LEITARTIKEL

Die Krise wird wohl vermieden

Es lässt sich argumentieren, dass die neue US-Notenbankchefin Janet Yellen den Schwellenländern bei ihrem ersten Auftritt vor dem Kongress die kalte Schulter gezeigt hat. Die jüngsten Turbulenzen stellten gegenwärtig keine Gefahr für den...

Die Krise wird wohl vermieden

Es lässt sich argumentieren, dass die neue US-Notenbankchefin Janet Yellen den Schwellenländern bei ihrem ersten Auftritt vor dem Kongress die kalte Schulter gezeigt hat. Die jüngsten Turbulenzen stellten gegenwärtig keine Gefahr für den Konjunkturausblick dar, sagte sie. Wohlgemerkt: Sie bezog sich ausdrücklich auf den Ausblick für die USA, nicht für die Emerging Markets selbst. Ein Aussetzen des Tapering, das diese Turbulenzen mit ausgelöst hat, kommt für sie daher nicht in Frage. Immerhin versprach sie, man werde die Angelegenheit im Auge behalten.Für die Schwellenländer und für Anleger, die auf diese Märkte gesetzt haben, bedeutet das freilich nur einen schwachen Trost. Sie können also nur dann mit Unterstützung aus Washington rechnen, wenn die Turbulenzen so stark werden sollten, dass sie auf die Finanzmärkte und die Konjunktur der entwickelten Länder durchschlagen. Mit anderen Worten: Es müssten sich die Probleme in den Schwellenländern zu einer neuen globalen Finanzkrise ausweiten. Danach sieht es aktuell zwar nicht aus, auszuschließen ist es aber auch nicht.Beschäftigt man sich mit der Frage, ob es eine regelrechte Schwellenländerkrise geben wird, so fällt zunächst auf, dass es deutliche Parallelen zu 1997 gibt, dem Jahr der großen Asienkrise. Wie die Analysten der Credit Suisse bemerken, findet derzeit genau wie Mitte der neunziger Jahre eine von der US-Konjunktur angetriebene globale Erholung statt. Es gibt ebenso vor dem Hintergrund eines stärker werdenden Dollar fallende Preise im Rohstoffsektor. Zudem findet erneut eine starke Abwertung des Yen statt. All dies schafft wieder ein Umfeld, das den Emerging Markets zusetzt.Und genauso wie Mitte der neunziger Jahre hat es durch die Niedrigzinsen in den entwickelten Märkten ausgelöste kräftige Zuflüsse von Finanzmitteln in die Schwellenländer gegeben. Aktuell betragen sie 3 % des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP), damals waren es sogar 4 %. Diese Zuflüsse haben durchaus gravierende Konsequenzen: In den betroffenen Ländern steigt die Verschuldung und damit der Financial Leverage und die Leistungsbilanz der Staaten fällt ins Negative. Nun kommt Frau Yellen ins Spiel: Findet eine Wende in der US-Geldpolitik statt, drehen sich die Finanzströme wieder um. So sind nach Berechnungen von Credit Suisse zwischen 1997 und 2002 Mittel im Volumen von rund 1,5 % des globalen BIP aus den Emerging Markets abgezogen worden. In den Neunzigern war ein deutlicher Anstieg der realen Zinsen der Auslöser, diesmal ist es das Tapering und die Aussicht, dass es spätestens 2015 zu einer ersten Leitzinsanhebung durch die Fed kommt. Die Mittelabzüge hatten dramatische Folgen für die betroffenen Länder. Im vierten Quartal 1996 betrug das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in den Emerging Markets noch 5 %, im dritten Quartal 1998 nur noch 1,5 %.In einigen Punkten ist die Lage derzeit sogar eher noch schlechter als 1997: So ist die Verschuldung des privaten Sektors in den Schwellenländern aktuell ungefähr doppelt so hoch wie damals. Zudem könnten die Rohstoffnotierungen wegen der enormen Preisanstiege der vergangenen Jahre tiefer fallen als bei der vergangenen Krise. Andererseits sind die in ausländischen Devisen denominierten Schulden mit durchschnittlich 25 % des BIP deutlich niedriger als in den neunziger Jahren mit 40 %. Zudem sind die Devisenreserven der Länder höher als damals und – in dieser Hinsicht zeigt Frau Yellen den Emerging Markets nicht die kalte Schulter – die Fed geht bei der geldpolitischen Wende weitaus weniger aggressiv vor als in der Vergangenheit.Insgesamt lässt sich sagen, dass die Schwellenländer in einer besseren Verfassung sind als 1997 – insbesondere, wenn man sie mit den immer noch an den Folgen der Finanzkrise leidenden Industrieländern vergleicht. Das wird auch von den meisten Emerging-Markets-Investoren so gesehen. Damit ist es wahrscheinlicher, dass sich die notwendigen Anpassungen wie der Mittelabzug in halbwegs geordneten Bahnen vollziehen, als dass es zu einem regelrechten “Meltdown” kommt.Allerdings würde es helfen, wenn die sehr langsam ablaufenden Strukturreformen in den Ländern beschleunigt würden und wenn das politische Störfeuer – etwa durch die Korruptionsaffäre in der Türkei – nachlassen würde. Und es gibt noch eine weitere Gefahr: Sollte das Wirtschaftswachstum in China unter die Marke von 5 % fallen, dürfte es ernst werden.——–Von Dieter KuckelkornEs sieht eher nicht danach aus, dass sich die Turbulenzen der Schwellenländer-Assets zu einer schweren Krise ausweiten. Auszuschließen ist das aber nicht.——-