IM BLICKFELD

Dollar in der Konsensfalle

Von Stefan Schaaf, Frankfurt Börsen-Zeitung, 20.8.2014 Einigkeit erzeugt Misstrauen. Dies gilt zumindest dann, wenn alle Marktteilnehmer in die gleiche Richtung laufen. Der Herdentrieb ist oft Ausdruck von Sorglosigkeit gegenüber Risiken oder...

Dollar in der Konsensfalle

Von Stefan Schaaf, FrankfurtEinigkeit erzeugt Misstrauen. Dies gilt zumindest dann, wenn alle Marktteilnehmer in die gleiche Richtung laufen. Der Herdentrieb ist oft Ausdruck von Sorglosigkeit gegenüber Risiken oder zumindest der Wahrscheinlichkeit, dass es anders kommt, als der Konsens erwartet.Ist also Vorsicht geboten, wenn im Hinblick auf die Wertentwicklung des Dollar zu anderen wichtigen Währungen weitgehende Einigkeit über eine weitere Aufwertung besteht? Für diese Erwartungen gibt es eine Reihe guter Gründe. Nahezu alles spricht derzeit für einen stärkeren Greenback, insbesondere im Vergleich zur global zweitwichtigsten Währung, dem Euro: Konjunkturdaten wie Zinsdifferenzen, spekulative Positionierungen sowie die Erwartungen an die Notenbanken. Schließlich steht die Rolle des Dollar als Weltleitwährung, wichtigste Refinanzierungswährung und als ultimativer sicherer Hafen an den Kapitalmärkten weiterhin außer Frage. Der Renminbi wird auf Jahre diese Rolle noch nicht ausfüllen können, und Fantasien über einen eurasischen Währungsraum als Dollar-Alternative finden den Beifall der bekannten Amerika-Verachter, haben aber keine ökonomische Basis.Die Erwartung eines stärkeren Dollar hat sich bereits in deutlichen Kursbewegungen am Devisenmarkt geäußert. Gegenüber einem Korb von sechs wichtigen Industrieländer-währungen hat der Greenback seit Anfang Mai 3 % aufgewertet. Zum Euro beträgt der Wertzuwachs knapp 4 %. Dahinter steht die mit gutem Grund vertretene Erwartung einer weiter divergierenden Geldpolitik zwischen den beiden global größten Währungsräumen USA und Eurozone. Die Zeichen stehen auf einen wachsenden US-Zinsvorsprung. Dies äußerte sich in einer wachsenden Renditedifferenz zwischen zweijährigen Staatsanleihen der USA und Deutschlands, die als guter Indikator für Zinserwartungen gelten.Die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich noch für sehr lange Zeit die Zinsen sehr niedrig halten und mit den bevorstehenden langfristigen, zweckgebundenen Tendern (TLTRO) ihre Bilanz erneut vergrößern. Neues Zentralbankgeld lässt daher eine Abschwächung der Gemeinschaftswährung erwarten. Dies ist ein aus Sicht der EZB wünschenswertes Ziel. Sie versucht ganz im Sinne ihres Mandates Geldwertstabilität über einen schwächeren Euro etwas Inflationsdruck aufzubauen und damit deflationäre Tendenzen abzuwehren. Störung im BetriebsablaufAktuell schwächen zudem wieder aufkommende Spekulationen über eine quantitative Lockerung seitens der EZB den Euro. Diese waren aufgekommen, nachdem die Wirtschaft der Eurozone in zweiten Quartal erneut kaum vom Fleck kam, Italien sogar in die Rezession zurückrutschte und die bisherige Wachstumslokomotive Deutschland eine Störung im konjunkturellen Betriebsablauf hat. Zudem wird die Inflationsrate in der Eurozone wohl noch auf geraume Zeit niedrig bleiben. Von der EZB befragte professionelle Beobachter rechnen sogar für 2019 erst wieder mit stabilen Preisen, also einer Inflationsrate von knapp unter 2 %.Wie anders das Bild in den USA: Wachstum und Inflationsrate liegen deutlich höher als in der Eurozone und eröffnen damit den Spielraum für die Federal Reserve zu einer Straffung der Geldpolitik. Es gilt zwar als ausgemacht, dass die US-Notenbank erst dann die Zinsen erhöht, wenn sich auch der US-Häusermarkt, Ausgangspunkt der globalen Finanzkrise, stabilisiert hat, aber dafür gibt es immer mehr Anzeichen. Zinsstrategen stellen sich derzeit kaum die Frage nach dem Ob, sondern nur noch nach dem Wann. Die Mehrheit rechnet mit einer Leitzinserhöhung zur Jahresmitte 2015. Für diesen Zeitpunkt sieht der Reuters-Konsens den Euro bei 1,28 Dollar. Tücke liegt im DurchschnittDoch wie alle Durchschnittswerte hat auch diese Prognose ihre Tücken. Sie bildet, wenn auch nur in Form von Einzelmeinungen eine Spannbreite von grob gesagt 1,10 bis 1,40 Dollar ab. Die Unsicherheit ist größer, als es durch die Orientierung am Konsens scheint. Damit ist das Risiko für unerwartet kräftige Reaktionen groß. Sicherlich, an der mittelfristigen und fundamental begründeten Aufwertung des Dollar gegenüber dem Euro und auch anderen Währungen wird dies nichts ändern.Kurzfristig kann der Dollar jedoch zurückfallen. Grund dafür ist die starke Positionierung spekulativ orientierter Anleger gegen den Euro am Derivatemarkt. Fallen US-Daten schwächer als erwartet aus oder äußert sich ein führender US-Notenbanker im Hinblick auf Zinsfantasien zurückhaltend – die informelle Notenbanker-Konferenz in Jackson Hole bietet viele Anlässe dazu -, so könnten die Anleger auf dem berühmten falschen Fuß erwischt werden. Die Folge wäre ein Short Squeeze, also hohe Deckungskäufe beim Euro, verbunden mit einer zunächst kräftigen Kurserholung. Dies wird den Trend nicht umkehren, aber Deviseninvestoren drohen dennoch Verluste, wenn sie wie der Dollar in der Konsensfalle gefangen sind.