"Die Opec hat immer noch einen Einfluss"
– Frau Evans, warum sind die Gespräche in Doha gescheitert?Saudi-Arabiens Entscheidung, kein Einfrieren der Produktion ohne Iran zu unterstützen, war sicher eine große Hürde, aber es gab auch einige andere Produzenten, die darauf bestanden. Es scheint so, dass die anwesenden Länder nicht über ihre Bedenken in puncto eigene Marktanteile hinwegkamen, um die Ölpreise für alle Produzenten zu festigen.- Ist dies das Ende der Opec als halbwegs funktionierendes und preissetzendes Ölkartell?Nicht unbedingt. Obwohl das Umfeld durch die tiefen Preise und den Kampf um Marktanteile schwieriger geworden ist, hat bisher kein Mitglied erklärt, sich aus der Gruppe zurückzuziehen. Dass der Ölpreis nach den gescheiterten Gesprächen unter Druck geraten ist, zeigt gerade, dass die Opec immer noch einen Einfluss auf die Preise hat. Die große Änderung besteht darin, dass das Kartell etwa durch die Produktion in den USA mehr Wettbewerbsdruck von außerhalb ihrer Einflusssphäre spürt und dass die Opec-Mitglieder dadurch auch untereinander etwas stärker miteinander konkurrenzieren.- Wie wirkt sich dies auf die Produktionskapazitäten in den USA aus?Fallen die Ölpreise weiter, könnte dies zu weiteren Stilllegungen von Förderkapazitäten in den USA führen. Doch entwickelt sich die Technologie dort rasch weiter. Viele Quellen könnten wieder in Betrieb gehen, wenn die Preise steigen. Es soll Tausende von gebohrten, aber nicht völlig erschlossenen Quellen geben, die nur darauf warten, bei höheren Preisen in Produktion zu gehen.- Wie sieht Ihre Preisprognose aus?Ausgehend von den letzten Produktions- und Nachfragedaten scheint es, dass wir etwas früher als zunächst erwartet einen Boden unter dem Ölpreis sehen. Die US-Produktion von Schieferöl- und -gas beginnt signifikant zu sinken. Andererseits sieht die Internationale Energieagentur IEA aus Indien eine anhaltende, stützende Nachfrage. Auch die Nachfrage aus Russland und China sei überraschend widerstandsfähig.- Ist es trotz gescheiterter Gespräche für den Markt möglich, bald zum Gleichgewicht zu kommen?Das fehlende Abkommen kommt zu einem Moment, in dem es Zeichen einer Besserung gibt. Deshalb dürfte sich dies als nicht so bedeutend herausstellen, obwohl es kurzfristig preisbelastend wirkt. Die große Frage ist: Was geschieht, wenn die Preise steigen? Zu Preisen um 50 Dollar je Barrel lohnt es sich, die Produktion in den derzeit noch nicht voll erschlossenen US-Quellen aufzunehmen, und eine bedeutende Menge Öl dürfte dann auf den Markt strömen. Fehlt die entsprechende Nachfrage, dürften die Preise womöglich unter das derzeitige Niveau fallen.—-Das Interview führte Dietegen Müller.