Erdogans Wiederwahl belastet Lira
sts Frankfurt – Mit ihrem Votum für eine weitere Amtszeit und mehr Macht für Präsident Recep Tayyip Erdogan haben die Türken für eine schwächere Währung gestimmt. Nachdem die Lira in einer ersten Reaktion wegen der Aussicht auf klare Verhältnisse noch zugelegt hatte, geriet sie im Handelsverlauf wieder unter Druck. Im späten europäischen Handel mussten für einen Euro mit 5,4928 Lira 0,8 % mehr gezahlt werden, nachdem es zwischenzeitlich nur 5,2827 Lira waren. Der Dollar kostete bis zu 4,7219 Lira. Der Euro verteuerte sich unterdessen um 0,3 % auf 1,1695 Dollar.Allerdings verpufften die Kursgewinne der türkischen Währung in einem Umfeld, in dem Schwellenländerwährungen insgesamt unter Druck standen. Grund dafür ist die Erwartung weiter steigender US-Leitzinsen sowie die Sorge vor einem globalen Handelskrieg. Bloomberg-Daten zufolge fiel der MSCI Emerging Markets Currency Index um 0,5 % und hatte damit den schwächsten Wochenstart seit August 2016. So stand auch der ungarische Forint weiter unter Druck, weil die Geldpolitik als zunehmend “hinter der Kurve” wahrgenommen wird. Mit 326,29 Forint je Euro bewegte sich die ungarische Währung nahe ihrem Jahrestief. Im Fall der türkischen Lira kommt jedoch das Misstrauen gegenüber der Regierung Erdogans hinzu, der die Rechtssicherheit ausgehebelt hat und mit Attacken auf die Unabhängigkeit der Notenbank kürzlich die derzeitige Lira-Schwächephase eingeläutet hatte. Erdogan war am Sonntag offiziellen Angaben zufolge im Amt bestätigt worden, während das von seiner Partei AKP angeführte Bündnis bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung gewann.Zu den Zweifeln der Investoren an Erdogan kommen erhebliche gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte wie das hohe Leistungsbilanzdefizit von zuletzt 6,3 % der Wirtschaftsleistung, welches die Lira anfällig für eine Kapitalflucht macht. “Die Umsetzung eines klaren Maßnahmenkatalogs ist auf jeden Fall eine Voraussetzung für die Stabilisierung der Währung”, betont Ronald Schneider, Leiter des Bereichs Anleihen, CEE & Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management. Zuletzt sei die Budgetpolitik sehr locker gewesen; dazu zähle auch das Kreditvergabeprogramm, das die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte verstärkt hat.”Das Wachstum steht auf tönernen Füßen, da es sehr kreditgetrieben ist, und wird auch auf den Devisenmärkten kritisch gesehen.” Im Zentrum stehe das außenwirtschaftliche Ungleichgewicht. Schneider: “Das anhaltend hohe Leistungsbilanzdefizit, das sich zuletzt auch durch die steigenden Rohstoffpreise erhöht hat, muss zusätzlich zum kurzfristigen Auslandsschuldendienst finanziert werden. Die demgegenüber relativ niedrigen Devisenreserven tragen ebenfalls nicht zum Vertrauen in die Währung bei.” Schneider zufolge wird nun entscheidend ein, “ob sich Erdogan und die AKP zu einem Wirtschaftsprogramm durchringen können, das die makroökonomischen Ungleichgewichte adressiert, wodurch das Wachstum deutlich abgebremst würde”.