IM INTERVIEW: MARCUS GUDDAT UND JÖRG SAUTTER, CITIGROUP

"Emittenten wollen nicht mehr warten"

Gute Stimmung an Europas Primärmarkt - Spreads engen sich ein - Nachrangpapiere im Fokus

"Emittenten wollen nicht mehr warten"

Die Stimmung im europäischen Primärmarkt ist sehr gut, die Spreads engen sich ein. Nach Einschätzung von Marcus Guddat, der bei der Citigroup die Emissionen von Bonds aus den Reihen der Financials in Deutschland und Österreich verantwortet, und seinem Kollegen Jörg Sautter, der im Emissionsbereich deutscher, österreichischer und Schweizer Corporates tätig ist, hat der aufgeschobene Fed-Exit dazu beigetragen. Beide Experten rechnen mit einer anhaltend guten Stimmung.- Herr Sautter, Herr Guddat, wie ist derzeit die Stimmung am europäischen Primärmarkt für Corporates und Financials?Sautter: Bei den Unternehmensanleihen ist sie extrem gut. Der Markt ist sehr aufnahmefähig, und wir sehen hohe Emissionsvolumina. Die Entscheidung der Fed, das Tapering noch nicht einzuleiten, hat den Risikoappetit wieder erhöht. Vor der entscheidenden Fed-Sitzung haben Fonds leichte Abflüsse verzeichnet. Dies hat sich umgekehrt. Wir sehen wieder stärkere Zuflüsse. Es gibt in Relation zu den Neuemissionsvolumina einen deutlichen Nachfrageüberhang. Die Spreads engen sich demzufolge ein.Guddat: Bei den europäischen Financials war die Stimmung schon vor der Fed-Sitzung gut, jetzt ist sie noch besser. Die Segmente für Tier I, Tier II und auch Covered Bonds kommen so richtig in Schwung. Wir sehen hier eine sehr gute Aufnahmebereitschaft des Marktes. Aufgrund der guten Entwicklung haben bislang einige Emittenten mit Auftritten aber noch abgewartet, denn sie haben festgestellt, dass sich das Warten lohnt, da sich die Spreads einengen, das heißt die Konditionen sich verbessern. Wir gehen allerdings von einer weiterhin soliden Angebotssituation am Markt aus.- Welche Auswirkungen zeigt die Entscheidung der Fed, erst später aus der ultralaxen Geldpolitik auszusteigen, noch auf die Primärmärkte in Europa?Sautter: Viele Unternehmen wurden schlichtweg auf dem falschen Fuß erwischt. Einige Adressen haben zum Teil sehr große Emissionen vorgezogen, um die Deals noch vor der entscheidenden Fed-Sitzung in trockenen Tüchern zu haben, wie beispielsweise Verizon mit dem Rekord-Deal von 49 Mrd. Dollar. Momentan haben die meisten Corporates einen überschaubaren Finanzierungsbedarf und agieren wieder sehr viel opportunistischer.Guddat: Emittenten, die in den vergangenen Monaten Zurückhaltung gezeigt haben, wollen jetzt nicht mehr warten. Und es gibt auch ehrlich gesagt nicht mehr viele Gründe, noch weiter zurückhaltend zu sein. Fakt ist, das Tapering kommt. Bleibt nur die Frage, wann.- Ab wann rechnen Sie denn mit einem Ausstieg der Fed?Sautter: Wir gehen im Verlauf des kommenden Jahres von einem Beginn des Tapering aus.- Wo erwarten Sie denn die zehnjährige Bundesanleihe per Ende dieses Jahres und per Mitte 2014?Sautter: Wir geben keine Punktprognose ab, sehen den Markt aber erstmal bei seitwärts bis sogar etwas tiefer tendierenden Renditen im Bundbereich.- Erwarten Sie, dass sich mit dem Fed-Ausstieg die Refinanzierungssituation für Corporates und Financials spürbar verschlechtern wird?Sautter: Das sehen wir momentan nicht. Wir erwarten keine maßgebliche Verschlechterung. Die Bedingungen am Markt sind weiterhin sehr gut, so dass sich die Spreads weiter einengen können. Die Spread-Einengung der vergangenen Monate war stark geprägt vom synthetischen Markt – viele Anleger setzen jetzt wieder vermehrt auf Cash-Produkte. Dies wird den Trend engerer Spreads unterstützen. Wir erwarten den iBoxx Euro Corporate Index zum Jahresende bei 100 Basispunkten.- Banken setzen in jüngster Zeit mehr auf Nachrang-Bonds. Was sind die Gründe dafür?Guddat: Es gibt einen hohen Bedarf an Nachrang-Bonds, so zum Beispiel bei Lower Tier II. Allein im September wurden Lower-Tier-II-Bonds im Umfang von 6 Mrd. Euro an den Markt gebracht. Die Commerzbank nahm beispielsweise 1 Mrd. Dollar über einen Lower-Tier-II-Bond auf. Er zeigte eine gute Performance, denn er kam zu einer Rendite von um die 8,125 % und liegt aktuell bei rund 7,7 %. Auch bei den Landesbanken sehen wir einen entsprechenden Bedarf für Lower-Tier-II-Bonds. Zu konstatieren ist aber auch, dass diese Bonds teilweise über Private Placements kommen und nicht über den Kapitalmarkt. Wir schätzen hier das Volumen auf ca. 2 Mrd. Euro, emittiert in den vergangenen 3 bis 4 Monaten. Interesse daran haben zum Beispiel die deutschen Versicherungen, die diese Papiere als Schuldscheindarlehen kauften. Denn bei steigenden Zinsen ergibt sich bei dieser Produktform kein Abschreibungsbedarf. Die Spreads liegen hier 200 bis 250 BP über Swaps, also bei einer Rendite von 4 % und darüber, was für Anleger wie Versicherungen sehr interessant ist. Landesbanken haben aber auch große Millionenbeträge dieser Anleihen bei Retailkunden platziert.- Erwarten Sie, dass dieser Trend in dieser Form anhalten wird?Guddat: Nein, bei den deutschen Banken in dieser Form sicher nicht, denn ein großer Bedarf an diesen Bonds ist bereits gedeckt.Sautter: Bei den Corporates erwarte ich, dass der Trend, nachrangige Hybridanleihen zu begeben, weiter anhalten wird. Schließlich handelt es sich dabei um sehr flexible und momentan sehr kosteneffiziente Instrumente, um bestimmte Ziele zu erreichen. Mit der 2 Mrd. Euro Hybridanleihe von Volkswagen hat erstmals ein Automobilhersteller dieses Instrument erfolgreich eingesetzt. Andere Unternehmen werden diesem Beispiel folgen.- Welche Angebotssituation leitet sich bei Unternehmen und Financials aus den 2014 anstehenden Fälligkeiten ab?Sautter: Wir gehen davon aus, dass die Unternehmen nicht alle Fälligkeiten refinanzieren, sondern vermehrt tilgen werden. Wenn keine größeren Akquisitionen zu finanzieren sind, könnte wie dieses Jahr das Nettoemissionsvolumen sogar leicht zurückgehen. Die Aufnahmefähigkeit des Marktes für neue Bonds dürfte somit kein Problem sein. Am Markt werden weiterhin gute Assets gesucht. Das kommt den Unternehmen emissionsseitig natürlich entgegen.Guddat: Bei den Banken stellen wir seit einiger Zeit ein Feintuning auf der Verbindlichkeitsseite fest. Die Banken wollen regelmäßiger an den Markt und kleinere Fälligkeiten haben. Sie wollen weg von den großen Fälligkeiten mit den entsprechenden Klumpenrisiken. Es geht also in Richtung einer ausgewogeneren Fälligkeitenstruktur.- Welche Nachfrageentwicklung beziehungsweise Investorenakzeptanz erwarten Sie speziell bei Corporates und Financials aus der Eurozonenperipherie, insbesondere bei Spanien und Italien?Sautter: Hier ist eine rege Aktivität festzustellen. Es werden nicht nur klassische Anleihen gekauft, sondern auch Hybridanleihen wie zum Beispiel von Telefónica und Enel werden vom Markt gut aufgenommen. Wenn sich die Volatilität nicht wieder verstärkt, dann geht das sicherlich in dieser Form weiter. Die Nachfragesituation ist sehr gut und wir gehen davon aus, dass sich die entsprechenden Spreads auch im kommenden Jahr weiter verbessern.—-Das Interview führte Kai Johannsen.