SERIE: NACH DEM PARISER KLIMAGIPFEL (7)

Druck auf Versorger und Stahlkocher

Den großen CO2-Emittenten in Europa drohen politische Zusatzkosten und ein Ausstieg von Investoren

Druck auf Versorger und Stahlkocher

Auch wenn das Klimaabkommen Vieles im Ungefähren gelassen hat, so hat der breite internationale politische Konsens von Paris noch einmal mehr als deutlich gemacht, dass der Druck auf Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß weiter zunehmen wird – vor allem in Europa. Verlierer dieses Klimakurses sind konventionelle Stromerzeuger, aber auch Industriesektoren wie die Stahlbranche.Von Andreas Heitker, DüsseldorfNach Erkenntnissen der Internationalen Energieagentur beruhen rund 40 % der globalen CO2-Emissionen auf der Strom- und Wärmeproduktion. Von daher ist es wenig verwunderlich, wenn angesichts der ambitionierten Klimaziele in der Europäischen Union (40 % weniger Emissionen bis 2030 gegenüber 1990) und in Deutschland (55 % weniger) die konventionelle Stromerzeugung mehr und mehr in den Fokus der Reduzierungsanstrengungen rückt. Vor allem die Kohleverstromung entwickelt sich für die Energieversorger immer stärker zu einem politischen und damit auch zu einem wirtschaftlichen Risiko.Die Diskussion um eine von der Bundesregierung zwischenzeitlich geplante “Klimaabgabe” für Braunkohlekraftwerke hat im vergangenen Jahr einen Vorgeschmack gegeben, was auf die Branche noch zukommen wird. Es geht um langfristige, aber wesentliche Weichenstellungen, die auch im Nachgang zum Pariser Klimaabkommen auf die Agenda rücken. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat schon öffentlich einen Kohleausstieg bis 2050 ins Spiel gebracht. Der Thinktank Agora Energiewende hat einen Ausstieg bereits bis 2040 vorgeschlagen. Bei Analysten gelten solche Szenarien als durchaus realistisch. Für Marcus Ferdinand, Leiter der EU-CO2-Analyse bei Thomson Reuters, ist der Agora-Vorschlag “der nächste logische Schritt in der Energiewende-Debatte”. Zudem folge er auch dem Dekarbonisierungstrend in anderen europäischen Ländern.Rodger Rinke, Kreditanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), kam in seiner Analyse des Pariser Abkommens ebenfalls zum Schluss, dass ein Ausstieg aus der Kohleverstromung nur “eine Frage der Zeit” sei. “Zusammen mit einem Wachstum der Erneuerbaren hat das anhaltenden Druck auf die Volumen und Margen der thermalen Stromerzeugung zur Folge.” Rinke rechnet damit, dass mehr als die Hälfte der Kohlekraftwerke in Deutschland bis 2030 abgeschaltet werden. 2015 kam immerhin noch 42 % der deutschen Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohlemeilern.Der CO2-Ausstoß pro erzeugte Megawattstunde wird damit mehr und mehr auch zum Risiko-Gradmesser für die Unternehmen. Auf europäischer Ebene leuchten hier vor allem bei RWE die Warnlampen (siehe Grafik). Der hohe Anteil der Braunkohleverstromung macht sich hier bemerkbar. Braunkohle ist die mit Abstand CO2-intensivste Form der Stromproduktion. Studien zeigten einen Ausstoß von 0,41 Tonnen je Megawattstunde – ein Drittel mehr als bei Steinkohle und sogar doppelt so viel wie in Gaskraftwerken. Experten erwarten daher bei einem Kohleausstieg auch einen deutlichen Anstieg der Gaskapazitäten. Die drei D und die drei AIn der Energiewirtschaft werden aktuell drei Megatrends ausgemacht – die drei D: Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung. Auf diese Trends reagieren mittlerweile viele Versorger mit dem Umbau ihrer Strukturen. Als zukunftsfähig gelten heute noch die dezentrale Energieversorgung, vor allem die CO2-freie Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, und das dazu gehörige Verteilnetzgeschäft sowie die Vertriebssparten, die ihre Wachstumsphantasien auch aus neuen digitalen Kundenlösungen ziehen.Und das Kraftwerksgeschäft, der bisherige Pfeiler der konventionellen Energiewirtschaft? Hier gelten die drei A: Abschreiben, Abspalten und Abschalten. Dies trifft nicht nur auf die beiden deutschen Branchenführer Eon und RWE zu, sondern im Grundsatz auch auf die europäischen Wettbewerber. Bei aktuellen, noch vor einem Jahr kaum für möglich gehaltenen Strombörsenpreisen von 20 Euro je Megawattstunde dürfte kaum noch ein konventionelles Großkraftwerk Geld verdienen. Dass in dieser Situation zunehmend auch institutionelle Investoren auf den Dekarbonisierungstrend aufspringen und aus der Kohle aussteigen – was bei der aktuellen Margensituation auch nicht verwunderlich ist -, kann für die Versorger noch eine zusätzliche Belastung werden. Paris dürfte mittelfristig den Rückzug von weiteren Investoren zur Folge haben.Aber auch die energieintensiven Industrien sehen das Klimaabkommen aus dem Dezember mit Sorge – allen voran die Stahlindustrie, die ein Ende ihrer Wettbewerbsfähigkeit fürchtet. Die deutsche Stahlbranche verweist darauf, dass die Unternehmen ohnehin schon in Vorleistung gegangen seien und ihren CO2-Ausstoß von 1990 bis 2014 schon um 19 % gesenkt hätten, auf heute 57 Mill. Tonnen im Jahr. Damit sei heute schon das technisch Machbare im Wesentlichen ausgereizt. Eine Stahlproduktion ohne CO2-Ausstoß gebe es ohnehin nicht.Die Stahlkocher haben gegenüber der Politik gute Argumente für Ausnahmeregelungen – im Gegensatz zu den Stromerzeugern. Denn von einem Abschalten der europäischen Hochöfen würde nur die asiatische Konkurrenz profitieren, die mit wesentlich höheren Emissionen produziert. Ob sich die Politik angesichts der Überkapazitäten in der Branche aber auf solche Argumente einlässt, muss sich erst noch zeigen.—-Zuletzt erschienen:- Warburg Research: “Klimaabkommen langfristig zu sehen” (29.4.)- LSE-Ökonom: “Analysten könnten überrascht sein” (22.4.)