GASTBEITRAG

EM-Anleihen: Anleger zwischen Hoffen und Bangen

Börsen-Zeitung, 10.6.2020 Die Krise traf die Schwellenländer (Emerging Markets, EM) unterschiedlich hart: Auf dem Anleihenmarkt litten die Erdöl exportierenden Nationen am schlimmsten, andere sind angezählt: 30 bis 40 Bonitätsherabstufungen gab es...

EM-Anleihen: Anleger zwischen Hoffen und Bangen

Die Krise traf die Schwellenländer (Emerging Markets, EM) unterschiedlich hart: Auf dem Anleihenmarkt litten die Erdöl exportierenden Nationen am schlimmsten, andere sind angezählt: 30 bis 40 Bonitätsherabstufungen gab es bisher bereits.Allein im April wurden Ecuador, die Bahamas, Nigeria, Südafrika und Argentinien herabgestuft. Meist trifft es Länder, die bereits im High-Yield-Segment gehandelt werden. Das erhöhte Risiko wurde von den Märkten zwar recht schnell eingepreist, nun erwarten die Anleger aber noch mehr Ausfälle.Dennoch gab es bereits auch wieder Einstiegsmöglichkeiten, denn obwohl die Schwellenmärkte aktuell weniger stark von der Pandemie betroffen sind als Industrieländer, haben sie sich bisher weniger wieder erholt. Das wird deutlich am Beispiel von Ecuador: Die Anleihen in Dollar, der offiziellen Währung des Landes, werden auf Rekordtiefs gehandelt. Eine Umschuldung ist demnach bereits eingepreist. Doch selbst wenn es dazu kommt, werden die Ergebnisse wohl besser sein, als es die Markterwartung heute widerspiegelt. Hartwährung interessantChancen gibt es auch bei Dollar-Emissionen mit Investment-Grade-Rating. Länder wie Panama, Indonesien und Katar haben schon wieder Papiere mit attraktiven Bewertungen herausgegeben, und ihre Emissionen waren stark überzeichnet.Um eine gewisse Atempause zu bekommen, tauschten zahlreiche Länder in den letzten Jahren ihre kurzfristigen Hartwährungsbonds in Langläufer. So sind aktuell Anleihen in Hartwährung interessant, da sie attraktivere Renditen bringen.Eine Reihe von Anleihen in Landeswährungen litten in letzter Zeit unter den niedrigeren Wechselkursen. Der mexikanische Peso etwa verlor 20 % gegenüber dem Dollar. Allerdings gingen nicht alle Lokalwährungen so dramatisch zurück. Andere lateinamerikanische Länder sind verhalten positiv zu betrachten: Peru beispielsweise ist relativ gering verschuldet. In Brasilien sorgen die wieder aufgeflammten politischen Spannungen für Herausforderungen, aber bisher wird der Markt gestützt durch die große Basis inländischer Investoren, die Staatsanleihen kaufen. Hier könnte es nach einer Abwertung bessere Gelegenheiten für Anleger geben. Mexiko hingegen muss sich auf weitere Abwertungen einstellen, aber diese wurden wahrscheinlich bereits vom Markt berücksichtigt.Volkswirtschaften, die ihre Währungen durch Zentralbankinterventionen gestützt haben, wie Nigeria, die Türkei und Ägypten, könnten vor großen Herausforderungen stehen. Die öffentlichen Finanzen dieser Länder leiden stark unter dem Rückgang des Ölpreises und dem Zusammenbruch des Tourismus.Was Nigeria betrifft, so wurden die Auswirkungen des Ölpreisverfalls bisher nicht in der Landeswährung Naira eingepreist. Das Gleiche gilt für das ägyptische Pfund und für die türkische Lira. Dass sowohl die Türkei als auch Ägypten trotz der Verschlechterung ihrer Finanzlage bisher eine Herabstufung durch Ratingagenturen vermeiden konnten, ist bemerkenswert. Dennoch sollte man Anlagen in Landeswährung bei allen drei Ländern selektiv prüfen. Unterstützung durch IWFRegierungen und Zentralbanken auf der ganzen Welt haben mit Lockerungen der Geldpolitik auf die Pandemie reagiert. Es gab einige bedeutende Zinssenkungen, wie etwa in Brasilien und Südafrika, dazu Kaufprogramme der Fed und der EZB. Die Effekte dieser Maßnahmen halten sich aber in Grenzen. Die US-Geldpolitik wirkt eher indirekt, durch die Ausweitung der Bilanz der Fed. So können Anleger, die ihre US-Unternehmensanleihen an die Zentralbank verkaufen, in vergleichbare Papiere von Unternehmen aus Schwellenländern investieren, die höhere Renditen bringen.Die guten Nachrichten kommen vom Internationalen Währungsfonds IWF: Dazu zählt die Aussicht auf Bereitstellung notwendiger Liquidität in den nächsten drei bis sechs Monaten insbesondere für die Frontier-Märkte. 100 Mrd. Dollar kurzfristige Finanzmittel wurden bereits angekündigt. Hinzu kommt die Prognose für die Rückkehr zu einem normaleren Wachstumsumfeld im Jahr 2021. Das Wachstum soll bereits im dritten Quartal 2020 wieder anziehen. Schließlich die Ankündigung der Aussetzung aller Zahlungen der bilateralen Schulden für eine Reihe von Frontier-Ländern in Höhe von 18 bis 19 Mrd. Dollar durch die G20- Staaten.Sollten die Unsicherheiten durch Covid-19 auch im dritten Quartal dieses Jahres anhalten, könnte das für eine Reihe von Ländern neue Finanzierungslücken bedeuten. Die Statistiken stützen allerdings die Wachstumsprognosen des IWF für einen Aufwärtstrend 2021: Historisch betrachtet war der J.P. Morgan EM Hard Currency Sovereign Index EMBI seit 1994 noch nie über zwei aufeinanderfolgende Jahre negativ. Positive PerspektivenDie aktuellen Aufschläge könnten das Ausfallrisiko also mittelfristig mehr als kompensieren. Wenn sich das Marktumfeld wieder normalisiert, werden sich die Renditen einiger Schwellenländeranleihen voraussichtlich schon in absehbarer Zeit wieder gut entwickeln. Claudia Calich, Leiterin Emerging Markets Debt bei M&G Investments