Schweizer Uhren-Aktie

Ein (allzu) düsteres Szenario für Swatch

Die Analysten der Credit Suisse sind für die Swatch-Aktie sehr pessimistisch und haben ihr Kursziel halbiert. Dieser Schritt könnte sich als voreilig erweisen.

Ein (allzu) düsteres Szenario für Swatch

Von Daniel Zulauf, Zürich

Hände weg von Swatch-Aktien! Dazu raten gerade die Finanzanalysten der Credit Suisse, welche die Titel des führenden Schweizer Uhrenherstellers in einer am Mittwoch publizierten Anlagenotiz zum Verkauf empfehlen. Kursziel für die Inhaberpapiere: 180 sfr. Am Vortag verkehrten die Titel noch deutlich über 240 sfr. Die Warnung der Credit-Suisse-Analysten ließen den Kurs kurzfristig um mehr als 3% sinken. Doch der starke Rückgang erwies sich im weiteren Wochenverlauf als Einzelereignis.

Dabei kommen Verkaufsempfehlungen unter Sell-Side-Analysten eher selten vor, zumal die Banken gut vom Provisionsertrag aus dem Aktienhandel leben. Doch im vorliegenden Fall war die Verkaufsempfehlung fast unumgänglich, denn die Credit-Suisse-Analysten nahmen eine geradezu spektakuläre anlagetaktische Kehrtwendung vor, die sich anders kaum hätte begründen lassen.

Noch in der vergangenen Woche hatten die Analysten ein Kursziel für die Inhaberaktien der Swatch Group von 360 sfr hochgehalten. Die Halbierung dieser Vorgabe begründen sie in der erwähnten Anlagenotiz mit den sich zunehmend verdüsternden konjunkturellen Aussichten. Der Markt habe den 2023 bei der Swatch Group zu erwartenden Umsatz- und Gewinneinbruch noch nicht eingepreist.

Die Credit-Suisse-Analysten ge­hen bei dem Uhrenhersteller 2023 von einem Rückgang des Umsatzes um rund 9% und des Gewinns um mehr als ein Drittel aus, wobei schon die Basis dieser prognostizierten Veränderungsraten, die erwarteten Ertragszahlen per Ende des laufenden Jahres, auf der konservativen Seite sind. Die Swatch Group hatte Mitte Juli, anlässlich der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen, ein Wachstum des Umsatzes im laufenden Jahr im zweistelligen Prozentbereich vorausgesagt. Die Credit-Suisse-Analysten trauen dem Konzern aber nur ein Wachstum von 6,5% auf 7,8 Mrd. sfr zu. Der für 2022 veranschlagte Jahresgewinn liegt nach der vorliegenden Schätzung mit knapp 800 Mill. sfr nur rund 2,5% über Vorjahr.

Uhren seien in einer Rezession erfahrungsgemäß eben stärker von einem Käuferstreik betroffen als exklusive Juwelierwaren, wie sie zum Beispiel der Swatch-Rivale Richemont mit seinem Flaggschiffbrand Cartier im Angebot führt. Als am resistentesten gegen Konsum- und Wirtschaftskrisen hätten sich im Prinzip aber weiche Luxusgüter wie besonders edle Lederwaren oder Textilien erwiesen.

Suboptimale Positionierung

Spezifisch gegen die Swatch-Group-Aktien spreche auch der Umstand, dass der Konzern nur rund 50% seiner Verkäufe mit Luxusmarken wie Omega oder Breguet erwirtschafte, und auch diese zielten nicht auf das oberste Luxussegment. In der Anlagenotiz ist von einer „suboptimalen“ Markenpositionierung die Rede, die dem Unternehmen und seinen Aktionären im derzeitigen konjunkturellen Um­feld wie auch strukturell zum Nachteil gereichen könnte.

Die dieser Analyse zugrundeliegende Skepsis wird gestützt durch die langjährige Entwicklung des Uhrenherstellers im Konkurrenzvergleich. Während Luxusgüterriesen wie LVMH oder Richemont ihren Börsenwert in den vergangenen 20 Jahren laufend steigern konnten, ist dieser bei der Swatch Group in der vergangenen Dekade nicht nur relativ, sondern auch absolut auf aktuell nur mehr 12 Mrd. sfr gesunken. Im vergangenen Jahr wurden die Valoren aus dem Swiss Market Index der 20 wertvollsten Schweizer Blue Chips ausgeschlossen.

Während die Konkurrenten der Swatch Group in der langen Frist eine Bewertungsexpansion erreichen konnten, die sich zum Beispiel in einer deutlichen Steigerung des Verhältnisses zwischen Umsatz und Börsenwert manifestiert, haben sich beim Uhrenkonzern auch diese Kennzahlen in die falsche Richtung bewegt. Gemessen am traditionellen Kurs-Gewinn-Verhältnis bewegen sich die Swatch-Group-Titel aktuell um einen Wert von 16, während die Mehrheit der im Luxusgütersegment tätigen Firmen mit Ra­tios von über 20 bewertet wird.

Besonders pessimistisch

Vor diesem Hintergrund erscheint die Analyse von Credit Suisse besonders pessimistisch. Zwar sind die Swatch-Group-Valoren seit Jahresbeginn bereits um fast 15% gefallen, was darauf schließen lasse, dass der Markt eine Korrektur der derzeitigen Gewinnerwartungen um ein Viertel vorwegnehme, heißt es in der Studie. Doch diese Kurskorrektur sei bei weitem nicht weit genug gegangen, um die Auswirkungen der anstehenden Rezession in Europa, der erwarteten Stagnation in den USA und der anhaltenden Wachstumsflaute in China abzubilden. Diese Sichtweise könnte sich indes als allzu negativ erweisen. Ein simples Indiz dafür ist der Umstand, dass wichtige Konkurrenz-Valoren wie jene von Richemont, die ebenfalls ein breites Uhrensortiment im Angebot führt, seit Jahresbeginn deutlich stärker korrigiert haben als die Swatch-Group-Titel (−25%). Offenbar erzeugt die niedrigere Bewertung der Swatch-Group-Aktien mindestens relativ gesehen eine gewisse Bremswirkung im Umfeld des rückläufigen Gesamtmarktes.

Die Swatch Group hat zudem just in dem von den Credit-Suisse-Analysten besonders kritisch beurteilten Tiefpreissegment ein spannendes Experiment am Laufen, dem das Potenzial für eine positive Überraschung zugetraut werden kann. Die im April lancierte Moonswatch, eine Nachahmung der legendären Omega Moonwatch im preisgünstigen Swatch-Format, scheint bislang durchaus erfolgreich verlaufen zu sein. Diese Vermutung lassen mindestens die monatlich vom Schweizer Uhrenverband veröffentlichten Exportstatistiken zu, nach denen das Segment in der niedrigsten Preisklasse nach Jahren der Kontraktion ein markantes Wachstum aufweist. Zudem wird mit einer positiven Wirkung auf den Absatz des Omega-Originals gerechnet.

Und schließlich könnte sich auch die im Konkurrenzvergleich außergewöhnlich starke Exponierung des Uhrenherstellers gegenüber dem chinesischen Markt (42% des Um­satzes) vom Nachteil zum Vorteil verwandeln. Im Frühjahr waren der Swatch Group infolge der chinesischen Schutzbestimmungen gegen die Pandemie rund 400 Mill. sfr Umsatz entgangen. Seit kurzem erscheint eine baldige und weitgehende Lockerung des Corona-Regimes in China aber wieder möglich oder gar wahrscheinlich.

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