TECHNISCHE ANALYSE

Dollar droht Schwäche im nächsten Jahr

Von Karen Jones *) Börsen-Zeitung, 7.10.2020 Während Europa von einer zweiten Welle des Virus ergriffen wird, hat sich der US-Dollar zuletzt als bevorzugter "sicherer Währungshafen" für die internationalen Devisenmärkte erwiesen. Doch am Horizont...

Dollar droht Schwäche im nächsten Jahr

Von Karen Jones *)Während Europa von einer zweiten Welle des Virus ergriffen wird, hat sich der US-Dollar zuletzt als bevorzugter “sicherer Währungshafen” für die internationalen Devisenmärkte erwiesen. Doch am Horizont zeichnen sich politische Risiken ab, denn die amerikanische Präsidentschaftswahl steht Anfang November 2020 an und der Ausgang ist auch gerade durch den Newsflow der letzten Tage mit weiteren Unsicherheiten belegt. Dies dürfte das mittelfristige, technische Aufwertungspotenzial des US-Dollars begrenzen. Können unsere Charts Einblicke und Orientierung geben? Um 11 Prozent gefallenBetrachtet man einen Chart, stellt sich zuerst die Frage, um welchen Trend (Aufwärts-, Seitwärts- oder Abwärtstrend) es sich handelt. Der US-Dollar-Index (dieser Index verdeutlicht die Kursentwicklung der Weltleitwährung gegenüber mehreren wichtigen Währungen wie dem Euro, dem Yen, dem britischen Pfund, dem kanadischen Dollar, der schwedischen Krone und dem Schweizer Franken) befindet sich seit März 2020 in einem ausgeprägten Abwärtstrend. Dieser startete im März 2020 bei 102,99 und führte den Greenback bis zum August 2020 auf ein Low bei 91,75 (dies bedeutete einen Rückgang um fast 11 % in nur sechs Monaten). Seitdem deutet sich eine technische Stabilisierung an, die den technischen Charakter eines Trading-Bodens aufweist. Signale für Mean ReversionVon den politischen Unsicherheiten abgesehen, steht fundamental betrachtet die Diskussion beziehungsweise die Furcht vor der Corona-Pandemie und einer “zweiten Welle” weiterhin im Mittelpunkt. Hierbei bleibt mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung abzuwarten, ob Europa oder die Vereinigten Staaten besser aus dieser Krise kommen werden. In Phasen der Unsicherheit zeigt die historische technische Erfahrung, dass viele Märkte und Anlageklassen dazu neigen, zu ihren langfristigen gleitenden Durchschnitten zurückzukehren. Diese technische (Kurs-)Entwicklung wird als “Mean Reversion” bezeichnet. Für den Greenback deuten einige wichtige technische Aspekte darauf hin, dass es wieder zu einer “Mean Reversion” kommt.Dabei ist zu berücksichtigen, dass der US-Dollar-Index nun gerade am Verlassen seines sechsmonatigen Abwärtstrends arbeitet. Dies impliziert, dass der zuletzt zu beobachtende kurzfristige, sprunghafte Anstieg noch weitergehen wird. Die 200-Wochen-Linie des Marktes befindet sich bei 96,17, seine 55- Wochen-Linie bei 97,27. Diese Niveaus sind technische Zielspannen für die “Mean Reversion”. Deshalb sollte zunächst eine kurzfristige Dollar-Rally nicht überraschen, bevor der längerfristige Abwärtstrend beim Greenback wieder aufgenommen wird.Beim Euro-Dollar-Wechselkurs sollte es als Konsequenz – bevor es zur Fortsetzung der längerfristigen Aufwärtsbewegung kommt – zunächst eine kurzfristige Schwäche geben. Im Tageschart ist eine Trading-Top-Formation im Bereich um 1,1800 erkennbar, aus der sich ein kurzfristiges technisches Abwärtspotenzial bis 1,1495 Dollar andeutet. In diesem Bereich befindet sich auch das Kurshoch vom März 2020, was als Unterstützungszone arbeiten sollte. Die technische Gesamtlage signalisiert, dass sich die Weltleitwährung zwischen diesem Niveau und seinem jetzt leicht steigendem, gleitenden 200-Wochen-Durchschnitt bei 1,1382 Dollar stabilisiert. Danach sollte – startend im letzten Quartal des Jahres – die längerfristige Euro-Aufwärtsbewegung wieder aufgenommen werden. 200-Monats-Linie im BlickMit einer Kursstabilisierung um den gleitenden 200-Wochen-Durchschnitt ergeben sich auch gute technische Hinweise für die Kursentwicklung im Jahr 2021. Erstens sollte sich die längerfristige Aufwärtsbewegung des Euro zu Beginn des ersten Quartals 2021 fortsetzen. Zweitens ist es Euro/Dollar im laufenden Jahr gelungen, den langfristigen Abwärtstrend, der im September 2008 bei Kursen um 1,6038 startete und über zwölf Jahre vorlag, zur Disposition zu stellen. Drittens deutet sich für 2021 bei der technischen Klettertour des Euro als erstes mittelfristiges Kursziel ein Test der Widerstandszone um 1,2014 Dollar (Kurshoch vom September 2020) an. Viertens sollte einkalkuliert werden, dass diese Zone im Laufe des Jahres 2021 zur Disposition steht und die technische Klettertour den Euro in Richtung der 200-Monats-Linie (zurzeit bei 1,2629 Dollar) führt.Die technische Gesamtlage liefert zwar keine guten Aussagen über den Ausgang der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten, doch sie signalisiert einen zentralen Aspekt: Der Wahlsieger und der Rest der Welt dürften mit einer Schwäche der Weltleitwährung – dem US-Dollar – konfrontiert werden. *) Karen Jones ist bei der Commerzbank im Bereich FICC Technische Analyse Research tätig.