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EM-Bonds haben gute Langfristperspektiven

Von Janis Hübner *) Börsen-Zeitung, 5.2.2015 Die globalen Anleihemärkte hatten überwiegend einen gelungenen Start ins neue Jahr. Großen Anteil daran hatte die Europäische Zentralbank, die mit dem Volumen ihres angekündigten Anleiheankaufprogramms...

EM-Bonds haben gute Langfristperspektiven

Von Janis Hübner *)Die globalen Anleihemärkte hatten überwiegend einen gelungenen Start ins neue Jahr. Großen Anteil daran hatte die Europäische Zentralbank, die mit dem Volumen ihres angekündigten Anleiheankaufprogramms die Markterwartungen übertraf und im Euroraum für steigende Bondkurse sorgte. US-Dollar-Anleihen profitierten von ausländischen Kapitalzuflüssen. Zudem haben die Investoren den erwarteten Zeitpunkt für die erste Zinsanhebung der Fed zunächst nach hinten verschoben.Von den positiven Impulsen war am Markt für auf US-Dollar lautende Emerging-Markets-Anleihen (EM-Anleihen) jedoch wenig zu spüren. Der EMBIG-Spread (gemessen über den US-Staatsanleihen) weitete sich seit Jahresbeginn von 404 Basispunkten (BP) auf 434 BP aus. Seit Mitte 2009, also seit dem Abflauen der akuten Krisenangst nach dem Lehman-Kollaps, bewegte sich der Spread immer nur für kurze Zeit über der Marke von 400 BP. Der Markt ist angeschlagen.Ein wichtiger Belastungsfaktor war die Entwicklung der zwei Indexschwergewichte Venezuela und Russland. Der Spread für Venezuela-Anleihen weitete sich seit Anfang Januar um rund 500 BP auf knapp 3 000 BP aus. Der Spread für staatliche und quasistaatliche Dollar-Anleihen Russlands weitete sich immerhin um mehr als 80 BP auf über 650 BP aus. Hinzu kam die Verschärfung der Krise in der Ukraine, die mit einem Marktgewicht von gut einem Prozent zwar ein kleiner Emittent ist, doch bei einer Spreadausweitung von über 650 BP ist auch hier ein Markteinfluss messbar. Das Land hat bereits erste Vorbereitungen für die Umstrukturierung seiner Staatsschulden getroffen. Ölpreisrückgang belastetSo kann man zwar einen großen Teil der Marktentwicklung auf diese drei Länder und den Ölpreis zurückführen. Doch handelt es sich keineswegs um isolierte Sonderfälle. Venezuela und Russland leiden massiv unter dem Verfall der Ölpreise. In beiden Ländern wurde die Entwicklung einer international wettbewerbsfähigen Industrie über Jahre versäumt. Doch dies ist ein weit verbreitetes Problem in rohstoffreichen Ländern. So sind auch die Risikoprämien für Nigeria, Ecuador, den Irak und Kasachstan deutlich gestiegen.Dies ist kein genereller Vorbehalt gegenüber EM-Anleihen, sondern ein Hinweis auf die unterschiedlichen Entwicklungen in diesem Segment und die Bedeutung der aktiven Auswahl. Enttäuscht wurde nämlich die Hoffnung auf überall dauerhaft sehr hohe Wirtschaftswachstumsraten. Hier wird zwar immer wieder die Abschwächung Chinas angeführt, doch tatsächlich hält sich China im globalen Vergleich mit Raten von um die 7 % noch immer sehr gut. Asien (ohne Japan) ist im vergangenen Jahr um 6 % gewachsen und bleibt damit der Motor der Weltwirtschaft. Unsicherer ZinsausblickAuf der einen Seite deuten die Niveaus der Risikoaufschläge bei Hartwährungsanleihen darauf hin, dass es Sorgen um die Solidität der Emittenten gibt. Auf der anderen Seite sind Neuemissionen deutlich überzeichnet, und ihre Begebung ist auch mit sehr langen Laufzeiten möglich. Die Investoren gehen bei der Auswahl von Emittenten offenbar selektiv vor, anstatt in den Gesamtmarkt zu investieren. Angesichts der sich abzeichnenden Leitzinswende in den USA dürften Investoren mit Anlagen in Emerging Markets in den kommenden Monaten zurückhaltend sein. Dies spricht auch dafür, dass EM-Währungen gegenüber dem Dollar zunächst noch unter Druck bleiben. Allerdings sollte im Laufe des Jahres deutlicher werden, dass gegenwärtig gehandelte Negativszenarien, vor allem die Gefahr einer verbreiteten Deflation, unwahrscheinlich sind. Dies würde für eine gewisse Entlastung sorgen.Im Frühjahr 2013 hatten Hinweise auf eine weniger expansive Geldpolitik der Fed den Markt für EM-Anleihen in Aufruhr versetzt. Wenn nun in diesem Jahr erstmals seit 2006 die US-Zinsen steigen, könnte dies erneut zu Marktverwerfungen führen. Das Ausmaß der Kursverluste wird jedoch stark davon abhängen, wie die Währungshüter die Zinswende verbal begleiten. Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Märkte die Entschlossenheit der Fed unterschätzen, künftigen Inflationsgefahren vorzubeugen, aber auch die begründete Aussicht darauf, dass die Emerging Markets einen Zinsschock am Ende überstehen werden. Höhere VolatilitätTrotz der gegenwärtig gedrückten Marktstimmung gibt es Zeichen für eine gestiegene Stabilität der Emerging-Markets-Welt. Seit den massiven Kursverlusten im Frühsommer 2013 verlief die Entwicklung von Emerging-Markets-Renten zwar deutlich volatiler als in den Jahren zuvor. Doch hat dieser unerwünschte “Stresstest” auch gezeigt, dass die Fähigkeit der Emerging Markets, Turbulenzen zu widerstehen, recht hoch ist. Fallende Kurse und Kapitalabflüsse führen in den meisten Ländern nicht mehr zu schweren Wirtschaftskrisen. Unsere grundsätzlich positive Einschätzung der langfristigen Aussichten für Emerging-Markets-Anlagen stützt sich im Wesentlichen auf drei Annahmen: 1) Die Länder weisen im Trend ein hohes Wirtschaftswachstum auf. 2) Die Notenbanken verhindern die Rückkehr zur Hochinflation. 3) Eine konservative Fiskalpolitik verhindert Schuldenkrisen.Diese Annahmen sind selbstverständlich nicht für alle Staaten im gleichen Maße erfüllt. Aus Sicht vieler Investoren ist die Schwankungsanfälligkeit von Emerging-Markets-Anlagen ein Nachteil. Doch dürfte dies auch in Zukunft mit überdurchschnittlichen Erträgen entlohnt werden, wenn der Anlagehorizont ausreichend lang ist. Sollte es als Folge der US-amerikanischen Geldpolitik bei Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen zu einer kräftigen Spread-Ausweitung kommen, würden wir das als Einstiegssignal betrachten. Denn die turbulenten Marktphasen der vergangenen zwei Jahre hatten jeweils nur sehr begrenzte Auswirkungen auf Realwirtschaft, Staatsfinanzen und Bankensystemstabilität. Negativer RatingtrendDie makroökonomische Stabilität der meisten Staaten steht dabei auf den ersten Blick im Widerspruch zum gegenwärtig negativen Ratingtrend im Emerging-Markets-Universum. Die stark angestiegenen wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken haben Russland den Investment-Grade-Status gekostet: Die Ratingagentur S & P hat das Land Ende Januar in den spekulativen Bereich eingestuft. Auch andere EM-Schwergewichte wie Brasilien, Venezuela und Südafrika wurden zuletzt heruntergestuft.Doch Ratingagenturen verlangen langfristig positive Reform- und Wachstumsperspektiven, die viele Staaten heute nicht bieten können. Dennoch gelingt es ihnen überwiegend, durch eine konservative Haushaltspolitik, zunehmende Finanzierung des Staates in eigener Währung und flexible Wechselkurse die Anfälligkeit für externe Schocks beherrschbar zu halten.—-*) Janis Hübner ist Volkswirt im Bereich Makro-Research der DekaBank.