Edle Zugpferde mit luxuriöser Bewertung in Paris
Französischer Aktienmarkt
Zugpferde mit Luxus-Bewertung
Zaghafte Börsengänge spiegeln Zurückhaltung und ökonomische Unsicherheiten wieder
wü Paris
Gesche Wüpper, Paris
Der Börse von Paris ist ein wenig die Luft ausgegangen. In den Handelsvolumen macht sich bemerkbar, dass die Sommerferien in Frankreich diese Woche mit Maria Himmelfahrt ihren Höhepunkt erreichen. Entsprechend ruhig geht es an der Börse zu. Der CAC 40 bewegt sich schon seit mehr als vier Monaten in der Spanne von 7.000 und 7.600 Punkten. Marktstratege Alexandre Baradez von IG spricht deshalb von einer Konsolidierung. Innerhalb von zwölf Monaten hat der Leitindex 13,3% zugelegt, ähnlich wie der Dax und der Euro Stoxx 50, jedoch etwas weniger als der spanische Ibex und der italienische FTSE MIB.
Das letzte Jahr, in dem sich der CAC 40 mit einem Rückgang um 9,5% am schlechtesten seit 2018 entwickelt hat, scheint vergessen. Doch die zögerliche, laterale Entwicklung der letzten Monate könnte andauern, da die makroökonomischen Signale in Europa und China weiterhin schwach seien, meint Marktstratege Baradez. Ein Rückgang auf unter 6.800 Punkte wäre exzessiv, böte aber gute Gelegenheiten, zu kaufen. Sollte der CAC 40 dagegen in den kommenden Wochen die 7.600 testen, könnte das ein Zeichen für einen möglichen Anstieg Richtung 8.000 Punkte sein.
Im Mittelpunkt der Anleger stand erneut die Luxusgüterbranche, deren Schwergewichte LVMH, Kering, Hermès und L‘Oréal von der Börsenkapitalisierung und Streubesitz her inzwischen rund 25% des CAC 40 ausmachen. Zum Vergleich: Ende 2012 betrug ihr Anteil gerade mal 10,2%. Gleichzeitig ist das Gewicht der Energiebranche im CAC 40 im selben Zeitraum von gut 17% auf 10% gesunken, weil Stromriese EDF (Electricité de France, Technip und Vallourec) aus dem Leitindex ausgeschieden sind. Der Anteil der Banken wiederum hat sich in den letzten zehn Jahren von 10% auf 5,8% verringert. In den letzten Monaten hat es weitere Veränderungen an der Börse von Paris gegeben. So hat der Restaurantgutschein-Spezialist Edenred am 19. Juni Vivendi im CAC 40 ersetzt und Lagerbetreiber ID Logistics OVHCloud im SFB120.
Großer Anteil
Von der reinen Marktkapitalisierung her machen die Luxusgüterkonzerne, deren Kapital in großem Maße von Familien gehalten wird, sogar weit mehr des CAC 40 aus. Hermès und L‘Oréal gehören auch zu den zehn Werten, die seit Beginn des Jahres die größten Kurszuwächse verbuchen konnten. Allerdings sind sie auch relativ hoch bewertet. Dagegen ist die Aktie von Stellantis günstig bewertet, obwohl der Automobilkonzern im ersten Halbjahr mit 10,9 Mrd. Euro das höchste Nettoergebnis innerhalb des CAC 40 verbuchte. Allerdings rechnen Investoren mit einem Rückgang des Automobilmarktes in den nächsten Quartalen.
Relativ günstig bewertet sind auch Publicis, die weltweite Nummer Drei der Werbebranche, und Baustoffkonzern Saint-Gobain. Wie die Elektronikausrüster Legrand und Schneider Electric hat ihm die Flaute der Baubranche bisher nichts anhaben können. Die relativ schwachen Wachstumperspektiven seien bereits in der Bewertung von Legrand eingespeist, meinen die Analysten von Jefferies. Schneider Electric wiederum dürfte auch in Zukunft von seiner exzellenten Positionierung bei Elektrifizierung und Energieeffizienz profitieren, urteilen die Experten von Oddo BHF.
Von den Börsengängen her ist es in Paris nach einem IPO-Reigen 2021 sehr ruhig geworden. In den ersten Monaten des Jahres wagten sich nur wenige Unternehmen wie Vinpai, Mon Courtier Energie, Florentaise und Lepermislibre neu aufs Parkett. Eine Situation, die die zögerliche Haltung von Investoren und die makroökonomischen Unsicherheiten widerspiegelt. Doch das könnte sich in der verbleibenden Jahreshälfte, spätestens 2024 ändern, da gleich mehrere Gesellschaften einen Börsengang angekündigt haben, darunter Verdemobile Biogaz, ein Spezialist für die Bindung von Kohlendioxid, und Planisware, ein Entwickler von Software für das Projektmanagement.
Fanden bisher alle Börsengänge in diesem Jahr im Segment Euronext Growth statt, könnten in den kommenden Monaten auch ein paar Schwergewichte folgen. So denkt der bereits in New York notierte Kosmetikkonzern Coty über eine Doppelnotierung in Paris nach. Renault wiederum will seine Elektrofahrzeugsparte Ampere an die Börse bringen, frühestens Ende des Jahres. Atos wiederum will Evidian abspalten, seine Sparte für Cybersicherheit und Big Data, und Sodexo nächstes Jahr seine Sparte für Restauranttickets und Geschenkgutscheine. Pathé, die älteste Kinokette Frankreichs, plant 2024 ebenfalls den Sprung aufs Parkett.
Wagten sich in diesem Jahr bisher nur wenige Unternehmen an die Börse von Paris, so kehrten ihr mehrere bekannte Namen den Rücken. Concordia, die Holding der Rothschild-Familie, hat Ende Juli das Übernahmeangebot für die ausstehenden Anteile an Rothschild & Co lanciert. Die Bank hatte zu Beginn des Jahres den Rückzug von der Börse angekündigt. Saatgutspezialist Vilmorin & Co wiederum wurde gerade von seinem Hauptaktionär Limagrain komplett übernommen, Restaurantbetreiber Groupe Flo von der Bertrand-Gruppe und und Stromriese EDF (Electricité de France) wieder komplett verstaatlicht.
Die Luxusgüterbranche stand trotz der hohen Bewertung in der ersten Jahreshälfte an der Börse von Paris erneut im Fokus der Anleger. Obwohl die schwache Entwicklung des letzten Jahres vergessen scheint, tritt der CAC 40 seit ein paar Monaten mehr oder weniger auf der Stelle.