Ein bemerkenswertes Comeback

Euro wertet 2017 mehr als 14 Prozent zum Dollar auf - Enttäuschung über Trump und ausbleibende Zinswende der EZB treiben Gemeinschaftswährung hoch

Ein bemerkenswertes Comeback

Von Stefan Schaaf, FrankfurtBei vielen Investmentbanken kam im Frühsommer des abgelaufenen Jahres hektische Betriebsamkeit im Währungsresearch auf. Grund dafür war, dass die eigenen Prognosen und die tatsächliche Kursentwicklung des Euro vorne und hinten nicht mehr zusammenpassten. Statt unter die Parität zum Dollar zu fallen, nahm die Gemeinschaftswährung unerwartet Kurs auf die Marke von 1,20 Dollar – und übersprang diese dann auch Ende August. Das Jahreshoch und zugleich der höchste Stand seit Anfang Januar 2015 wurde am 8. September mit 1,2092 Dollar erreicht.Bis zum Jahresende konnte dieser Wert fast gehalten werden, und mit einer Aufwertung von rund 14,2 % im abgelaufenen Jahr zum Dollar hat der Euro ein bemerkenswertes Comeback hingelegt. Und nicht nur gegenüber der US-Valuta steht ein Plus zu Buche, auch alle anderen 15 von Bloomberg aufgeführten Hauptwährungen haben 2017 gegenüber der Gemeinschaftswährung abgewertet (vgl. Grafik). Der von der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichte Index des täglichen nominalen Wechselkurses des Euro, der auf handelsgewichteter Basis berechnet wird, stand zum 28. Dezember bei 98,96 Stellen und hat damit 2017 5,3 % zugelegt.Für viele Auguren kam diese deutliche Aufwertung überraschend. Der Reuters-Konsens für den Euro-Dollar-Wechselkurs stand im Median gerade einmal bei 1,05 Dollar. Mit Deutsche Bank (0,95 Dollar) und Morgan Stanley (0,98 Dollar) sagten zwei wichtige Akteure den Fall des Euro unter die Parität voraus, Goldman Sachs ging von einem Kurs von 1 Dollar je Euro aus. Und selbst die Euro-Optimisten von J. P. Morgan und Unicredit lagen vor zwölf Monaten mit ihren Prognosen von 1,13 bzw. 1,15 Dollar unter dem aktuellen Kursniveau von 1,20 Dollar.Viele Häuser hoben im Verlauf des Jahres dann ihre Prognosen deutlich an, aus Euro-Bären wurden zwar nicht immer Bullen, aber zumindest Konsensanhänger. An dieser Stelle lautete die Überschrift über dem Währungsausblick vor einem Jahr “Erst die Parität, dann die neue Euro-Stärke.” Zwar schien der Jahresauftakt den Euro-Pessimisten recht zu geben. Die Gemeinschaftswährung sackte am 6. Januar auf 1,0342 Dollar ab – doch damit war die Abwertung auch beendet. Trump Trade zerplatzt”Der Euro konnte, wie von uns erwartet, von wachsenden Hoffnungen auf eine Abkehr der EZB von der ultraexpansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre profitieren, während der Dollar einen hohen Preis für die Ernüchterung über die Präsidentschaft Trumps zahlen musste”, fasst die DZ Bank zusammen. Das Institut zählte vor einem Jahr ebenfalls zu den Euro-Optimisten. Während die Enttäuschung über den mehr oder minder in sich zusammengebrochenen Trump Trade den Dollar schwächte, stärkten die ersten zaghaften Signale der EZB für eine Zinswende den Euro, der selbst auf dem aktuellem Niveau gemessen an den Kaufkraftparitäten noch deutlich unterbewertet ist. Zaghaftes EZB-TaperingDie EZB begann im abgelaufenen Jahr mit dem Tapering, das heißt, sie kündigte eine weitere Kürzung ihrer monatlichen Anleihekäufe auf 30 von 60 Mrd. Euro an, nachdem sie diese bereits auf 60 von einst 80 Mrd. Euro gekappt hatte. Außerdem kommuniziert die EZB nicht mehr so ultralocker wie zu Jahresbeginn. All dies half dem Euro nach oben, wenngleich die EZB nach Einschätzung zahlreicher Ökonomen angesichts eines Anstiegs der Verbraucherpreise von zuletzt 1,5 % zunehmend hinter der Kurve ist – was für 2018 Überraschungspotenzial bieten könnte.Allerdings ist der starke Euro auch eine Folge einer breiten Abschwächung des Greenback. Dieser profitierte zunächst von der Erwartung viele Marktakteure, unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump würde eine expansive und mit Schulden finanzierte Fiskalpolitik umgesetzt, welche die Inflationsrate steigen lässt und damit zu höheren Zinsen führt. Allerdings irritierte es Marktakteure, dass Trump monatelang keine politischen Akzente setzte und lediglich erratisch via Kurznachrichtendienst Twitter um sich schlug, während er gleichzeitig eine hohe Zahl Mitarbeiter verlor und die mögliche Verstrickung seiner Wahlkampagne mit Russland sowie Vorwürfe sexueller Übergriffe Spekulationen über ein Amtsenthebungsverfahren aufkommen ließen.Erst zum Herbst drehte der Dollar-Kurs, auch weil die US-Konjunktur trotz des fiskalpolitischen Stillstandes in Washington weiter robust lief und die Notenbank Federal Reserve ihren Zinserhöhungszyklus fortsetzte. Immerhin liegt der US-Leitzins inzwischen wieder bei 1,25 bis 1,50 %, während die EZB noch immer negative Einlagezinsen von Banken verlangt. “Die Dollar-Erholung der letzten Wochen dürfte wesentlich auf die Aussicht auf eine umfassende US-Steuerreform zurückzuführen sein”, schreibt die Commerzbank. “Und in der Tat, mittelfristig könnte die Steuerreform Dollar-positive Effekte entfalten. Gleichzeitig könnte sie aber auch den Keim für eine erneute langfristige Schwächephase der US-Währung legen. Denn die Auslandsverschuldung der USA könnte in den nächsten Jahren erneut zum Dollar-belastenden Thema werden.” Am Markt wird erwartet, dass der Jahresauftakt angesichts der Steuersenkungen für Unternehmen und wohlhabende US-Bürger dem Dollar gehört und der Euro im Jahresverlauf dann Fahrt aufnimmt, sobald die EZB ihr Tapering beschleunigt. Schwedenkrone unter DruckWährend das wichtigste Währungspaar Euro-Dollar sich stark bewegte, hat sich das 2016 vom Brexit geplagte britische Pfund in diesem Jahr stabilisiert. Mit einem Kurs von 0,89 Pence je Euro hat das Pfund laut Bloomberg-Daten nur um 4 % zur Gemeinschaftswährung abgewertet und bewegt sich damit in etwa auf dem Niveau der Schwedenkrone. Die skandinavische Währung schwankte im Jahresverlauf ebenfalls kräftig. Während der Markt angesichts einer steigenden Inflation auf eine Zinswende der Riksbank setzte, schockierte ihn bald darauf die Aussicht, dass der starke Anstieg der Immobilienpreise in Schweden eine Blase ausbilden könnte – die früher oder später platzt und die Krone unter Druck setzen würde.