IM GESPRÄCH: KLAUS KESSNER, VOLKSWOHL BUND, UND STEFAN SCHAUER, LUPUS ALPHA

"Dreiklang von Risiko, Rendite und Kapitalhinterlegung"

Der Fachleiter Kapitalanlagen des Versicherers über kapitaleffizenten Einsatz von Wandelanleihen im Anlageportfolio - Assetmanager braucht IT-Kompetenz

"Dreiklang von Risiko, Rendite und Kapitalhinterlegung"

Wie lässt sich ein anleihenlastiges Anlageportfolio eines Versicherers besser und renditeträchtiger diversifizieren? Diese Frage stellte sich Klaus Keßner, Fachleiter Kapitalanlagen Volkswohl Bund, womöglich etwas früher als andere Marktteilnehmer in Deutschland. Als Folge investiert das Versicherungsunternehmen verstärkt in Wandelanleihen und will diese Assetklasse im Portfolio weiter hochfahren.Von Dietegen Müller, Frankfurt”Das anhaltende Niedrigzinsumfeld hat es erforderlich gemacht, unsere Vermögensallokation schrittweise auf renditestärkere Anlagen umzustellen”, sagt Klaus Keßner, Fachleiter Kapitalanlagen Volkswohl Bund, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Denn der auf Gegenseitigkeit beruhende Versicherer, der ein Anlageportfolio von 14 Mrd. Euro managt, muss mit seinem Eigenkapital haushälterisch arbeiten, da er sich nicht über den Kapitalmarkt refinanzieren kann. So hat der Volkswohl Bund das Portfolio von anfangs 90 % Anleihen und 10 % anderen Anlagen schrittweise auf 70 % Anleihen und 30 % in anderen Anlageklassen umgestellt, sagt Keßner. Dabei spielt die Effizienz der Anlagen unter regulatorischen Gesichtspunkten eine bedeutende Rolle. Wandelanleihen haben hier für Keßner einen besonderen Charme entwickelt, wie er sagt. “Wandelanleihen passen sehr gut in unsere strategische Zielallokation, insbesondere im Hinblick auf die Unterlegung mit Eigenmitteln. Wir müssen Rendite und aufsichtsrechtliche Anforderungen simultan betrachten. Das hat uns zu Wandelanleihen gebracht.” Notwendig für den Einbezug von Wandlern sei aber ein Assetmanager, der in der Lage ist, die Daten einer Wandelanleihe auch unter Risikogesichtspunkten so aufzubereiten, dass sie für den institutionellen Investor nutzbar sind und dieser seine regulatorischen Berichtspflichten erfüllen kann. “Wir hatten anfangs sechs Wandelanleihefonds im Portfolio, aber die Fondsanbieter waren nicht alle in der Lage, die von Solvency II verlangte Transparenz in das Portfolio zu bringen”, sagt Keßner. Da sei so manch einer in der Branche “wachgeküsst” worden. Stress-Szenario mit TückenDenn werden Wandelanleihen nicht sauber in ihre Anleihe- und Aktienoptionskomponente unter dem Gesichtspunkt der Solvabilitätskapitalanforderungen (SCR) zerlegt, führe dies zu einer sehr hohen Kapitalbelastung. “Mangels ausreichender Solvency-Daten mussten die Wandelanleihen im Solvency-II-Stresstest als Aktientyp 2 eingestuft werden.” Damit sind im Stressszenario Abschläge von 49 % plus strategische Anpassungsfaktoren zu berücksichtigen, was zu einer sehr hohen Kapitalunterlegung führen würde. “Aktientyp 2 ist die teuerste aller Anlageklassen, also suboptimal.” Keßner fand einen Ausweg in einem Spezialfondsmandat, das im Mai 2017 dann mit Lupus alpha ausgearbeitet worden ist. “Ein sehr wichtiges Kriterium war, dass wir die tatsächliche Solvabilitätsanforderung – also die Eigenkapitalunterlegung – datenmäßig geliefert bekommen”, sagt Keßner. Dadurch muss auf eine Wandelanleihe ein um rund die Hälfte verringerter Abschlag gegenüber der vorherigen Einstufung als Aktientyp 2 berücksichtigt werden (vgl. Grafik unten). Eine Hürde liege auch darin, dass die SCR-Daten aus verschiedenen Untergruppen bestehen, die im Reporting ebenfalls abgebildet werden müssen. “Wir sind mehr als ein Assetmanager”, betont Stefan Schauer, Wandelanleihen-Portfoliomanager bei Lupus alpha, im Gespräch. “Die gestressten Bestandteile eines Portfolios müssen genau dargestellt werden, und als Assetmanager gilt es, diese Extrameile zu gehen.” Schauer sagt, Lupus alpha habe ein eigenes Reportingteam: “Wir können also die Templates der europäischen Investmentverbände für Solvency-II-Stresstest befüllen.” Die Wandelanleihen im Portfolio müssen dazu in ihre Bestandteile zerlegt werden. Durch unterschiedliche Risiko- und Aktienoptionspreismodelle sowie finanzmathematische Modelle gebe es dabei “viel Komplexität im Datenfluss”, sagt Schauer. “Wer hier einen Service bieten kann, hat gute Karten”, fügt Keßner vom Volkswohl Bund hinzu. “Es muss eine Daten- und Prozesskette vom Fonds über die Kapitalverwaltungsgesellschaft bis hin zum Versicherer durchgehend aufgebaut werden, damit die Daten auch vom Wirtschaftsprüfer entsprechend abgenommen werden und die regulatorischen Anforderungen auch effizient erfüllt sind.” Mapping muss stimmenEs sei wichtig, dass die Schnittstellen sauber gemanagt werden und das Mapping stimmt. “Das Reporting ist sehr wichtig”, betont Keßner. “Es geht bei der Auswahl eines Fonds oder eines Managers nicht nur um den Track Record in der Fondsperformance, sondern auch um die administrative Seite.” Die Mehrwerte würden nicht immer nur im Renditebereich liegen, sondern es spiele auch eine Rolle, “was am Ende in den Büchern ankommt und ob es dort dann die Effekte gebe, die gebraucht werden”. Dazu gebe es dann auch eine Testphase, um zu sehen, welche Daten wie ankommen. Die IT-Umsetzung sei ein wesentlicher Punkt in der Neuprodukte-Zulassung des Volkswohl Bunds, meint Keßner. Hilfreich sei in diesem Fall gewesen, dass es bereits vorher eine Geschäftsbeziehung zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und Lupus alpha gegeben habe.Aus Sicht des institutionellen Assetmanagers hätten Wandelanleihen für die Versicherungsbranche den Reiz, dass sie durch ihre Optionskomponente eine Möglichkeit bieten, an steigenden Aktienkursen teilzunehmen. Die Anleihekomponente biete dagegen einen Boden (Floor) bei Kursrückschlägen. Zwar werde etwas Partizipationsmöglichkeit gegenüber Aktien aufgegeben, aber nicht so viel, wie sich dadurch an Eigenmitteln einsparen lässt: “Darin liegt der eigentliche Charme von Wandlern”, stellt Keßner fest. Als Hybridanlage seien Wandler generell ein guter Einstieg, ein Portfolio weg von Anleihen hin in Richtung Aktien zu diversifizieren. “Hier spielt der Dreiklang Risiko, Rendite und Kapitalhinterlegung eine Rolle” so Schauer. In Bezug auf die Risikoklasse sei man als hybride Anlageklasse zwischen Aktien und Anleihen unterwegs. “Der relative Vorteil gegenüber Aktien liegt aber darin, dass unter Solvency II ein großer Teil als Anleihe gestresst wird und in Summe dann nur rund halb so viel Kapital unterlegt werden muss. Der Return on SCR wird also optimiert.” Laut Keßner beträgt die Zielrendite für Wandelanleihen zwischen 4 und 4,5 % nach Kosten, was über einem klassischen Anleiheportfolio (2,5 %) und unter Aktien (6 %) liege. “Wir können uns perspektivisch vorstellen, weiter den Wandelanleihebestand aufzubauen und womöglich sogar von Aktien in Wandelanleihen umzuschichten.” Inzwischen 100 Mill. EuroDas im Mai 2017 gestartete Spezialfondsmandat wurde im Volumen inzwischen auf etwa 100 Mill. Euro aufgestockt. Was die Gebühren anbelangt, seien sie mit denen eines öffentlich gemanagten Fonds vergleichbar, sagt Schauer, ohne in Details zu gehen. Die Flexibilität in einem Spezialfondsmandat sei jedoch viel größer als in Publikumsfonds. “Eine Spezialfondslösung ermöglicht auch eine eigene Risikoeinschätzung.” Daneben könne der Versicherer bestimmte Filter wie ESG – ökologische, soziale und gute Unternehmensführung – anwenden. Derzeit sind rund 90 Emittenten in dem Spezialfonds vertreten.Der Volkswohl Bund hat sich im Bereich Wandler laut Keßner bewusst für einen aktiven Ansatz entschieden. Wandler seien eine sehr heterogene Anlageklasse mit vielen spezifischen Eigenschaften. Durch aktives Management ließen sich Verluste wie im Debakel um den großen Wandelanleihe-Emittenten Steinhoff vermeiden. “Das mussten wir nicht mitmachen, das ist ein Teil der Outperformance”, sagt Keßner. Zudem sei der Blick in die Prospekte wichtig, fügt Schauer hinzu: “Wir schließen zum Beispiel eine verpflichtende Wandlung in Aktien aus, sonst würden die Kapitalregeln, die auf Einzelaktien angewendet werden müssen, dann in der Kapitalunterlegung wieder durchscheinen, und das soll nicht sein.” Auch sind Anlagen in Contingent Convertibles – Coco-Anleihen – ausgeschlossen. “Wenn eine Wandelanleihe kein konvexes Auszahlungsprofil bietet, lassen sich die Vorteile auch nicht im Solvency-II-Stresstest ausspielen”, sagt Fondsmanager Schauer. Relativ liquider MarktWeltweit beläuft sich das klassische Wandlersegment auf rund 450 Mrd. Dollar. Darin eingerechnet sind keine Coco-Anleihen und keine synthetischen Wandelanleihen. “Es ist eine Nische, aber wir sehen hier kein Problem. Der Markt ist relativ zu den Unternehmensanleihen liquider”, sagt Schauer. Wandler seien kein Teil von Notenbank-Kaufprogrammen, und die Broker, mit denen Lupus alpha handle, würden lieber Wandelanleihen in ihre Bücher nehmen als reine Anleihen, da sie über die Aktienkomponente einfacher abzusichern sind, etwa über Einzelaktien- oder Index-Futures oder über den Leerverkauf von Aktien. Außerdem seien die Aktivitäten im Primärmarkt vergleichsweise hoch, derzeit besonders in den USA. “In einem Umfeld steigender Zinsen wird die Emission von Wandlern für Unternehmen interessanter, da sie eine niedrigere Zinsbelastung haben”, erklärt der Spezialist.