GELD ODER BRIEF

Discounter Dia trotzt Krise in Spanien

Von Angelika Engler, Madrid Börsen-Zeitung, 1.3.2013 Es gibt tatsächlich spanische Unternehmen, die in der schweren Wirtschaftskrise wachsen. Die Supermarktkette Dia, seit Juli 2011 börsennotiert und in sechs Auslandsmärkten präsent, vollbringt...

Discounter Dia trotzt Krise in Spanien

Von Angelika Engler, MadridEs gibt tatsächlich spanische Unternehmen, die in der schweren Wirtschaftskrise wachsen. Die Supermarktkette Dia, seit Juli 2011 börsennotiert und in sechs Auslandsmärkten präsent, vollbringt dieses kleine Wunder. Und die einstige Tochter des französischen Einzelhandelskonzerns Carrefour schafft noch mehr: Die Aktie, die seit einem Jahr im Leitindex Ibex 35 gelistet ist, kletterte seit dem Börsengang zur Freue der Anteilseigner vom Ausgabepreis von 3,50 Euro auf annähernd 6 Euro. Allein seit Jahresbeginn kletterte sie um rund 20 % und weist damit die zweitbeste Performance unter den spanischen Blue Chips auf.In Deutschland wurde der Name bekannt, als das Unternehmen die knapp 1 200 Schlecker-Filialen auf der Iberischen Halbinsel übernahm. Analysten schätzen die Supermarktkette, die 1979 als erster spanischer Discounter an den Start ging, schon länger: Nach dem Reisedienstleister Amadeus ist Dia der zweite Wert, der in der jüngeren Vergangenheit nach dem Listing eine “steile Karriere” hinlegt. Die Dividende steigtFür das abgelaufene Geschäftsjahr 2012 meldete Dia kürzlich einen Sprung des Bruttoumsatzes um 6 % auf 11,7 Mrd. Euro. Die Hälfte davon stammte aus Spanien und Portugal, die übrigen 50 % aus den Auslandsmärkten China, Türkei, Argentinien, Brasilien und Frankreich. Der anrechenbaren Nettogewinn stieg um stolze 60 % auf 158 Mill. Euro. Die Dividende für 2012 will Dia um 18 % auf brutto 0,13 Euro steigern. Das steht im Einklang mit dem ordentlichen Nettogewinn, der um 19 % auf 190 Mill. Euro stieg. Zudem soll die Jahreshauptversammlung grünes Licht geben für einen Aktienrückkauf von gut 4 % des Kapitals – ein weiteres positives Signal für die Besitzer der Anteile, die zu 85 % in Streubesitz sind. Größter Einzelaktionär mit einem Paket von 9,4 % ist das französisch-amerikanische Joint Venture Blue Capital, das auch an Carrefour beteiligt ist.Nach Daten von Bloomberg empfehlen 17 Analysten und damit die Mehrheit die Aktie zum Kauf. Einige Experten stufen den eigentlich zyklischen Aktienwert dank seiner bisher gezeigten Krisenresistenz mittlerweile sogar als antizyklisch ein. Nur vier Analysten raten zum Verkauf, weitere neun zum Halten. Das durchschnittliche Kursziel errechnet sich mit 5,74 Euro. Verschuldung im GriffSchon fragt man sich nach dem Geheimrezept von Dia, die nach Marktanteilen Spaniens drittgrößte Supermarktkette hinter Mercadona und der einstigen Mutter Carrefour ist. Vermutlich ist es der Mix aus knallhart kalkulierten Preisen, Kundennähe und Expansion in Wachstumsmärkten – so wie es Ana María Llopis gerne beschreibt, die Dia-Präsidentin ohne Exekutivgewalt. Hinzu kommt ein auf Nähe basierendes Logistikmodell, das Kosten sparen hilft. Dia setzt zudem auf Läden auf Franchise-Basis, die bereits knapp 42 % der gesamten Kette mit fast 7 000 Läden stellen. Auch die Unternehmensschulden halten sich in Zeiten teurer Refinanzierungskosten mit 630 Mill. Euro oder dem Einfachen des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) per Ende 2012 in Grenzen. Dia wuchs unter der Regie von Chief Executive Officer (CEO) Ricardo Currás im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht nur dank der starken Auslandsmärkte und der Eröffnung 244 neuer Läden. Auch auf gleicher Ladenfläche stieg der Umsatz um 3 %. Fast scheint es, als begünstigte die Krise das Geschäftsmodell von Dia noch. Beobachter sehen jedenfalls, dass immer mehr Spanier ihr Auto wegen der Benzinkosten stehen lassen müssen und nun nebenan einkaufen, und genau dort greift offenbar das Dia-Konzept: mit unterschiedlichen Formaten die unterschiedlichen Kundenwünsche zu bedienen. Neues FormatZu Dia und Dia Maxi, einem Format mit größerer Produktvielfalt, gesellte sich im zurückliegenden Sommer die Marke Dia fresh, eine auf verderbliche Lebensmittel spezialisierte Kette. “Wir sehen, dass unsere Kunden mit wachsenden Schwierigkeiten kämpfen, um mit dem Geld bis zum Monatsende auszukommen”, sagte Vorstandschef Currás jüngst auf einer Analystenkonferenz. “Und wir unternehmen alles, um ihnen dabei zu helfen, indem wir die besten Preise im Markt anbieten.”Das beste Preis-Leistungsverhältnis im spanischen Markt beansprucht allerdings auch Juan Roig, der CEO von Spaniens größter Handelskette Mercadona, für sein Haus. Im März wird er die Jahreszahlen 2012 seiner (noch) nicht börsengelisteten Supermarktkette vorlegen. Möglicherweise könnte sich Mercadona schon in diesem Jahr in einen noch direkteren Konkurrenten von Dia verwandeln. Roig lässt einen Börsengang prüfen, und Analysten schätzen den spanischen Platzhirschen Mercadona bereits auf einen Wert von 16 Mrd. Euro. Konkurrenz an der BörseBis es aber so weit ist, misst sich Dia an der Börse und im realen Markt nicht zuletzt mit seiner einstigen Mutter Carrefour. Früher hatte man sich keine Konkurrenz gemacht. Bei der guten Performance von Dia könnte es Carrefour möglicherweise sehr leid um die abgestoßene Tochtergesellschaft tun. Bei Dia sieht man die derzeitige Situation indes als große Chance. “Dia stand früher vielleicht zu sehr im Schatten von Carrefour. Und erst seit der Trennung sieht man das große Potenzial”, heißt es in der Geschäftszentrale Las Rozas nahe Madrid. Weitere ExpansionIm laufenden Jahr will Dia 350 Mill. Euro investieren und die Expansion in Lateinamerika, insbesondere im wachstumsstarken Brasilien, beschleunigen. In Spanien und Portugal sollen die Ex-Schlecker-Filialen mit einem neuen Modell des kundennahen Spezialisten für Schönheit, Haushalt und Gesundheit Jagd auf neue Klientel machen. Auch das Frischprodukte-Format Dia fresh wird ausgebaut. Risiken sieht etwa Morgan Stanley in dem lahmenden Markt Frankreich und der großen Konkurrenz in der Türkei. Auch Mercadona könnte Dia weiter zusetzen. Doch auch Morgan Stanley setzt auf die Kraft des Geschäftsmodells und sieht den fairen Preis der Aktie bei 6,70 Euro. Beim derzeitigen Gang der Dinge könnte Dia dieses Kursziel durchaus knacken.