DEVISENWOCHE

Die Mär vom Währungskrieg

Von Lars Edler und Frank Hübner *) Börsen-Zeitung, 20.10.2015 Nachdem sich die Finanzmärkte im ersten Halbjahr 2015 hauptsächlich mit Griechenland und dem erwarteten ersten Zinsschritt der Fed beschäftigten, trat im August das Thema China auf die...

Die Mär vom Währungskrieg

Von Lars Edler und Frank Hübner *)Nachdem sich die Finanzmärkte im ersten Halbjahr 2015 hauptsächlich mit Griechenland und dem erwarteten ersten Zinsschritt der Fed beschäftigten, trat im August das Thema China auf die Agenda. Zwar gehen die meisten Beobachter schon länger davon aus, dass die Wachstumsraten in der Region niedriger ausfallen werden als in den Jahren zuvor, doch virulent wurde dieses Thema erst im Sommer. Der Shenzhen Index, der kapitalmarktgewichtet alle in Shenzhen gelisteten A- und B-Shares repräsentiert, verlor allein im August über 15 %. Von seinem Jahreshoch im Juni büßte er bis Mitte September sogar fast die Hälfte seines Wertes ein. Angesichts der zwischenzeitlich erreichten Kurs-Gewinn-Verhältnisse von über 200 kann man getrost von einer geplatzten Aktienmarktblase sprechen.An diesem Punkt setzte auf Seiten der chinesischen Regierung leider etwas ein, das man mit “mangelhafter Kommunikation” umschreiben kann. Spätestens seit 2013 versucht Peking bei der Ressourcenallokation im Land den Spagat zwischen einer “entscheidenden Rolle” der Märkte und einer “dominierenden Rolle” des staatlichen Sektors. Die mangelnde Fähigkeit der Regierung, diesen Spagat glaubhaft zu erklären, führte in diesem Jahr zur Orientierungslosigkeit – bei Anlegern, aber auch bei den verantwortlichen Offiziellen. Blase geduldetLange hatte die Regierung die Aktienmarktblase geduldet und sogar befeuert. Als diese platzte, wurde massiv interveniert, um weitere Kursverluste zu vermeiden. Kurz darauf nahm man von dieser Politik Abschied; die Kurse fielen weiter. Ähnliches konnte man am Devisenmarkt beobachten: Peking ließ den Außenwert der Währung am 11. August stark abwerten. Die People’s Bank of China (PBoC) verkündete, dass dies eine einmalige Anpassung sei und zukünftig primär Marktkräfte die Währung bestimmen sollten. Einen Tag darauf kam es zu einer zweiten deutlichen Abwertung.Der eingeschränkte Einfluss der Politik auf die Finanzmärkte hat die gestaltungsgewohnte chinesische Administration überrascht und verunsichert. Ihr Agieren induzierte Furcht vor einem Währungskrieg mit den USA und führte zu einer Fluchtreaktion internationaler Anleger. Am Ende musste die PBoC die Lage im klaren Widerspruch zur Zielvorgabe der Regierung, die Preisbildung stärker dem Devisenmarkt zu überlassen, durch massive Interventionen entschärfen. Ein Kommunikationsdilemma: Einerseits wurde China stark für eine kompetitive Abwertung kritisiert; andererseits versucht das Land, genau diese Abwertung durch Marktintervention zu verhindern, und verstößt damit gegen die eigene Ankündigung. Der resultierende Glaubwürdigkeitsverlust in die chinesische Führung führt zu steigender Volatilität. Welche Zahlen sind verlässlich, welche Aussagen belastbar, mit welcher Halbwertzeit? Nach zwei unerwarteten Abwertungen und im Umfeld rückläufiger Wachstumsraten sind die Frage nach dem Kurs der Zentralbank und die Sorge vor einem Abwertungswettlauf eine logische Folge. Sorge unbegründetDoch ist diese Sorge begründet? Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt eher das Gegenteil. Von 2010 bis heute hat China das weltweite Wirtschaftswachstum nicht nur über eines der bisher größten Konjunkturprogramme überhaupt gestärkt, sondern auch eine fast 25-prozentige (nominale) Aufwertung des Renminbi absorbiert. Im gleichen Zeitraum hat nicht zuletzt Europa versucht, durch massive Abwertungen wieder Wachstum zu erzeugen.China ist unter den Emerging Markets dasjenige Land, welches gegen den allgemeinen Trend eine dauerhafte Aufwertung seiner Währung hingenommen hat (s. Grafik). Brasilien und Russland haben zeitweise bis zu 50 % ihres Außenwertes abgegeben, Indonesien und Indien haben ihre Exporte mittels Abwertung um zeitweise bis zu 25 % verbilligt. Der Renminbi hat dagegen trotz der zweimaligen starken Abwertung im August 2015 eher auf- als abgewertet. In den vergangenen Wochen hält er sich sehr stabil und zeigt keinerlei Abwertungstendenzen. Ein Währungskrieg sieht anders aus.Peking versucht sein Wachstumsmodell von einer industrie- und investitionsabhängigen Volkswirtschaft hin zu einem eher dienstleistungsgetriebenen Wachstumspfad umzubauen. Ein richtiger Schritt, der aber starken Einfluss auf die Importe hat. Eine forcierte Abwertung des Renminbi zur Exportstimulierung wäre kontraproduktiv für diesen Umbau, zumal dieser die Nachfrage – zumindest vorübergehend – dämpfen wird. Dem Bemühen anderer Länder, die Dynamik des globalen Wachstums zu stabilisieren, wird China nicht durch einen Abwertungswettlauf im Wege stehen wollen.—-*) Lars Edler ist Leiter Investmentstrategie und Frank Hübner stellvertretender Leiter Volkswirtschaft von Sal. Oppenheim.