Einstiegschancen bei Halbleiteraktien
Trotz langfristig bester Aussichten für die Chipindustrie: Kurzfristig überwiegen laut einer Studie von Morgan Stanley die Probleme. Allerdings seien einige Aktienbewertungen mittlerweile schon zu niedrig. Nur die Gewinnprognosen müssten noch fallen.amb Frankfurt – Internet of Things, autonomes Fahren, E-Mobilität, Smart Home: Die Chipindustrie liefert wichtige Bestandteile für Zukunftstechnologien. Ganz unabhängig von der Konjunktur ist die Branche aber nicht, zuletzt haben sich die Aussichten durch die Handelsstreitigkeiten und das schwächere wirtschaftliche Umfeld deutlich eingetrübt. Einer Studie von Morgan Stanley zufolge spiegeln sich die schlechteren kurzfristigen Aussichten in den Kursen aber ausreichend wider. In einer Erstbeurteilung setzt die US-Bank den Halbleiterhersteller STMicroelectronics und den Chipanlagenbauer ASML daher auf “Overweight”.Die langfristigen Treiber für die Branche bleiben den Analysten zufolge intakt: die Elektrifizierung des Verkehrs, der zunehmende Bedarf an energieeffizienten Technologien oder das Internet der Dinge etwa. Kurzfristig belasteten aber Konjunktursorgen. Den Experten zufolge ist das Umfeld für die Halbleiterunternehmen derzeit schwierig, eine schnelle Wende ist ihrer Ansicht nach vorerst nicht in Sicht. Sie verweisen auf das schwache makroökonomische Umfeld mit weiter sinkenden Einkaufsmanagerindizes, die rückläufige Nachfrage aus den Bereichen Automobil, Industrie und Elektroartikel sowie Lagerbestände weit über den historischen Durchschnitten, in Europa sogar auf einem Allzeithoch. Sie gehen zudem davon aus, dass die Margen im vierten Quartal 2018 schon ihren Höhepunkt in diesem Zyklus erreicht haben. Lagerbestände dürften sinkenLaut Morgan Stanley ist das schwierige Umfeld mittlerweile aber mehr als ausreichend eingepreist. Die Bewertungskennziffern wie KGV, KBV, EV/Umsatz und EV/Ebitda befänden sich auf dem Niveau vor Beginn des letzten Zyklus, nämlich 2016. Neue Tiefs erwarten die Analysten daher nicht. Allerdings liegen sie mit ihren Gewinnschätzungen je Aktie für 2020 um 5 % bis 8 % unter den Konsensschätzungen. Daher stufen sie die Branche als Ganzes auch nicht auf “Attractive”, sondern nur auf “In-Line”.Favorit ist STMicroelectronics, sie stufen die Aktie auf “Overweight” bei einem Kursziel von 18 Euro (aktuell 15,60 Euro). Nach Ansicht der Analysten ist die Schwäche des Auto- und Industriesektors mittlerweile in den Kursen enthalten. Sie gehen davon aus, dass die Lagerbestände hier schneller als bei der Konkurrenz fallen werden. Ein Vorteil: STMicroelectronics produziere mehr Chips für schnelllebige Produkte wie Smartphones, unter anderem ist Apple ein großer Abnehmer. Zudem sei die Bewertung unter das Niveau von 2016 und den langfristigen Durchschnitt gefallen. Im Vergleich zur Peergroup sei STMicroelectronics ebenfalls zu billig.Das Unternehmen, das als Aktiengesellschaft in Amsterdam eingetragen ist, seine Hauptverwaltung aber in Genf hat, hatte im April wegen des schwierigen Geschäftsumfelds seine Investitionspläne für 2019 leicht zurückgefahren. Im ersten Quartal fiel der Umsatz im Vergleich zum Schlussquartal 2018 um 21,6 % auf 2,08 Mrd. Dollar, das operative Ergebnis um mehr als die Hälfte auf 211 Mill. Dollar. Die Aktie war nach einem starken Anstieg bis Sommer 2018 eingebrochen, der Kurs liegt trotz zwischenzeitlicher Erholung noch klar unter dem Niveau vor einem Jahr bei über 22 Euro.Ebenfalls auf “Overweight” stuft Morgan Stanley das niederländische Unternehmen ASML, den weltweit größten Anbieter von Lithografiesystemen für die Halbleiterindustrie. Als Kursziel nennt die Bank hier 200 Euro. Aktuell liegt der Kurs bei 183,74 Euro, nicht mehr weit vom Allzeithoch von 186,10 Euro vom Juli 2018 entfernt. ASML profitiere derzeit vom Umstieg der Kunden auf die EUV-Technologie, ein Fotolithografieverfahren, das extrem ultraviolette Strahlung nutzt. ASML erhalte dadurch Preissetzungsmacht, die Analysten sehen eine Chance auf steigende Bruttomargen. Das Risiko für Gewinnrevisionen für 2019 und 2020 halten sie hier für niedriger als bei der Konkurrenz. ASML hat im ersten Quartal 2019 zwar ebenfalls einen Umsatz- und Gewinnrückgang zum Vorquartal verbucht, der Rückgang fiel allerdings weniger stark aus, als der Konzern erwartet hatte. So ging das Nettoergebnis von 788 Mill. Euro im vierten Quartal 2018 auf 355 Mill. Euro im ersten Quartal 2019 zurück, der Konzernumsatz von 3,14 Mrd. auf 2,23 Mrd. Euro. ASML-Maschinen spielen eine wichtige Rolle bei der Produktion integrierter Schaltkreise, 80 % aller Chiphersteller weltweit sind Kunden. Gegründet wurde ASML 1984 als ein Gemeinschaftsunternehmen von Philips und ASM International (ASMI). ASMI wird in der Studie nur auf “Equal-weight” gestuft bei einem aktuellen Kursziel von 60 Euro. Viele KaufempfehlungenAuch viele andere Analysten raten bei STMicroelectronics zum Kauf: So machen der Studie zufolge Kaufempfehlungen derzeit 73 % aus, 20 % aller Analysten stuften die Aktie auf Halten, 7 % auf “Sell” bzw. “Underweight”. Bei STMicroelectronics empfehlen neben Morgan Stanley zum Beispiel auch J.P. Morgan, Merrill Lynch, Deutsche Bank, Credit Suisse und Barclays den Kauf. J.P. Morgan hat am Donnerstag dieser Woche die Einstufung für STMicroelectronics auf “Overweight” mit einem Kursziel von 20 Euro belassen. Ungeachtet der Schwäche in den Endmärkten sei für den Halbleiterkonzern das untere Ende der in diesem Jahr angepeilten Ziele erreichbar, hieß es.Merrill Lynch hat STMicroelectronics Anfang des Monats von “Neutral” auf “Buy” hochgestuft bei einem Kursziel von 17,30 Euro. Allerdings sollten Anleger aufgrund der Handelsstreitigkeiten kurzfristig mit höheren Schwankungen rechnen. In Schwächephasen sehen die Analysten Kaufgelegenheiten. Die Deutsche Bank hat die Einstufung für STMicroelectronics nach einem Kapitalmarkttag auf “Buy” mit einem Kursziel von 20 Euro bestätigt. Der Chiphersteller habe beeindruckende mittelfristige Ziele für Wachstum und Profitabilität bekannt gegeben, hieß es. Skeptischer zeigen sich UBS und Goldman Sachs: Die UBS setzt die Aktie auf “Neutral” und nennt ein Kursziel von 16,50 Euro. Die vom Management in Aussicht gestellte anziehende Nachfrage im zweiten Halbjahr wird bezweifelt. Kaum VerkaufsvotenBei ASML stehen 63 % Kaufempfehlungen 27 % Halten- und 10 % Sell-Voten gegenüber. ASML wird außer von Morgan Stanley auch noch von Credit Suisse, RBC Capital, Merrill Lynch und Goldman Sachs auf “Outperform” oder “Buy” gesetzt. So hat Credit Suisse nach einem Treffen mit Managern des Unternehmens die positive Einstufung bestätigt und ein Kursziel von 215 Euro genannt. Der Ton sei von Zuversicht bestimmt gewesen, hieß es, trotz anhaltender Unsicherheit wegen des Zolldisputs.Die kanadische Großbank RBC votiert mit “Outperform” bei einem Kursziel von 225 Euro, begründet wird der Optimismus mit der EUV-Technologie und den Auslieferungen entsprechender Lithografieanlagen. Goldman Sachs hatte das Kursziel für ASML schon im Mai diesen Jahres von 192 auf 195 Euro angehoben und die Einstufung auf “Buy” belassen. Die Analysten der US-Bank rechnen nun mit höheren Bruttomargen, Grund hierfür sei Aufwärtspotenzial für die durchschnittlichen Verkaufspreise im Dienstleistungsgeschäft von ASML