AUSBLICK

Die Sorge vor einem japanischen Szenario

Renditeanstieg am Anleihemarkt löst Nervosität aus - Deutsche Bank sieht Finanz-Assets im Nachteil

Die Sorge vor einem japanischen Szenario

Von Dietegen Müller, FrankfurtDas Stillhalten der EZB auf ihrer Zinssitzung am Donnerstag hat den Markt nur kurz beeindruckt. Konsens der Marktteilnehmer ist, dass früher oder später die EZB ihr Programm der quantitativen Lockerung weiter ausdehnen wird. Zu schwach seien Wachstum und Inflation, so die Meinungen. Das günstige Refinanzierungsumfeld nutzen derweil viele Unternehmen, die sich in der vergangenen Woche besonders emissionsfreudig gezeigt haben.Dabei zeigt sich unter Investoren ein offenbar steigendes Unbehagen, dass Europa dem Beispiel Japans folgen könnte. Nach dem Platzen einer Immobilienblase und bedingt durch innere Verkrustung und hohe Verschuldung ist das Inselreich vor einem Vierteljahrhundert in eine Wachstumskrise gestürzt, aus der auch staatliche Wachstumsprogramme oder Anleihe- und ETF-Käufe durch die Bank of Japan bisher keinen Ausweg gebracht haben. Nun scheint – für einige Beobachter überraschend – die jahrzehntelange Talfahrt der Anleiherenditen ein Ende gefunden zu haben. Seit Ende Juli ist die Rendite zehnjähriger Staatspapiere von – 0,29 % auf – 0,01 % hochgeschnellt. Die Auktion von 30-jährigen japanischen Anleihen am Dienstag hat immerhin mit einer Bid-to-Cover-Ratio von 3,13 mehr Nachfrage gefunden als frühere Auktionen.Grund für den Kursrutsch sollen Befürchtungen sein, dass die Bank of Japan ihr Anleihekaufprogramm aufgeben oder redimensionieren könnte. Da der japanischen Anleihemarkt der zweitgrößte weltweit ist, fragen sich Marktteilnehmer, ob dies auch andere Regionen in Mitleidenschaft ziehen könnte. Sinkende Zinsen in Japan haben japanische Investoren ins Ausland getrieben. Und die Anleiherenditen in Europa und in den USA sind bisher nicht im selben Maß den japanischen Nachbarn gefolgt. Der Renditeanstieg in Europa seit Donnerstag hat den Spread noch kaum verringert (vgl. Chart).Im Kern geht es aber wohl weniger um die Sorge, ob Europa Japan folgt, sondern ob die Notenbanken an ihre Grenzen geraten sind – und was dann geschieht. Die Deutsche Bank prophezeit in einer neuen Studie für Bondinvestoren schwierige Dekaden, durch eine Mischung aus höherer Inflation, stagnierender Produktivität und schwachem Wachstum sowie mehr Protektionismus. Finanzwerte würden sich schlechter entwickeln als Realwerte. Einziger Trost, so meint Analyst Jim Reid, sei die Vernetzung der Märkte – und dass die Notenbanken dann doch alles tun würden, um einen Ausverkauf am Bondmarkt aufzuhalten, da die Folgen zu gravierend wären. Der Ball liegt, das machen die Marktteilnehmer klar, damit wieder im Feld der Währungshüter, da von der Politik schon gar nichts zu erwarten ist.Am Dienstag werden die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland und womöglich auch Statements von EZB-Präsident Mario Draghi die Agenda bestimmen. Am Donnerstag folgen US-Einzelhandels- und Industrieproduktionsdaten, am Freitag die Konsumentenpreise.