Emerging-Markets-Bonds gelten als attraktiv

Anleihen in lokaler Währung bieten sehr hohe Aufschläge - Capital Group sieht Chancen in Argentinien

Emerging-Markets-Bonds gelten als attraktiv

kjo Frankfurt – Seit den US-Präsidentschaftswahlen schätzen Investoren Emerging-Market-Anleihen nicht mehr so rosig ein. Die protektionistischen Wahlversprechen des US-Präsidenten Donald Trump und die wachsende weltpolitische Unsicherheit lassen viele Investoren höhere Risikoprämien für Emerging-Market-Anlagen verlangen. So lautet die Einschätzung von Eric Delomier, Investmentexperte bei der Capital Group. Hinzu komme der stärkere US-Dollar aufgrund der von der neuen Regierung geplanten prozyklischen Fiskalpolitik. Starke Erholung2016 hatten sich Emerging-Market-Titel zunächst stark erholt – bis zu den US-Wahlen. Nach Jahren enttäuschender Erträge hätten vor allem vier Faktoren zu einer Erholung geführt: die Stabilisierung der Rohstoffpreise, die schwächere Dollaraufwertung, die extrem niedrigen Renditen in den Industrieländern und schließlich die Wirtschaftsreformen in den Schwellenländern. Nach der ausgeprägten Korrektur 2014/2015 seien die Rohstoffpreise im Februar 2016 auf ihren Tiefststand gefallen. Die anschließende Erholung hielt auch nach den US-Wahlen an, da höhere Wachstumserwartungen die Nachfrage steigen ließen. “Außerdem hatten viele Förderer ihre Investitionen stark gekürzt, da zahlreiche Explorationsobjekte bei den niedrigeren Preisen unwirtschaftlich geworden waren. “Der allmähliche Angebotsrückgang wurde Ende November durch die Entscheidung der Opec verstärkt, weniger Öl zu fördern”, so Delomier. Wenn sich das US-Wirtschaftswachstum dank Donald Trumps expansiver Fiskalpolitik wie erwartet beschleunige, dürfte dies die Rohstoffpreise steigen lassen – zumal das Angebot abnehme. Zu den Schwellenländern würden sowohl Rohstoffimporteure wie die Türkei und Indien als auch Exporteure wie Brasilien und Russland zählen. Insgesamt seien höhere Rohstoffpreise für Emerging-Market-Anleihen aber günstig. Es sei kein Zufall, dass die Rohstoffpreise ab Februar 2016 wieder gestiegen seien, als die Dollaraufwertung gerade nachgelassen habe. “Wenn der US-Dollar aufwertet, gehen die Preise dollardenominierter Rohstoffe meist zurück. Umso ungewöhnlicher war der Rohstoffpreisanstieg, als der Dollar nach den Wahlen an Wert gewann”, sagt er. Heute erscheine der US-Dollar nicht mehr günstig bewertet. Zwar könnte er weiter an Wert zulegen, doch dürften Tempo und Ausmaß der Aufwertung kaum mit den Jahren 2014 und 2015 Schritt halten.Eine langsamere Aufwertung oder gar eine Abwertung wäre für Emerging-Market-Titel sehr gut. Hinzu komme, dass die meisten Marktteilnehmer zurzeit Dollar-Optimisten seien. Dies könnte ein Kontraindikator sein, so dass eine Abwertung möglich erscheine. “Nach unserem langfristigen Wechselkursmodell sind die Emerging-Market-Währungen insgesamt unterbewertet. Auch wenn wir vorsichtig bleiben, scheinen uns viele Währungen attraktiv. Ein Risiko, das wir genau im Blick behalten, ist China”, sagt Delomier. Die chinesische Führung brauche einen schwächeren Renminbi, damit die inländischen Finanzbedingungen lockerer werden. Dieses Ziel stehe aber im Gegensatz zur Rhetorik der neuen US-Administration. Noch wichtiger für Emerging-Market-Investoren sei, dass eine Renminbi-Abwertung einen gewissen Abwärtsdruck auf andere Emerging-Market-Währungen auslösen könne. Gebremster OptimismusDer Anstieg der US-Staatsanleihenrenditen nach der Wahl von Donald Trump habe den Optimismus der Investoren für die Emerging Markets gebremst. Für den Vergleich von Anleihen in unterschiedlichen Währungen und aus unterschiedlichen Ländern seien aber die Realrenditen das bessere Maß, also die Differenzen aus Nominalrenditen und Inflation. Zwar seien sie nach den US-Wahlen gestiegen, doch habe dies zu einem großen Teil an höheren Inflationserwartungen gelegen. Die Realrendite amerikanischer Inflationsanleihen habe Ende Dezember nur durchschnittlich 0,6 % betragen. Noch schlimmer sei es in Japan, Großbritannien und Deutschland, wo eine extrem expansive Geldpolitik in Verbindung mit steigenden Inflationserwartungen die Realrenditen noch immer deutlich unter null halte. In diesem Umfeld würden Emerging-Market-Anleihen in lokaler Währung noch immer einen sehr hohen Realrenditeaufschlag gegenüber Industrieländertiteln bieten. Hinzu komme, dass die Inflation in vielen Schwellenländern anders als in den Industrieländern noch immer recht stabil sei und bisweilen sogar falle. “Die hohen Realrenditen in Verbindung mit stabiler Inflation sorgen also für attraktive Lokalwährungsrenditen – und das zu einer Zeit, in der die Realrenditen in vielen Industrieländern noch immer negativ sind”, sagt Delomier. Im vergangenen Jahrzehnt sei die Wirtschaftspolitik vieler Schwellenländer wenig nachhaltig gewesen, worunter deren Wettbewerbsfähigkeit gelitten habe.Zuletzt sei die Politik aber zu Strukturreformen bereit gewesen. Das gehe in die richtige Richtung. “Aber natürlich braucht das Zeit, und nicht alle Länder machen gleich große Fortschritte. In diesem heterogenen Umfeld sind wir bei unserer Länder- und Einzelwertauswahl sehr selektiv. Interessante Chancen sehen wir beispielsweise in Argentinien. Nach über zehn Jahren schlechter Wirtschaftspolitik unter den diversen Kirchner-Regierungen setzt der neue Präsident jetzt auf eine orthodoxere Konjunkturpolitik. Brasilien mag noch nicht ganz so weit sein, aber die Politik von Präsident Michel Temer ist zweifellos ein großer Fortschritt gegenüber dem, was seine Vorgängerin Dilma Rousseff getan hat”, so die Einschätzung des Experten.