Digitalisierer
dz – Anfang 2018 ist Jos Dijsselhof als CEO des Schweizer Börsen- und Finanzmarktinfrastrukturbetreibers Six angetreten. Damals sah die Six noch ungefähr so aus: knapp 2 Mrd. sfr Umsatz, über 3 700 Angestellte und fünf Geschäftsbereiche. Abschließen wird Six das Jahr mit deutlich über 0,5 Mrd. sfr Umsatz und rund 1 300 Angestellten weniger. Organisationsstruktur und Management wurden stark umgebaut. Bessere Startbedingungen hätte sich der 52-jährige Niederländer kaum wünschen können. Denn nichts ist schwieriger für einen neuen, auswärtigen Chef, sich in einer stabilen und fest verankerten Organisation gegen Platzhirsche zu behaupten. Ein derartiger Don-Quijote-Job hätte die Führung der Six auch für Dijsselhof werden können, wenn der Verwaltungsrat nicht schon zuvor klargemacht hätte, dass es mit der Six anders weitergehen sollte als bisher. Zehn Jahre nach ihrer Gründung beschloss das Gremium im Herbst 2017, die zunehmend immobil gewordene Firma wieder in Bewegung zu bringen. Das Zahlkartengeschäft wurde im Mai an Worldline verkauft. Dijsselhofs Vorgänger, Urs Rüegsegger, hatte das Geschäft erfolgreich ausgebaut mit dem Ziel, die Ertragsströme zu diversifizieren und dessen wirtschaftliche Eigenständigkeit langfristig abzusichern.Doch genau diese Strategie führte zum Stillstand bzw. zu einer stetigen Entfremdung zwischen Eigentümerbanken und Six-Leitung. Unter dem neuen Chef kommen sich die Eigentümer und Management wieder näher. Es sei auch sein Auftrag, solche Brücken zu schlagen, sagte Dijsselhof. Die Six müsse wieder stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Nutzer eingehen. Im Unterschied zu früheren Desinvestitionen dient der Wordline-Verkauf nicht primär dazu, den Six-Aktionäre eine nette Sonderdividende auszuschütten. Vom Erlös in Höhe von 2,8 Mrd. sfr fließen nur rund 350 Mill. sfr in Bar, der Rest wird gegen eine Minderheitsbeteiligung von 27 % in Aktien getauscht. Und auch die Barmittel sind mindestens teilweise für Neuinvestitionen vorgesehen.Die Six hat sich in puncto Digitalisierung einiges vorgenommen. Sie will als eine der ersten Börsen Aktien vollständig digitalisieren, damit sie mit Hilfe der Blockchain-Technik gehandelt, abgewickelt und verwahrt werden können. Dijsselhof, der gelernte Informatiker, ist Feuer und Flamme für solche Projekte. Er hat dafür die neue Geschäftseinheit “Innovation & Digital” geschaffen. Aus einer Vielzahl von Investitionen in neue Technologien und Geschäftsmodelle würden sich hoffentlich einige Erfolge herausdestillieren lassen, sagte Dijsselhof wenige Monate nach seinem Antritt. Er teilt die Hoffnung mit den Banken, die darin für sich selber die Chance sehen, mit effizienteren Systemen das Kostenproblem zu verringern.In der Krise rückt man zusammen. Der Börsenstreit zwischen Bern und Brüssel könnte bei der Six genau diesen Effekt ausgelöst haben. Die Banken, die Six und die Schweizer Regierung scheinen beim Aufbau eines Abwehrdispositives jedenfalls einmütig zusammengearbeitet zu haben. Schneller hätte der frühere ABN-Amro-Manager nach seinem abrupten Abgang als COO der Euronext im Sommer 2017 kaum in der Schweiz ankommen können. Er scheint auch für Six die richtige Wahl gewesen zu sein.