IM INTERVIEW: DAVID BLOOM, HSBC

"Eine Welt, in der der Dollar der König ist"

Leiter der Währungsanalyse erwartet nicht den Fall des Euro unter die Parität zum Greenback - Risiko einer politischen Krise in Europa

"Eine Welt, in der der Dollar der König ist"

Mangels Alternativen wird der Dollar nach Einschätzung von HSBC die Währung der Wahl bleiben. Allerdings werde der Euro nicht unter die Parität fallen, ist David Bloom überzeugt, der bei HSBC die Währungsanalyse leitet. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert er, warum die USA früher oder später gegen die Dollar-Stärke vorgehen werden.- Herr Bloom, nahezu jeder Investor rechnet derzeit mit einer weiteren Abschwächung des Euro, nachdem dieser im Jahr 2014 bereits deutlich an Außenwert verloren hatte. Welche Faktoren sprechen für eine Euro-Abwertung?Wir alle schauen auf den Euro-Dollar-Wechselkurs. Doch aus Sicht der EZB fällt der handelsgewichtete Euro nicht so stark. So sank beispielsweise der Wechselkurs Euro-Dollar innerhalb der letzten sechs Monate fast 15 %, während der handelsgewichtete Euro lediglich 7 % einbüßte. Wir haben bis jetzt einiges an Volatilität gesehen, jedoch nicht bei den skandinavischen oder osteuropäischen Währungen. Das Problem für die Gemeinschaftswährung ist aber nicht nur der Euro-Dollar-Kurs, sondern die Entwicklung auf handelsgewichteter Basis. Daher muss der Dollar nahezu die ganze Arbeit übernehmen, während der handelsgewichtete Euro aufgrund der quantitativen Lockerungen leicht nachgibt. Vor diesem Hintergrund prognostizieren viele Analysten den Fall des Euro unter Parität zum Dollar. Wir sagen dies nicht voraus.- Warum? Erwarten Sie keine weitere Abwertung des Euro?Doch, natürlich, der Euro wird weiter abwerten. Aber wir werden an einen Punkt kommen, an dem die Amerikaner sagen: Genug ist genug. Und der wird dann erreicht sein, wenn der starke Dollar beginnt die Vereinigten Staaten zu schmerzen, weil die Europäer versuchen, über die Abwertung ihrer Währung ihre Deflation zu exportieren. Die Federal Reserve könnte dann geneigt sein, die Zinsen später als vom Markt erwartet zu erhöhen. Wir rechnen jetzt schon mit einer Inflationsrate von nahe null Prozent in den USA und einer Kernrate, also ohne Nahrungsmittel und Energie, von etwa 1,5 %. Es könnte auch der Punkt erreicht sein, an dem US-Politiker die Euro-Abwertung als unfair bezeichnen. Ja, der Euro wird noch ein wenig fallen, wir sehen ihn zum Jahresende bei 1,09 Dollar.- Hat sich die Prognose durch die Ankündigung der Anleihekäufe der EZB verändert?Ja. Vor der Ankündigung der EZB haben wir den Euro zum Jahresende 2015 bei 1,15 Dollar erwartet. Nun, “QE” kommt in der Eurozone größer als erwartet und möglicherweise zeitlich unbegrenzt. Aber es kam nicht unerwartet. Wir haben deshalb unsere Prognose nur ein wenig gesenkt. Bedenken Sie, wir kommen von einem Kurs von 1,40 Dollar im Mai vergangenen Jahres. Auch wenn wir weiterhin Dollar-bullish eingestellt sind, ein Großteil der Bewegung liegt bereits hinter uns.- Wie schätzen Sie die politischen Risiken für die Eurozone ein?Sind die neu?- Na ja, nach dem Wahlsieg von Syriza in Griechenland erreichten sie doch neue Dimensionen.Aber waren Sie schockiert? Oder überrascht? Was wir wirklich fürchten, ist eine explosive Dollar-Rally. Es gibt unserer Einschätzung nach drei Dinge, die einen explosiven Anstieg des Dollar-Kurses auslösen können. Erstens: Japan könnte die Kontrolle über die Geldpolitik durch eine massive quantitative Lockerung verlieren. Zweitens könnte es zu einer Krise in den Schwellenländern kommen. Das Dritte wäre eine schwere Krise in der Eurozone.- Ist Griechenland das Hauptproblem der Eurozone?Nein, Griechenland ist nicht das einzige Problem. Das Problem ist die mögliche Wahl weniger eurofreundlicher Parteien in anderen Ländern. Auf dem Höhepunkt der Krise haben wir nie an ein Auseinanderbrechen der Währungsunion gedacht, weil der politische Wille, sie zu erhalten, immer da war. Es war eine finanzielle, aber keine politische Krise. Das Problem ist nun, dass wir an einen Punkt kommen, an dem es zu einer politischen Krise in Europa kommen könnte.- Was sind mögliche Auslöser einer Krise?Wir stehen in Großbritannien vor einer Wahl, die Konservativen haben für den Fall eines Wahlsieges ein Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union angekündigt. Sollte man vor diesem Hintergrund Sterling anstelle von Euro kaufen? Nein, denn ein britisches Problem mit der EU wird sich auch auf die gesamte Eurozone auswirken. Würden Investoren stattdessen Japan kaufen, weil sie dem Euro nicht vertrauen? Nein, denn auch der japanische Yen steht unter dem Einfluss eines massiven QE-Programms. Die Möglichkeiten für Investoren sind also begrenzt. Die Schweizer Nationalbank hat uns immerhin mit der Aufgabe der Franken-Obergrenze eine neue Option eröffnet. Aber letztlich bleibt nur der Dollar. Dies ist eine Welt, in der der Dollar der König ist.- Bleiben global also viele Währungen schwach, insbesondere die der Schwellenländer?Man muss sich vor Augen halten, dass global 87 % des Devisenhandels in Dollar abgewickelt werden. Bei einer Dollar-Rally stellt deshalb niemand wirklich derart komplizierte Fragen, sie reißt einfach alles mit. Jeder verkauft Schwellenländerwährungen – und fragt sich hinterher: Bevorzugen wir den südafrikanischen Rand oder die türkische Lira, den brasilianischen Real oder die indische Rupie? Während der Dollar-Rally ist für solche Fragen einfach keine Zeit. Erst wenn der Dollar sich stabilisiert, findet man wieder den relativen Wert innerhalb der Schwellenländerwährungen. Dann würde ich allerdings die indische Rupie dem brasilianischen Real vorziehen.- Die Dollar-Aufwertung war das dominierende Thema am Devisenmarkt im vergangenen Jahr. Wird die Rally 2015 weitergehen?Ja, sie ist noch nicht vorbei. Sie ist auch die Folge eines Mangels an Alternativen. Das größte Risiko ist, dass irgendwo auf der Welt etwas passiert, was eine massive Flucht in den Dollar auslöst. Er ist dann kein Mittel des Austausches mehr, etwa um US-Aktien zu kaufen, sondern wird zu einer eigenen Assetklasse. Die Welt ist immer dann sehr gefährlich, wenn der Dollar zum Schweizer Franken fällt und gleichzeitig der Goldpreis steigt. Wir haben ein bisschen etwas davon gesehen, als die EZB ihre quantitative Lockerung ankündigte.- Ist Pfund Sterling zwischen einem starken Dollar und einem schwachen Euro gefangen?Im globalen Devisenhandel spielen derzeit nur drei Währungen eine bedeutende Schlüsselrolle: Dollar, Euro und Yen. Und wenn die großen Jungs miteinander kämpfen, sollte man Abstand halten. In dieser Situation gibt es keinen unabhängigen Sterling – er kann nicht isoliert betrachtet werden. Es gibt auf der einen Seite nur die beiden QE-Währungen des Euroraums und den Yen und den Dollar auf der anderen Seite. Wir haben deshalb auch keine lokale Meinung zu Sterling, sondern nur eine Euro- und eine Dollar-Meinung. Wir hatten gesehen, wie die Schweiz versuchte, sich zwischen diesen starken Kräften zu behaupten, und mit entsprechend dramatischen Konsequenzen aufgeben musste. Als vergangenes Jahr Zinserhöhungen für Großbritannien erwartet wurden, dachten viele Leute, sie könnten Sterling als Alternative zum Dollar nutzen. Wir haben das zurückgewiesen und eine Prognose von 1,50 Dollar je Pfund veröffentlicht. Als ich diese Prognose abgegeben habe – der Kurs stand zu diesem Zeitpunkt bei gut 1,70 Dollar – wurde ich in unserem Handelsraum angeschaut, als hätte ich gerade den Union Jack verbrannt. Es ist schwierig, in Großbritannien negativ für das Pfund gestimmt zu sein. Aber das Vereinigte Königreich hat eben strukturelle, politische und zyklische Probleme. Wir haben die Wahlen, wir haben ein großes Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizit. Eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft ist per se kein Euro-Sterling-Trade. Aber Gift breitet sich aus. Deshalb wäre das EU-Referendum schlecht für Sterling, aber auch schlecht für den Euro – und gut für den Dollar.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.