MARKTCHANCEN 2018

Die passive Revolution entfaltet immer mehr Wucht

Auch nach dem Rekordjahr 2017 verfügen ETF über überdurchschnittlich hohe Wachstumsperspektiven - Scharfer Wettbewerb drückt Gebühren

Die passive Revolution entfaltet immer mehr Wucht

Von Werner Rüppel, FrankfurtWer hätte das gedacht? Mit Fidelity und Franklin Templeton bieten traditionelle aktive Assetmanager seit diesem Jahr auch auf dem europäischen Markt passive Indexfonds an. Denn die führenden Adressen der Fondsindustrie, wie auch BlackRock oder die Deutsche Asset Management, sind sich weitgehend einig: Passive Anlagen wie vor allem börsengehandelte Exchange Traded Funds (ETF) dürften in den kommenden Jahren überdurchschnittlich stark wachsen.Die passive Revolution in der Fondsindustrie hat im Jahr 2017 eine immer größere Wucht entfaltet. So verzeichneten ETF weltweit bis Ende November nach Angaben der Deutschen Bank rekordhohe Nettomittelzuflüsse von 568 Mrd. Dollar, die das Niveau des Vorjahres von 362 Mrd. Dollar deutlich übertrafen. Zugleich ist das in ETF verwaltete Vermögen dank der hinzukommenden Kursgewinne binnen Jahresfrist weiter von 3,3 Bill. Dollar Ende 2016 auf 4,5 Bill. Dollar Ende November 2017 geklettert.Trotz des starken Wachstums der ETF und herkömmlicher nicht an der Börse gehandelter Indexfonds in den vergangenen Jahren werden weltweit noch immer die meisten Gelder herkömmlich, sprich aktiv verwaltet. Wobei allerdings die regionalen Unterschiede erheblich sind. So werden in den USA bereits 3,3 Bill. Dollar in ETF gehalten, während Europa – hier flossen in diesem Jahr bis Ende November 102 Mrd. Dollar netto zu – inzwischen auf rund 750 Mrd. Dollar kommt. So beträgt laut Deutscher Bank auch der Anteil der ETF am gesamten Fondsvermögen in Europa nur 3,9 %, aber in den USA rund 20,4 %. Da Aktien dort rund 80 % der Anlagen in den börsennotierten Indexfonds ausmachen, kommt ETF am US-Aktienmarkt schon eine größere Rolle zu. Vor diesem Hintergrund haben ETF vor allem in Europa kräftigen Nachholbedarf. Aber auch weltweit dürften diese passiven Anlagen weiter zulegen. “Wir sind überzeugt, dass die global in ETF angelegten Assets 7,6 Bill. Dollar bis Ende 2020 erreichen können”, erklärt die Unternehmensberatung EY in ihrem aktuellen ETF Survey. Dies würde einer jährlichen Wachstumsrate von im Durchschnitt 17 % entsprechen.Nach Auffassung von EY könnten bereits im Jahr 2027 die global in passiven offenen Investmentfonds – also in ETF und in herkömmlichen Indexfonds – verwalteten Gelder die der aktiven übertreffen. Dies wäre ein gewaltiger “Shift” zu passiven Anlagen. Nach Berechnungen von Morningstar betrug der Anteil aller passiven Anlagen am Weltfondsvermögen von 36 Bill. Dollar Ende Oktober 23,6 %. Und bei US-Aktienfonds stellte sich die Passivquote auf 43,8 %.Ein wesentlicher Treiber der passiven Revolution sind niedrige Managementgebühren. Aufgrund der ausgeprägten Konkurrenzsituation in der ETF-Industrie sind diese 2017 weiter gesunken. Und inzwischen ist in Europa mit Vanguard ein weiterer Anbieter aktiv, der nicht zuletzt durch niedrige Gebühren auf Standardindizes punkten will. Doch nicht nur von Vanguard, auch von anderen führenden Anbietern werden ETF auf große Aktienindizes inzwischen zu Managementgebühren von 10 Basispunkten im Jahr und darunter angeboten. Volumengewichtet liegen die Fees für europäische Aktien-ETF nach Berechnungen der Deutschen Bank gerade einmal bei 0,30 % im Jahr. Das ist natürlich schon wesentlich günstiger als aktive Aktienfonds, die in der Regel jährliche Gebühren von 1,5 % bis 2 % aufweisen. Die höheren Kosten gilt es für aktive Manager erst einmal zu erwirtschaften, noch dazu über mehrere Jahre.Insgesamt schlägt der Großteil der passiven Produkte auf Dauer aktive Fonds. Laut einer aktuellen Analyse von Lyxor gelingt es nur 22 % der aktiven Fonds, über einen Zeitraum von zehn Jahren ihre Benchmark zu übertreffen. Und Thomas Meyer zu Drewer, der die Commerzbank-ETF-Tochter Comstage leitet, erklärt: “Auf Dauer sind es 75 % der passiven Produkte und teilweise mehr, die besser abschneiden, das zeigen etliche Analysen.”Ein weiterer Vorteil von ETF liegt in ihrer hohen Transparenz, zumindest bei Produkten auf Standardindizes. Bei passiven Produkten wird ein genau fixierter Index (nebst vorab festgehaltenen Austauschkriterien für denselben) abgebildet. Ein Anleger, der zum Beispiel einen ETF auf den Dax, den S & P 500, den MSCI World Aktien oder den Euro Stoxx kauft, weiß, was er erwirbt. Zur Produktklarheit kommt hinzu, dass ETF echte Fonds und somit Sondervermögen sind, die ihren Investoren gehören. Sie weisen also kein Emittentenrisiko wie Zertifikate und andere Bankschuldverschreibungen auf.Vor allem institutionelle Anleger, die sich eingehend mit den Wertpapiermärkten beschäftigen, kaufen immer mehr ETF. Und selbst US-Investorenlegende Warren Buffett, der seit vielen Jahren mit einem aktivem Managementansatz bei seiner Gesellschaft Berkshire Hathaway erfolgreich ist, rät: “Sowohl große wie auch kleine Investoren sollten an preiswerten Indexfonds festhalten.” Hingegen hält Buffett von Produkten wie Hedgefonds, bei denen neben hohen Fixgebühren noch üppige Performance Fees erhoben werden, wenig. Sie dienten nur dazu, die Anbieter reich zu machen.Die ETF-Industrie hat sich in den vergangenen Jahren und auch 2017 erheblich weiterentwickelt. Nicht nur dass die Gebühren im Durchschnitt gesunken sind. Der Schwenk von der synthetischen Abbildung über Swaps hin zu direkter physischer Abbildung trifft den Wunsch vieler Investoren. Gegenparteirisiken werden somit ausgeschaltet. Inzwischen legen die meisten ETF direkt in die im Index enthaltenen Wertpapiere an.Darüber hinaus hat sich die Zahl der angebotenen ETF weltweit deutlich auf inzwischen rund 4 500 erhöht. Eine breite Palette von Aktienindizes und inzwischen auch Anleiheindizes wird angeboten. Die Lösungsvielfalt, nicht zuletzt auch für institutionelle Investoren, ist immens. Und mit Smart-Beta-ETF entwickelt die Industrie Produkte, die besondere Risiko-Ertrags-Profile aufweisen. Wobei noch über die Jahre geschaut werden muss, welche Smart-Beta-ETF auch in der Praxis überzeugen oder nicht, in der Vergangenheit optimieren lässt sich ja viel. Dass aber zunehmend passive Produkte, die aktive Merkmale aufweisen, angeboten werden, erhöht das Marktpotenzial. Weisen doch auch Smart-Beta-ETF nicht zuletzt wesentlich geringere Gebühren als herkömmliche aktive Fonds auf. Ein weiterer Wachstumtreiber dürfte auch die zunehmende Regulatorik – Stichwort Mifid II – sein, die transparente und preisgünstige Lösungen wie ETF begünstigt. Zudem birgt die Digitalisierung der Fondsbranche inklusive der digitalen Vermögensverwaltung über Robo-Advisor Perspektiven für passive Lösungen.Durchaus spannend dürfte in Europa der Wettkampf auf der Anbieterseite werden. Für BlackRock gilt es, eine klare Marktführerschaft gegenüber Adressen wie Deutsche Asset Management oder Lyxor zu verteidigen. Vanguard möchte auch in Europa wie in den USA reüssieren. Und neue Player wie Fidelity und Franklin Templeton versuchen mit innovativen, selbst entwickelten Produkten ein größeres Stück vom wachsenden Kuchen abzubekommen.Trotz der Vorteile passiver Anlagen ist für aktive Fondsmanager aber weiter Platz. Doch dürften nur Adressen, die mit besonderen Risiko-Performance-Ergebnissen oder innovativen Lösungen überzeugen, aktiv auf Dauer erfolgreich sein. Standardinvestments werden zunehmend mit preisgünstigen ETF abgebildet werden. Auch nach dem Rekordjahr 2017 gilt: Passiv wächst stärker.