Die Hausse des Eisenerzpreises steht auf tönernen Füßen
Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtUngläubig schauen Experten derzeit dem Geschehen auf dem weltweiten Eisenerzmarkt zu. Der vor allem für die Stahlproduktion benötigte Rohstoff erlebt eine spektakuläre und in ihrem Ausmaß völlig überraschende Hausse. Gemessen an den Terminmarktnotierungen der chinesischen Dalian Commodity Exchange hatte der Eisenerzpreis am 3. Juli bei 1 010 Yuan das höchste Niveau seit dem November 2013 erreicht. Derzeit notiert der Kontrakt um die 960 Yuan und hat damit, im laufenden Jahr um rund 80 % zugelegt.Von der schweren Krise des Eisenerzmarktes in der ersten Hälfte des Jahrzehnts ist nichts mehr zu spüren. Nach einem Rückgang um 47 % im Jahr 2014 auf 71 Dollar fiel der Preis im Frühjahr 2015 auch noch unter die Schwelle von 50 Dollar. Damit brach der Eisenerzpreis sogar unter jene Tiefststände ein, die nach dem Lehman-Desaster erreicht worden waren. Hintergrund der Baisse war die Kombination aus nachlassender Nachfrage aus China und den eben für den China-Boom aufgebauten Überkapazitäten der Eisenerzförderer. Unter den vier Großen der Branche geriet – anders als die diversifiziert aufgestellten Konzerne BHP Billiton, Rio Tinto und Vale – insbesondere die weitgehend auf Eisenerz fokussierte Fortescue Metals in die Bredouille. In seiner Verzweiflung rief der Gründer und Chairman des australischen Bergbauunternehmens, Andrew Forrest, die Wettbewerber zu einer gemeinsamen Produktionsbegrenzung auf, um dem Preisverfall Einhalt zu gebieten, was ihm prompt eine Untersuchung der australischen Wettbewerbshüter einbrockte. Der Aktienkurs des Unternehmens, im Februar 2014 noch auf einem Hoch von 6,22, fiel 2015 bis auf 1,45 australische Dollar, und das Unternehmen musste seinerzeit auch noch die Emission einer Hochzinsanleihe abblasen. Globales Wachstum sinktAuch heute ist der Aktienkurs von Fortescue Metals ein brauchbarer Indikator für den Zustand des Eisenerzmarktes. Er liegt derzeit bei 8,33 australischen Dollar und hat sich damit seit dem Jahresbeginn mehr als verdoppelt. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Party für die Anteilseigner in nicht allzu ferner Zukunft enden wird, auch wenn nicht unbedingt eine Krise wie vor rund fünf Jahren ansteht. Denn die Eisenerz-Hausse kontrastiert nicht nur mit der damaligen Krise, sondern insbesondere sehr stark auch mit den fundamentalen Rahmenbedingungen. Die fulminante Hausse erfolgt nämlich in einer Phase, in der sich das globale Wirtschaftswachstum verlangsamt und die Prognosen stetig reduziert werden. China, mit weitem Abstand der größte Eisenerzimporteur, hat kürzlich für das zweite Quartal das niedrigste BIP-Wachstum seit 27 Jahren gemeldet. Nicht zuletzt befindet sich der globale Konjunkturzyklus in einer sehr späten Phase. Massive ProduktionsausfälleUrsache der Eisenerz-Hausse sind massive Produktionsausfälle vor allem in Brasilien, dem weltweit größten Lieferanten des Rohstoffs. Der katastrophale Bruch des Staudamms der von Vale betriebenen Eisenerzmine Mina Córrego do Feijao sowie die sich daran anschließenden, von den Behörden angeordneten Schließungen weiterer Minen haben zu einem empfindlichen Rückgang der Förderkapazitäten und damit auch der Eisenerzausfuhren Brasiliens geführt. Zudem sind auch die Kapazitäten und Lieferungen Australiens insbesondere durch die im ersten Quartal in dem Land tobenden Zyklone zurückgegangen. Die Folge ist eine preistreibende Verknappung des Rohstoffs. UBS schätzt, dass der globale Eisenerzmarkt in diesem Jahr ein Angebotsdefizit von 52 Mill. Tonnen haben wird. Zu Beginn des Jahres ging die Schweizer Großbank noch von einem Überschuss von 20 Mill. Tonnen aus. Minen wieder am StartNeben dem sich abschwächenden Wachstum der Weltwirtschaft sind die Ausfälle jedoch ein weiterer Grund dafür, dass die Hausse des Eisenerzpreises auf tönernen Füßen steht und eine einigermaßen deutliche Korrektur unvermeidlich sein dürfte. Denn die Ausfälle sind temporärer Natur, die geschlossenen Minen werden über kurz oder lang den Betrieb wieder aufnehmen und damit ihr Angebot Zug um Zug an den Weltmarkt zurückbringen. Der Prozess hat bereits begonnen, die brasilianische “Brucutu”-Mine, eine der nach der Dammbruchkatastrophe vom Januar geschlossenen Minen mit einer Jahreskapazität von 30 Mill. Tonnen, hat ihren Betrieb am 22. Juni wieder aufgenommen.Hinzu kommen weitere Faktoren, die dem Preisanstieg Grenzen setzen und letztlich auch für Druck sorgen werden. So werden durch das deutlich erhöhte Preisniveau weniger effiziente Minen rentabel. Ähnliches gilt für den Abbau von Eisenerz geringerer Qualität. Zudem wird die Wettbewerbsfähigkeit von Stahlschrott erheblich verbessert, was den Eisenerzbedarf dämpft.