Die strategische Rolle von Rechenzentren für die KI-Entwicklung in Europa
Die strategische Rolle von Rechenzentren für die KI-Entwicklung in Europa
Generative KI-Anwendungen lassen die Nachfrage nach Rechenzentren rapide ansteigen. Insbesondere die europäischen Tier-2- und Tier-3-Standorte werden in den nächsten fünf Jahren von diesem Trend profitieren. Diese Entwicklung, zusammen mit der zunehmenden Migration in die Cloud, führt zu einer anhaltenden Nachfrage nach lokalisierten Rechenzentrumskapazitäten weltweit. Insbesondere Rechenzentren in Europa werden zu einer zunehmend attraktiven Investitionsmöglichkeit.
In ihren Gewinnberichten für das erste Quartal 2024 haben die größten Technologieunternehmen - darunter Microsoft, Amazon und Alphabet - KI als primären Wachstumstreiber benannt. Sowohl als eigenständiges Produkt als auch als zusätzliche Nachfragequelle für Cloud-Dienste, die weiterhin zweistellige Wachstumsraten verzeichnen. Die Verwirklichung ihrer KI-Ambitionen erfordert beträchtliche Investitionen. Das Investitionsvolumen wird laut Morgan Stanley im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um rund 44% ansteigen. Rechenzentren sind für diesen KI-Vorstoß von zentraler Bedeutung, denn sie dienen als kritische Infrastruktur, welche die Expansion von KI-Technologien ermöglicht.
Wir haben in den letzten zwölf Monaten bereits einen transformativen Anstieg der Nachfrage nach Rechenzentren erlebt. Das Leasingvolumen überstieg im ersten Quartal 2024 weltweit 1.800 MW (Megawatt) - vor drei Jahren lag das durchschnittliche vierteljährliche Leasingvolumen noch bei 200-300 MW.
Die Bedeutung von KI-gestütztem Training
Es gibt zwei Hauptanforderungen an die KI-gesteuerte Rechenzentrumskapazität: KI-Training und KI-Inferenz, wobei letztere voraussichtlich einen höheren Kapazitätsbedarf als erstere haben wird.
KI-Trainingseinrichtungen werden verwendet, um generative KI-Modelle, die in den letzten fünf Jahren immer komplexer geworden sind, zu trainieren. OpenAI GPT-2 hatte etwa zwei Milliarden Parameter, während OpenAI GPT-4 schätzungsweise 1,7 Billionen Parameter besitzt.
KI-Inferenzeinrichtungen sind darauf ausgelegt, KI-Funktionen für Verbraucher, Unternehmen und Regierungen bereitzustellen. Sie sind sehr latenzempfindlich und befinden sich oft an ähnlichen Standorten wie Cloud-Rechenzentren.
Wir gehen davon aus, dass in den nächsten 18-24 Monaten die KI-Inferenzkapazitäten der Hyperscaler erweitert werden. Im Logistiksektor besteht ein Bedarf an großen Lagerhäusern, um hohe Warenmengen aufzubewahren. Gleichzeitig wird flexible Logistik für die „letzte Meile“ benötigt, um Waren effizient an die Verbraucher zu liefern. In ähnlicher Weise benötigt der KI-Sektor robuste Trainingseinrichtungen, um leistungsstarke Modelle zu entwickeln, und gleichzeitig umfangreiche Inferenzkapazitäten mit geringer Latenz, um diese Modelle effektiv in realen Anwendungen einzusetzen.
Die strategische Verlagerung in europäische Tier-3-Märkte
Dieser neue Wachstumstreiber für generative KI-getriebene Rechenzentrumskapazitäten unterstreicht unsere anhaltende Begeisterung für den Aufbau von Rechenzentren in Europa. Allerdings schränken die Rahmenbedingungen bei der Stromversorgung zunehmend die Möglichkeit ein, die Kapazitäten an den Tier-1-Rechenzentrumsstandorten (Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin) in naher Zukunft zu erweitern. Diese Einschränkungen führen bereits dazu, dass einige Hyperscaler ihre Arbeitslasten strategisch aus den Tier-1-Märkten in die Tier-2- und Tier-3-Märkte (wie Madrid, Mailand und Berlin) verlagern, die weniger Strombeschränkungen unterliegen und oft einen guten Zugang zu erneuerbaren Energien haben.
Wir beobachten auch eine starke Unterstützung von lokalen Regierungen und Gemeinden bei der Ansiedlung von Rechenzentren in Tier-2- und Tier-3-Märkten. Sie erkennen die Bedeutung der kritischen digitalen Infrastruktur und wissen um die langfristigen positiven sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen, die mit lokalen Investitionen in Rechenzentren einhergehen können.
Investmentimplikationen für Europäische Rechenzentren
KI wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich eine wichtige Rolle in der Portfolioallokation spielen. Rechenzentren zahlen auf dieses Thema ein, ohne vom Erfolg einzelner Unternehmen im KI-Wettlauf abhängig zu sein. So können Anleger am KI-Wachstum teilhaben, ohne dabei unternehmensspezifische Risiken einzugehen. Innerhalb des europäischen Rechenzentrumssektors bevorzugen wir Tier-2- und Tier-3-Märkte, die wahrscheinlich am stärksten vom Wachstum des Kapazitätsbedarfs aufgrund von KI und digitaler Souveränität sowie von einem anhaltenden Wachstum der Cloud-basierten Nachfrage profitieren werden. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Standorten mit niedrigeren Latenzzeiten und skalierbaren Campus-Entwicklungen, die zunehmende KI-Workloads aufnehmen können.
Unser Gastautor Kirill Zavodov ist Executive Vice President und Portfoliomanager bei PIMCO.