Die neuen Anforderungen
Woher kommen vernünftige Renditen bei angemessenem Risiko ins Portfolio? Wie sieht überhaupt ein zukunftsfähiges Multi-Asset-Portfolio aus? Die Beantwortung dieser Fragen war noch nie trivial. Heute und in Zukunft ist sie noch deutlich anspruchsvoller als in den vergangenen Jahrzehnten, als sich eine vergleichsweise starre, schematische Asset-Allokation als sehr erfolgreich erwiesen hatte. 60:40-Portfolios, also ein Mix von 60% Aktien und 40% Anleihen – das führte in Kombination mit einem geschickten Händchen zu sehr guten Ergebnissen. In den USA brachte diese Mischung seit den 80er Jahren eine erstaunliche durchschnittliche jährliche Rendite von 10,2%. Anleihen brachten nicht nur Rendite, sie dienten auch als Puffer im Portfolio, wenn es an den Aktienmärkten einmal bergab ging.
Niedrigere Renditeaussichten
Doch die Situation und die Perspektiven haben sich geändert. Nicht nur, dass die langfristigen Renditeaussichten sowohl von Aktien als auch von Anleihen gesunken sind. Mit einer vergleichsweise undifferenzierten Aufteilung auf Aktien und Anleihen dürften Anleger es in Zukunft kaum schaffen, das künftig niedrigere Renditepotenzial auszuschöpfen. Die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken und die massiven Aufkaufprogramme im Anleihebereich haben zu äußerst hohen Bewertungen im Aktien- wie im Anleihebereich und zu extrem niedrigen Inflationsraten geführt. Zuletzt nahmen allerdings die Anzeichen zu, dass die Zeiten, in denen die Inflation kaum spürbar ist, bald vorbei sein könnten. Diese Gemengelage hat Auswirkungen auf die Gestaltung von Multi-Asset-Strategien. In Zukunft werden smarte Multi-Asset-Strategien gefragt sein, bei denen mehr als bisher ein Augenmerk auf eine intelligente Diversifikation in Anlageklassen, Regionen und Sektoren gelegt werden muss. Hier die richtigen Weichen zu stellen ist fundamental für den langfristigen Erfolg. Schließlich gilt: Mehr als 80% der Rendite eines Portfolios ist auf die Asset-Allokation zurückzuführen. Das unterstreicht noch einmal, warum eine gezielte Asset-Allokation so wichtig für Anleger ist. In dem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass bei einem langfristigen Anlagehorizont der Zeitpunkt des Ein- und Ausstiegs einen wesentlich geringeren Einfluss auf den Anlageerfolg hat als die richtige Vermögensaufteilung.
Es sind im Wesentlichen fünf Aspekte, die in einem zukunftsgerichteten, intelligenten Multi-Asset-Portfolio berücksichtigt werden sollten. Eine große Herausforderung für Multi-Asset-Portfolios ist die veränderte Korrelation von Aktien und Staatsanleihen. Natürlich gab es hier noch nie die ideale Welt, in der durchgehend stark negative Korrelationen dazu führen, dass im Falle eines Einbruchs der einen Anlageklasse die andere für einen Ausgleich sorgt. Doch alles in allem hat das doch ganz gut funktioniert. Heute und mit Blick auf die Zukunft stellt sich die Situation anders dar. Die Wahrscheinlichkeit ist erheblich höher, dass Verluste in beiden Anlageklassen simultan auftreten.
Faktoren werden wichtiger
Bei der strategischen wie auch bei der taktischen Asset-Allokation muss zweitens künftig ein größerer Fokus darauf gelegt werden, welche Sektoren, welche Regionen und insbesondere welche Faktoren bei der Zusammensetzung des Portfolios berücksichtigt werden sollen. Im Anleihebereich dürfte es zunehmend wichtig werden, nicht nur Standardanleihen aus westlichen Industrieländern ins Portfolio zu nehmen, sondern auch Schwellenländer zu berücksichtigen, deren Anleihemärkte sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt haben und deutlich liquider geworden sind. Höhere Renditeerwartungen als in den Industriestaaten und andere Korrelationen machen sie zu einem interessanten Baustein im Anleihesegment.
Alternative Anlagen beachten
Besser zu diversifizieren heißt drittens, auch alternative Anlagen mit ins Portfolio aufzunehmen – sowohl liquide als auch illiquide. Neben Rohstoffen und Reits (Real Estate Investment Trusts) ist hier an Infrastruktur-Investments, aber auch an Private Equity zu denken. Ein Vorteil von alternativen Anlagen: Mit ihnen lässt sich ein nicht direktionales Exposure einkaufen und somit dem Portfolio eine marktneutrale Komponente hinzufügen. Stichwort: marktneutrale Strategien. Sie werden künftig verstärkt eine Rolle bei intelligenten Multi-Asset-Strategien spielen. Ein Beispiel: Wer erwartet, Value-Titel könnten von einem Zinsanstieg profitieren, hat die Möglichkeit, diese additiv ins Portfolio aufzunehmen. Die Alternative ist eine marktneutrale Strategie. Konkret: eine Long-Position beim Faktor Value aufzubauen und den Markt short zu gehen. Der Vorteil von marktneutralen Strategien liegt darin, dass mit ihrer Hilfe positive Renditen erzielt werden können, unabhängig davon, wie sich der breite Aktienmarkt entwickelt. Es geht also darum, Alpha zu generieren, aber kein oder nur ein geringes Beta.
Wie einschneidend sich die Verhältnisse an den Kapitalmärkten ändern werden, zeigt viertens ein Blick auf die Effizienzkurve, die sich seit Jahren nach rechts unten verschiebt. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen – die demografische Entwicklung, Globalisierung, Digitalisierung, die Entwicklung der Preissetzungsmacht – um nur einige zu nennen. Was abstrakt klingt, hat ganz konkrete Folgen für Anleger und für die Ausrichtung von Portfolios: In den zehn Jahren nach der Finanzkrise im Jahr 2009 war ein Ertrag von 3% bei einem Risiko (Volatilität) von 3% möglich. Künftig wird sich diese Relation dramatisch ändern. Für einen Ertrag von 3% wird ein Risiko von 9% in Kauf genommen werden müssen, so die Erwartung. Getrieben wird diese Entwicklung nicht zuletzt von Anleihe-Investments, die in vielen Bereichen künftig kaum mehr einen substanziellen positiven Renditebeitrag liefern dürften. Das ist für viele Anleger eine enorme Herausforderung.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, dem Multi-Asset-Portfolios Rechnung tragen müssen, ist fünftens das Thema Nachhaltigkeit. Die aktive Berücksichtigung von ESG-Kriterien ist ein wichtiger Teil des Risikomanagements. Damit erhält das Thema Diversifikation eine weitere Komponente. Künftig wird nicht die allgemeine Frage nach einer besseren Diversifikation im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage, welcher Beitrag zu einer nachhaltig besseren Diversifikation erbracht wird. Und diese Frage ist nicht auf Aktieninvestments beschränkt. Die Auswirkungen des Klimawandels können nicht nur Geschäftsmodelle obsolet machen und zum Totalverlust von Assets führen. Auch Staaten, die sich den Herausforderungen des Klimawandels nicht stellen, werden massiv unter Druck geraten.
Fazit: Flexible, an den Bedarf der Anleger angepasste Multi-Asset-Strategien sind wichtiger denn je, um einerseits Renditeperspektiven zu schaffen und andererseits die Risikotragfähigkeit von Anlegern nicht zu stark zu strapazieren. Die Einbeziehung von ESG-Faktoren spielt dabei eine bedeutende Rolle.
Zuletzt erschienen:
Hochzinsanleihen – Zuflucht oder Falle? (159), Lampe Asset Management
Dunkelgrün oder hellgrün, das ist hier die Frage (158), BNP Asset Management
Irrationaler Überschwang: Game Over bei Gamestop? (157), M.M.Warburg
Aktien scheinen teuer, aber nicht überbewertet (156), Assenagon