IM INTERVIEW: LUKE WARD, BAILLIE GIFFORD

"Die Struktur des Weltraummarktes wird sich ändern"

Partizipation am Erfolg von SpaceX und anderen Entwicklern für Anleger bisher schwierig - Investmentmanager erwartet künftig mehr Börsengänge im Sektor

"Die Struktur des Weltraummarktes wird sich ändern"

Baillie Gifford erwartet in den kommenden Jahren mehr Börsengänge privater Raumfahrtunternehmen. Bisher können Anleger laut dem Investmentmanager Luke Ward zwar nur indirekt am Erfolg von Unternehmen wie SpaceX teilhaben. Doch die wachsende privatwirtschaftliche Nachfrage werde den Sektor künftig umwälzen. Herr Ward, wie können Privatanleger am Erfolg von Weltraumunternehmen wie SpaceX partizipieren?Das ist tatsächlich nicht leicht und funktioniert bisher vor allem über geschlossene Investmenttrusts. Das sind Vehikel, in denen der Regulierer auch illiquide Assets erlaubt. Für mich als am Sektor interessierter Investor ist es auch schade, dass der Großteil der Weltraumunternehmen nicht gelistet ist. Das liegt einerseits daran, dass sie noch recht jung sind, und andererseits an dem Zeithorizont, auf den ihre Ambitionen angelegt sind. Das heißt?Für die Firmen wäre es im aktuellen Stadium der Entwicklung schwieriger, ihre langfristigen Visionen mit Nachdruck zu verfolgen, wenn sie einer großen Zahl an Aktionären verantwortlich wären – eine Finanzierung über Privatkapital macht dies schon eher möglich. Immerhin haben diese Projekte einen Horizont von Jahrzehnten, und da wäre es wenig hilfreich, wenn die Kapitalmärkte auf Kennzahlen wie etwa die tägliche Liquiditätssituation schauen würden. Hinter den Unternehmen stehen häufig Milliardäre, wie es auch bei Blue Origin mit Jeff Bezos oder SpaceX mit Elon Musk der Fall ist. Dass sie ihre Pläne größtenteils mit ihrem eigenen Geld finanzieren, erlaubt ihnen auch einen größeren Spielraum, Fehler zu machen. Welche Rolle spielt die staatliche Unterstützung für die Finanzierung des Weltraumsektors?Regierungen sind traditionell die größten Abnehmer von Weltraumtechnologie und Raketen. Sie realisieren natürlich, dass sie die Entwicklung fördern und damit auch für ein Angebot sorgen müssen, das ihre Nachfrage bedienen kann. Hoffentlich zeigt sich die Europäische Weltraumagentur künftig noch stärker zur Unterstützung bereit, die Nasa arbeitet jedenfalls schon seit einigen Jahren verstärkt mit Privatunternehmen zusammen. Eine derartige Förderung von offizieller Seite ist für kaum einen Akteur aus anderen Branchen verfügbar. Sie sprechen die europäischen Weltraumbemühungen an. Wie werden sich die Marktanteile der europäischen Unternehmen im Vergleich zu jenen der US-Vorreiter entwickeln?Im Sektor wird es immer eine gewisse Segmentierung entlang nationaler Grenzen geben. Amerikanische Satelliten beispielsweise werden wohl kaum mit chinesischen Raketen ins All befördert werden. Genauso ist es nur schwer vorstellbar, dass Satelliten für das EU-Navigationssystem Galileo jemals auf anderen als europäischen Trägern in den Weltraum gelangen. Dabei geht es einerseits darum, die europäische Raumfahrtindustrie zu unterstützen, andererseits spielen dabei die Anstrengung, technologische Innovationen möglichst exklusiv zu halten, und Sicherheitsbedenken eine Rolle. Welche Bedeutung hat denn die Nachfrage privatwirtschaftlicher Kunden für die Weltraumanbieter?Die Struktur des Weltraummarktes wird sich künftig ändern, die Unternehmen müssen mehr in Marketing und Vertriebsinfrastruktur investieren. Als Kunden werden die Regierungen für die Anbieter wichtig bleiben, aber die größten Chancen liegen in Dienstleistungen für andere Unternehmen und Konsumenten. Natürlich werden die Erträge pro Kunde dabei sinken, was einige Investoren als schwindendes Wachstumspotenzial fehlinterpretieren könnten. In Wahrheit nimmt aber die Menge potenzieller Kunden und damit auch die Zahl der Investmentchancen zu. Schließlich können Anleger auch in gelistete Unternehmen aus traditionelleren Sektoren investieren, die von den Entwicklungen im Weltraum profitieren. Welche Unternehmen sehen Sie derzeit am besten aufgestellt, um sich eine globale Vormachtstellung zu sichern?Gerade SpaceX ist aufgrund der staatlichen Förderung und des Entwicklungsstands in einer guten Position. Die Modelle des Unternehmens sind wiederverwendbar, was die Kosten enorm nach unten drückt. Die Startkosten für solche Raumkörper sind inzwischen auf 1 000 Dollar pro Kilogramm gesunken, für die nächste Generation könnten sie bei nur noch 50 Dollar pro Kilo liegen. Bei den Modellen des europäischen Vertreters Arianespace sieht das noch etwas anders aus. Für die neue Ariane 6 wird es im Rahmen der staatlichen europäischen Satellitenprogramme sicher Anwendungsmöglichkeiten geben. Allerdings steht zu befürchten, dass sie nicht wiederverwendbar sind und ihr Nutzen im kommerziellen Bereich daher gering sein wird. Wer ist Ihrer Ansicht nach der schärfste Konkurrent von SpaceX unter den amerikanischen Branchenvertretern?Die Vorreiter im Segment verfolgen etwas unterschiedliche Ziele. Virgin Galactic will Touristen in den Weltraum befördern, während SpaceX mit der langfristigen Vision gegründet wurde, eines Tages den Mars kolonialisieren zu können. Zudem arbeiten sowohl Musk und sein Unternehmen als auch Bezos` Blue Origin an Satellitennetzen, die Hochgeschwindigkeitsbreitbandverbindungen weltweit verfügbar machen sollen. Während Blue Origin allerdings noch keine Trägerrakete in den Orbit geschickt hat, ist SpaceX bezüglich seiner Erfahrungen mit Starts schon deutlich weiter. Gleiches gilt im Übrigen auch für bemannte Missionen. Wie groß ist denn das Potenzial des Weltraumtourismus-Markts?Das wird sich vermutlich im Verlauf der nächsten zehn Jahre klarer herausstellen. Bislang sehe ich einige Parallelen zu anderen Bereichen des Tourismusmarkts, zum Beispiel zu Abenteuerreisen auf den Mount Everest. Die Expeditionen sind aufwendig, sehr teuer und sprechen vor allem entdeckungs- und risikofreudige Kunden an. Dennoch generieren Reisen zum Everest jährlich einen Milliardenumsatz. Virgin Galactic will von jedem Kunden für einen Suborbitalflug 200 000 Dollar verlangen. Im Jahr könnte ein Flugkörper also Erlöse von mehreren hundert Millionen Dollar erzielen. Bevor Raketen in der dafür nötigen Frequenz starten können, hat Virgin Galactic aber noch viele Tests vor sich, um die Risiken beziehungsweise die Risikowahrnehmung herunterzuschrauben. Welche Anwendungsbereiche bieten aus Ihrer Sicht derzeit schnellere Wachstumschancen?In einigen Teilen des Markts gibt es bereits existierende Produkte, die durch die Erschließung des Weltraums noch optimiert werden können. Das Internet ist dafür ein gutes Beispiel: Viele ländliche Gegenden verfügen immer noch nicht über ausreichenden Zugang, und selbst in einigen Städten ist der Wettbewerb zwischen Kommunikationsdienstleistern nicht groß genug, um die Preise auf erschwingliche Niveaus zu drücken. Die Nachfrage nach privatem Satelliten-Internet dürfte also bereits hoch sein, während beim Weltraumtourismus in Hoffnung auf die künftige Nachfrage ein Angebot neu geschaffen wird. Wie sieht es mit neuen Möglichkeiten für die Gesundheitsbranche im All aus?Die Internationale Raumstation ISS zeigt, welche Chancen der Weltraum der Forschung künftig bieten könnte. Die Labore dort bieten aufgrund der fehlenden Schwerkraft andere Möglichkeiten als auf der Erde. Dadurch lassen sich zum Beispiel kristalline Strukturen eingehender und effizienter untersuchen. Dies ist unter anderem für die Entwicklung von Medikamenten wichtig. Auf der Erde werden derzeit Milliarden Dollar ausgegeben, um die entsprechenden Bedingungen nachzustellen, während die Kosten für Experimente im Orbit künftig deutlich sinken dürften. Allerdings wird es wohl noch länger dauern als beim Tourismus- oder Kommunikationssektor, bis die Gesundheitsbranche ins All vorstoßen wird. Erwarten Sie denn künftig trotzdem mehr Börsengänge im Weltraumsektor?Daran glaube ich für die kommenden Jahre auf jeden Fall. Der Markt wird wachsen und als weniger kontrovers wahrgenommen werden – diese Entwicklung dürfte das Umfeld für IPOs in der Weltraumbranche erleichtern. Wir haben ja mit Virgin Galactic schon einen börsennotierten Wert aus dem Sektor. Das Interview führte Alex Wehnert.