTROs zurückzuzahlen. Da kleinere Banken komfortable aufsichtsrechtliche Liquiditätsquoten ausweisen, wäre ein Abbau der BTP-Bestände plausibel, d. h. der Appetit auf neue BTPs könnte weiter nachlassen. Gleichzeitig wird die EZB Ende des Monats die Reinvestition von APP-Beständen einstellen, so dass nach unserer Einschätzung in der zweiten Jahreshälfte neue Investoren für BTPs im Wert von mehr als 25 Mrd. Euro gefunden werden müssen. Angesichts des bereits gedämpften Appetits italienischer Banken auf BTP-Duration erwarten wir daher, dass die zehnjährigen BTP-Spreads wieder ansteigen werden.

Die Kernbanken verfügen über ausreichend Cash, um die TLTROs zurückzuzahlen. Die LCRs der kleineren deutschen Banken („Less Significant Institutions“) sind jedoch weniger komfortabel. Da auch der Sicherheitenpool der deutschen Banken bei der Bundesbank zu etwa einem Drittel aus Nicht-HQLA besteht, könnte eine daraus resultierende Verringerung der LCR durch eine erhöhte Nachfrage nach HQLA, d. h. etwa Agencies und SSAs, kompensiert werden.

*) Christoph Rieger ist Head of Rates und Credit Research bei der Commerzbank.

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