IM INTERVIEW: ANNE CONTRERAS-MULLER, ARENDT & MEDERNACH

Einstiger Nischenmarkt auf dem Sprung zum Mainstream

Expertin für Green und Sustainable Finance über die Herausforderungen des Marktes, Instrumente, Taxonomie der EU sowie Public Private Partnerships

Einstiger Nischenmarkt auf dem Sprung zum Mainstream

Green und Sustainable Finance ist auf dem Sprung vom einstigen Nischenmarkt hin zum Mainstream. Anne Contreras-Muller von Arendt & Medernach geht im Interview der Börsen-Zeitung auf die Herausforderungen des Marktes ein, erläutert Probleme, vor denen Fondsmanager dieses Bereiches stehen, sowie welche Bedeutung Public Private Partnerships zukommt. – Frau Contreras-Muller, Green und Sustainable Finance ist eines der zentralen Themen der Finanzmärkte. Gehen Sie davon aus, dass es in diesem Bereich in den nächsten Jahren zu einem weiteren kräftigen Wachstum kommt und er noch wichtiger für Investoren und die Assetmanagement-Industrie wird?Im Bereich Green und Sustainable Finance ist in den vergangenen Jahren sehr vieles angestoßen worden. Der einstige Nischenmarkt erlebt nun seinen Sprung zum Mainstream. Das sehen wir zum Beispiel auf Konferenzen wie dem Luxemburg Sustainable Finance Forum 2018, auf dem mehrere hundert Interessenten insbesondere aus der etablierten Finanzwelt zu Besuch waren. Ich erwarte, dass sich das Wachstum dieses Marktsegments fortsetzen wird. Denn es gibt auf europäischer Ebene die klare Verpflichtung, Sustainable Finance beziehungsweise Impact Investing voranzutreiben. Das schließt auch entsprechende Regulierungsvorschläge ein. Als Erstes soll es eine entsprechende Taxonomie geben, und diese einheitlichen Definitionen in Sachen ESG sind eine Herausforderung.- Wie sieht es investorenseitig aus?Auf Seiten der Investoren gibt es ebenfalls ein klares Interesse an diesem Markt und an einem Wachstum desselben. Immer mehr Investmentmanager über alle Assetklassen hinweg wissen, dass sie sich künftig damit auseinandersetzen müssen, wie nachhaltig ihre Investments sind. Studien belegen, dass Assetmanager Investmentopportunitäten und dann auch Anleger verlieren, wenn sie den Nachhaltigkeitsaspekt nicht in ihre Investitionspolitik integrieren. Nachhaltigkeit wird zur Norm in der Assetmanagement-Industrie werden, und zwar schneller, als wir es derzeit erwarten.- In welchen speziellen Bereichen sehen Sie derzeit das größte Interesse: Green Finance, Sustainable Finance, Social Bonds, Smart City?Heute gibt es sehr viel Interesse an klimabezogenen Investments oder Umweltprojekten. Das ist in erster Linie auf den Pariser Klimagipfel zurückzuführen, der hierauf einen besonders starken Fokus legte. Auf einer breiten Ebene haben die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – UN – für 2030 dazu geführt, Regierungen und Investoren zu zeigen, welche Verantwortung sie in Sachen einer nachhaltigen Wirtschaft haben. Der Pariser Klimagipfel und die UN-Nachhaltigkeitsziele zusammen haben den Weg für die kommenden Jahre vorgezeichnet. In Luxemburg, auf Initiative der Climate Task Force – eine öffentlich-private Arbeitsgruppe -, hat es in der Folgezeit sehr viele Initiativen für unterschiedliche Bereiche gegeben, wie die grüne Börse, den Accelerator für grüne und nachhaltige Projekte et cetera. Ausgehend von der Klimafinanzierung, wo heute die größten Aktivitäten und meisten Initiativen vorhanden sind, werden sich solche Initiativen hoffentlich immer mehr für andere Aktivitätsbereiche öffnen, besonders in Richtung des Sozialbereiches. In Luxemburg haben wir zum Beispiel eine lange Historie bei Mikrofinanz.- Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Projektinitiatoren konfrontiert werden, wenn es um den Finanzierungsaspekt ihrer Vorhaben geht?Wir arbeiten hier in erster Linie mit Fondsinitiatoren. Eine der größten Herausforderungen für diese Initiatoren, die oft Nischenspezialisten sind, ist nach wie vor das Fundraising. Es gibt viele Investoren, die neugierig auf diese nachhaltigen Projekte sind. Es gibt auch Investoren, die aktiv sind. Aber um dann die nächstgrößeren institutionellen Investorengruppen anzusprechen, müssen die Projekte klar überzeugen. Die Due Diligence ist nach wie vor für sehr viele Projektinitiatoren eine schwierige Angelegenheit. Denn viele Investoren sehen immer noch ein hohes Reputationsrisiko mit diesen Kapitalanlagen verbunden. Das Financial Modeling ist ebenfalls anspruchsvoll.- Wie sieht es mit dem Instrumentenkasten aus?Man muss konstatieren, dass die investierbaren Instrumente wie Equity, Schuldpapiere oder Wandelanleihen vorhanden sind. Diese Instrumente sind auch alle flexibel genug, um sie auf die jeweiligen Projekte und Anforderungen der Fundmanager und Investoren anzupassen. Das Angebot an Instrumenten ist derzeit schon recht gut. Die Frage im Fondsbereich ist eher, wie man in den Retailmarkt einsteigt. Verantwortungsvolle Kapitalanlagen sind heute eine alternative Assetklasse, zu der Privatanleger aber kaum einen Zugang haben.- Und welche rein praktischen Probleme gibt es noch?Liquidität – oftmals arbeitet man hier mit geschlossenen Fonds mit zehn oder zwölf Jahren Laufzeit, und die Investoren legen ein besonderes Augenmerk auf den Liquiditätsaspekt dieses Fonds. Das ist für Fondsmanager keine leichte Angelegenheit. Und die Anpassung an Investoren: Nachhaltiges Investment ist für viele eine attraktive Angelegenheit. Aber wenn es um die Strukturierung geht, die mehreren Investoren zusagen soll, kann es oftmals problematisch und teuer werden. Investoren haben spezielle und sehr strikte Vorgaben in Sachen Governance, das Reporting, das soziales Umfeld und die diesbezüglichen Entwicklungen. Manche Investoren wissen sehr genau, was sie in Sachen Sustainable Finance an Projekten wollen, aber andere dagegen haben viel weniger Vorstellungen davon. Und es gibt auch Anforderungen von Investoren, die sich in bestimmten Projekten überhaupt nicht abbilden lassen. Hier passen Anforderungen und Abbildbarkeit nicht immer zusammen.- Sind Bonds das geeignete Finanzierungsinstrument für Green und Sustainable Finance?Es gibt einen großen Boom bei Green, Sustainable und Social Bonds mit den entsprechenden Bezügen zu den Projekten. Diese Bereiche hat die Luxemburger grüne Börse ja auch nacheinander eingeführt. Der Bond ist sicherlich eines der wichtigsten Instrumente in diesem Segment. Die Nutzung von Bonds in dem Bereich von Green und Sustainable Finance ist aber im Vergleich zum Einsatz von Investmentfonds relativ neu. Das haben wir jetzt erst seit einigen Jahren. Aber Bonds sind durchaus ein sehr ansprechendes und für viele auch sehr geeignetes Instrument.- Wo sehen Sie denn die größten Probleme beim Aufbau eines grünen oder nachhaltigen Investmentfonds? Ist der Fonds das geeignete Instrument?Wir haben in Luxemburg den Accelerator für Klimafinanzierungen mit dem Wissen aufgebaut, dass spezialisierten Fondsinitiatoren Unterstützung brauchen. Der Fondsinitiator ist vorwiegend darauf konzentriert, die Investmentstrategie umzusetzen, und das oftmals vor Ort. Aber mit der Strukturierung dieses Investmentvehikels auf mittlere und auch längere Sicht sind viele weniger vertraut. Aber darüber gewinnt man dann auch neue Investoren. Viele neue Fondsinitiatoren haben geniale Ideen für Projekte und wo sie investieren wollen und auch können, aber sie brauchen Unterstützung bei der Strukturierung eines Fonds.- Was gehört dazu?Dazu gehören Rechtsberatung, das Financial Modeling, Reporting über nachhaltige Indikatoren, Bewertungsfragen et cetera.- Green und Sustainable Finance konzentriert sich heute auf institutionelle Investoren. Der nächste große Entwicklungsschritt ist in Richtung Retailanleger. Welche Probleme halten den Markt derzeit noch von diesem nächsten Schritt ab?Ich möchte hier zwischen Impact-Projekten und Mainstream Geschäfte differenzieren. Bei den Impact-Projekten haben die erzielten Sozial- oder Umwelteinflüsse mindestens das gleiche Gewicht wie die erzielten finanziellen Erträge. Es sind spezifische Projekte in diesem alternativen Marktsegment, die nur institutionellen und professionellen Investoren angeboten werden können. Viele solche Fonds sind eher Private-Equity-Fonds und unterliegen der Alternative Investments Fund Manager Directive. Das heißt aber nicht, dass andere Finanzprodukte, die den Retailinvestoren zugänglich sind, insbesondere Ucits, nicht nachhaltig sein können. Es können ESG-Kriterien im Investmentprozess bei allen Assetklassen Einzug halten. Vorhandene Investmentmöglichkeiten werden nach ESG-Kriterien gefiltert, das heißt Kriterien, die eine Bewertung der Aspekte Umwelt, Soziales und Unternehmensführung eines Investments vornehmen. Die entsprechende geplante EU-Regulierung für Sustainable Finance wird diese Aspekte stärker betonen und darüber hinaus klarstellen, wie die Transparenz für die Investoren in diesem Bereich ausgestaltet sein sollte.- Welche Rolle spielen Public Private Partnerships in der weiteren Entwicklung des Green-und-Sustainable-Finance-Marktes in der Zukunft?Das ist für mich der entscheidende Faktor für die weitere Marktentwicklung. Der Pariser Klimagipfel und die UN-Nachhaltigkeitsziele zeigen klar, dass Green und Sustainable Finance nicht nur eine Angelegenheit auf Regierungsebene ist, sondern die Einbeziehung der privaten Akteure erfordert. Alle Akteure des Finanz- und Unternehmenssektors müssen sich mit diesen Angelegenheiten und den damit verbundenen Problemen auseinandersetzen und müssen diese ESG-Kriterien in ihren Geschäftsprozessen integrieren. Luxemburg hat dies mit der erwähnten Climate Task Force in die Wege geleitet. Darüber hinaus gibt es in Luxemburg schon eine mehrjährige Erfahrung damit – auch im Investmentfondsbereich. Denn die ersten Fonds, die Public Private Partnerships integriert haben, waren in Luxemburg die Mikrofinanzfonds. Hier wurden auf unterschiedlichen Ebenen die Interaktionen von öffentlichen und privaten Investoren im Fonds klar definiert.- Was heißt das konkret?Die öffentlichen Investoren sind bereit, mehr Risiko zu übernehmen und weniger Ertrag einzufordern, damit das gesamte Produkt attraktiver für die privaten Investoren wird. Den öffentlichen Playern kommt also die Rolle des Katalysators in diesen Investmentstrukturen zu. Das funktioniert recht gut.- Manche denken, dass man nicht alles zusammen haben kann: nachhaltiges Investing und akzeptable Erträge. Ist das richtig?Nein, ich denke nicht, dass das richtig ist. Studien belegen, dass es eben nicht diese Dekorrelation zwischen nachhaltigen Investments und klassischen finanziellen Investments hinsichtlich der Erträge gibt. Aber es ist eben immer noch dieses Etikett, das dem Green-und-Sustainable-Markt umgehängt wird.—-Das Interview führte Kai Johannsen.