IM INTERVIEW: ABBAS AMELI-RENANI, AMUNDI

"Die Jagd nach Rendite wird der Treiber sein"

Fondsmanager: Emerging-Market-Bonds werden mit relativ hoher Verzinsung Flows anziehen - In Lateinamerika übergewichtet

"Die Jagd nach Rendite wird der Treiber sein"

Nach einer schmerzhaften Talfahrt haben sich die Währungen und Anleihemärkte der Schwellenländer in diesem Jahr erholt. Abbas Ameli-Renani, Emerging-Market-Stratege von Amundi, ist für Emerging-Market-Bonds auch nach der Erholung zuversichtlich. Seiner Meinung nach bestehen gute Aussichten, dass die höheren Renditen Investoren anziehen.- Herr Ameli-Renani, Emerging-Market-Anleihen gehören nach einem schwachen Start nun zu den bisherigen Gewinnern dieses Jahres. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?Schwellenländeranlagen haben schwere Jahre hinter sich, insbesondere seit der Fed-Chairman Ben Bernanke im Frühjahr 2013 die Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik angekündigt hat. Emerging-Market-Währungen haben in der Folge stark gegen den Dollar nachgegeben. Nun werden die Währungen von einer Reihe von Faktoren gestützt. Während der letzten beiden Jahre sahen wir eine säkulare Aufwertung des Dollar, die jetzt abgeschlossen zu sein scheint. Die Fed hat den starken Dollar inzwischen als Risiko erkannt und zieht die Zügel nun doch nicht so stark an, nachdem sich die Dollar-Stärke negativ auf die US-Produktion ausgewirkt hat.- Welche Rolle spielt die ultralockere Geldpolitik Japans und der Europäischen Zentralbank?In den zurückliegenden zwei Jahren hatten wir einen Währungskrieg, der jetzt aber zumindest eine Pause einlegt. Fast jedes Land versuchte, seine Währung zu schwächen. Das ist natürlich ein Nullsummenspiel, weil eine Währung – und dies war lange der US-Dollar – immer aufwerten muss. Die EZB und die Bank of Japan geben nach wie vor Liquidität ins System, ohne aber zu signalisieren, dass sie weiterhin eine schwache Währung anstreben. Die EZB-Beschlüsse vom März zeigen, dass sich die EZB vor allem auf das Kreditwachstum konzentriert. Für die Schwellenländer ist das wichtig. So können Anleihen aufwerten, ohne dass die Währungen im Gleichklang mit dem Euro und dem Yen abwerten müssten.- Wie wirkt das Niedrigzinsumfeld?Das Umfeld hat in den entwickelten Volkswirtschaften zu einem enormen Rückgang der Anleiherenditen geführt. 97 % der ausstehenden Staatsanleihen der Industrieländer werfen weniger als 2,5 % ab. 30 % weisen mittlerweile negative Renditen auf. In diesem Umfeld sehen Schwellenländeranleihen besonders attraktiv aus. Lokalwährungsanleihen weisen Währungsrisiken, aber kaum ein Kreditrisiko auf, da die Staaten quasi unbegrenzt Geld zur Tilgung drucken können. Sie bieten im Durchschnitt Renditen von 6,5 %. Fremdwährungsanleihen der Schwellenländer haben kein Währungsrisiko, aber ein Kreditrisiko. Sie bieten durchschnittliche Renditen von 6 %. Das ist vergleichsweise attraktiv.- Investoren haben in erheblichem Umfang Kapital aus den Schwellenländern abgezogen. Erwarten Sie, dass sich dies umkehren wird?Unserer Meinung nach werden die vergleichsweise hohen Anleiherenditen der Emerging Markets Flows aus den Industrienationen anziehen. Die Jagd nach Rendite wird der Treiber sein, da die Zinsen niedrig bleiben werden und wie erwähnt der Währungskrieg zumindest unterbrochen worden ist.- Wie gestaltet sich die fundamentale Basis der Schwellenländer?Entgegen einer weit verbreiteten Meinung, dass sich die fundamentalen Gegebenheiten der Emerging Markets verschlechtert haben sollen, glauben wir, dass sie trotz des Schocks etwa durch die sinkenden Rohstoffpreise bemerkenswert stabil waren. Die durchschnittlichen Leistungsbilanzüberschüsse liegen auf dem höchsten Niveau seit fünf Jahren, und auch die Haushaltsbilanzen haben sich als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass etliche Länder zu flexiblen Wechselkursen übergegangen sind beziehungsweise ihren Währungen größere Schwankungsspielräume gewährt haben. So haben etwa Länder wie Russland, Malaysia und Kolumbien stark von flexiblen Wechselkursen profitiert. Andere wie Aserbaidschan und Kasachstan haben ihre Dollar-Bindung zugunsten flexiblerer Wechselkurse aufgegeben. Saudi-Arabien beziehungsweise die Mitglieder des Golfkooperationsrats stellen den einzigen Block unter den Ölförderern mit einer Dollar-Bindung dar. Die Folge: Saudi-Arabien hatte im zurückliegenden Jahr ein Fiskaldefizit von 16 % des Bruttoinlandsproduktes. Für 2016 erwarten wir Ähnliches.- Wie setzen Sie das Umfeld in Ihrer Positionierung um?Auf der Hartwährungsseite sind wir in Ländern mit flexibler Währung wie Russland übergewichtet und in Ländern mit Dollar-Bindung wie Saudi-Arabien untergewichtet. Wir meiden asiatische Papiere aufgrund des China-Exposures, wobei Indonesien hier jedoch eine Ausnahme bildet. Übergewichtet sind wir in Lateinamerika und hier vor allem in Brasilien und Argentinien. Vor allem die für die Kapitalmärkte freundlichen politischen Entwicklungen sprechen für diese beiden Länder. In der Folge erwarten wir, dass sich auch die fiskalische Situation verbessert und dass insbesondere die Regierung Argentiniens Reformen vorantreibt. Bei Lokalwährungsanleihen sehen wir erheblichen desinflationären Druck in Russland, Brasilien und Polen vor uns und sind in diesen drei Ländern entsprechend übergewichtet.- Emerging-Market-Anlagen bergen politische Risiken. Wie schlägt sich das in Ihrer Einschätzung nieder?Es gibt eine Divergenz der politischen Zyklen in den Schwellenländern und den entwickelten Volkswirtschaften. In Ersteren sind die politischen Risiken höher, und das wird angesichts schwächerer institutioneller Strukturen so bleiben. Allerdings liegt das Schlimmste in dieser Hinsicht nun hinter uns. Zwar werden Anleger in Schwellenländern wie Brasilien und Argentinien weiterhin mit politischen Risiken konfrontiert sein, wir halten es jedoch für durchaus wahrscheinlich, dass der positive Trend anhält. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Gegenbeispiele, wie die Türkei, in der wir eine Verschlechterung der politischen Landschaft erwarten. Interessant ist auch die Verbindung zwischen politischen Risiken und Rohstoffpreisen. Steigen die Rohstoffpreise, bleiben wirtschaftspolitische Defizite im Verborgenen, bei Preisschwäche werden sie aufgedeckt. Das wird dann regelmäßig bei Wahlen sichtbar. So gab es in Argentinien durch die Niederlage von Cristina Kirchner gegen Mauricio Macri ein marktfreundliches Ergebnis. Sogar Venezuela hat sich positiv entwickelt, dort gibt es nun eine Zweidrittelmehrheit gegen den Chavismus. Jüngstes Beispiel ist die vorläufige Absetzung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Es ist zudem möglich, dass auch der südafrikanische Präsident Jacob Zuma entmachtet wird. Hinzu kommen die positiven Wahlausgänge in Indien und Indonesien vom zurückliegenden Jahr.- Wie beurteilen Sie unter dem politischen Aspekt Russland?Nun, ob man sich eine demokratische Entwicklung in Russland als wünschenswert vorstellen würde, ist das eine. Unabhängig davon ist jedoch eindeutig zu konstatieren, dass die Wirtschaftspolitik Russlands marktfreundlich ist. Das Budgetdefizit wird im Zaum gehalten, wofür die Bevölkerung des Landes einen gewissen Preis zu zahlen hat. Aber wir haben eben eine solide und positive Wirtschaftspolitik.- Besteht nicht in den Industrienationen, wenn man etwa auf den Zustand der EU schaut, in politischer Hinsicht eine Verschlechterungstendenz?Das ist in der Tat so und auch ein weiterer Grund, warum die relative Attraktivität der Emerging Markets gestiegen ist. In den entwickelten Ländern beobachten wir eine zunehmend fragmentierte und polarisierte Politik. Neben der Zerstrittenheit der EU-Staaten wäre an die Möglichkeit des Brexit, die bevorstehenden Wahlen in Spanien sowie im kommenden Jahr in Deutschland und Frankreich, die prekäre Situation Portugals oder auch die Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump zu denken.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.