FAKTOR-INVESTING - MOMENTUM

Die irrationale Herde

Faktor-Investing (4): Momentum-Investoren kaufen die Gewinner der Vergangenheit

Die irrationale Herde

Bei der Momentum-Strategie des sogenannten Faktor-Investing setzen die Anleger einfach auf die Vergangenheit. Mit dieser Entscheidung fahren sie offenbar gar nicht schlecht. Denn diese Strategievariante zeigte in der Historie eine markante Outperformance.Von Stefan Schaaf, FrankfurtAktienanlage kann so einfach sein: Man kauft die Gewinner und verkauft die Verlierer. Das ist jedenfalls im Kern das, was Momentum-Investoren machen. Sie orientieren sich an den Aktienerträgen der Vergangenheit – und fahren damit gar nicht mal schlecht, jedenfalls wenn man einschlägige Indizes als Basis nimmt. Momentum ist einer von sechs Faktoren, die MSCI berechnet und als Index anbietet. Dieser Faktor bildet Erträge von Aktien ab, die auf Basis historischer Daten oberhalb eines auf Marktkapitalisierung basierenden Index liegen. Momentum ist der Gegenentwurf zu Low-Volatility-Strategien, die bewusst auf unbeachtete Aktien setzen.Allerdings hat die Finanztheorie bislang keine systematische Begründung für die Existenz des Faktors Momentum liefern können. Aber gibt es umfangreiche empirische Arbeiten, die seine Existenz belegen. Demnach tritt Momentum meist in einem Zeitraum von drei bis zwölf Monaten nach einem kursprägenden Ereignis auf und lässt dann allmählich nach.Erklärungen für dieses dem Herdentrieb ähnliche Verhalten von Aktienkursen liefert vor allem die Verhaltensökonomie. Sie geht Effekten nach, die sich aus menschlichem Verhalten ergeben, und weicht damit von der Standardannahme der ökonomischen Theorie ab, Wirtschaftssubjekte handelten immer streng rational. Momentum widerspricht zudem der klassischen Prämisse, wonach Finanzmärkte immer effizient sind, weil alle relevanten Informationen bereits in die Kurse eingepreist sind. Somit handelt es sich bei Momentum-Aktien um eine typische Anomalie des Marktes, wie sie von quantitativen Strategien abgebildet werden. Deren Ansätze bezeichnen einige Index- bzw. Produktanbieter als Smart Beta, andere sprechen von Faktoren. Sogenannte Faktoren bilden Anlagestrategien jenseits der klassischen Orientierung an der Marktkapitalisierung von Unternehmen ab. Sie definieren Charakteristika einer Gruppe von Aktien, die deren Risiko-Rendite-Profil widerspiegeln. In Abkehr von der Markteffizienzhypothese geht inzwischen allerdings auch die ökonomische Theorie verstärkt von Marktineffizienzen und -anomalien aus. Anleger reagieren überErklärungen für die Anomalien stammen häufig von Verhaltensökonomen, so auch im Fall des Faktors Momentum. Für zahlreiche Aktien ist, so die Forschungsergebnisse, immer wieder zu beobachten, dass Investoren auf Nachrichten überreagieren – oder zu zurückhaltend reagieren. In jedem Fall wird der Kurs nach oben oder unten von dem auf fundamentaler Basis als fair erachteten Kurs abweichen und den Momentum-Faktor auslösen. Solche “irrationalen Reaktionen” werden auf Selbstüberschätzung, Selbstzuschreibung, den Grundsatz der Vorsicht, der Abneigung, Verluste zu realisieren oder einfach auch auf einen Mangel an Research zurückgeführt. Hinzu kommt noch die sich selbst verstärkende Wirkung von Schocks. Sie lösen am Markt starke Kursbewegungen in die eine oder andere Richtung aus, was wiederum bei Fonds zu Käufen bzw. Verkäufen führt und damit die jeweilige Kursbewegung noch verstärken kann. Markante OutperformanceIm Vergleich zu anderen Faktoren wie Value oder Low Volatility zeigt Momentum in der jüngsten Vergangenheit eine markantere Outperformance gegenüber einem auf Marktkapitalisierung basierenden Index. Der MSCI World Momentum hat in elf der vergangenen 14 Jahre seinen Stammindex MSCI World (beide Indizes auf Dollar-Basis) geschlagen. Auch für die Drei-, Fünf- und Zehnjahreszeiträume steht eine deutliche Outperformance zu Buche. Allerdings wurde diese vor allem seit etwa dem Sommer 2011 erzielt, so dass möglicherweise derzeit eine Phase der Outperformance vorliegt, die unter veränderten Rahmenbedingungen auch wieder verschwinden kann. Denn von Juni 2000 bis zum Sommer 2011 war der Momentum-Index sehr eng mit dem Stammindex korreliert. Der derzeitig schwerste Wert in dem Index ist die Apple-Aktie, die in den vergangenen Jahren einer der Überflieger am Aktienmarkt war bzw. ist. “Wie andere Strategien auch kann Momentum durch ausgedehnte Phasen einer negativen Performance gehen”, räumt auch MSCI ein. Die Frage des richtigen Einstiegs- und Ausstiegszeitpunktes bleibt somit eine aktive Entscheidung des Investors. Dies gilt umso mehr, als dass Gewinner und Verlierer häufig wechseln, so dass Momentum-Portfolios regelmäßig angepasst werden müssen. Die Intervalle, in denen Indizes angepasst werden, bieten dazu möglicherweise nicht das richtige Timing.Hinzu kommt ein grundsätzliches Problem. Denn die Gewinner der Vergangenheit sind nicht zwangsläufig auch die Gewinner der Zukunft. Technologische Revolutionen, eine Änderung der Politik oder Regulierung haben schon immer bis dato erfolgreiche Geschäftsmodelle ausgehebelt. Gleiches gilt umgekehrt für die Verlierer. Die Erfahrung zeigt, dass aus Gewinnern Verlierer werden können – und umgekehrt.—-Zuletzt erschienen: – Die objektive Subjektivität (5.8.)- Die grauen Mäuse des Aktienmarktes (6.8.)