EURO-AUFWERTUNG

Es läuft

Schweigen ist nicht gleich Schweigen. Das haben die beiden mächtigsten Notenbankvertreter Janet Yellen (Federal Reserve) und Mario Draghi (Europäische Zentralbank) am vergangenen Freitag eindrucksvoll unterstrichen. Beide schwiegen sich beim...

Es läuft

Schweigen ist nicht gleich Schweigen. Das haben die beiden mächtigsten Notenbankvertreter Janet Yellen (Federal Reserve) und Mario Draghi (Europäische Zentralbank) am vergangenen Freitag eindrucksvoll unterstrichen. Beide schwiegen sich beim Notenbanker-Treffen in Jackson Hole zu ihrer künftigen Geldpolitik aus, doch die Reaktion des Währungsmarktes fiel unterschiedlich aus.Yellens Schweigen belastete den Dollar, es wurde als Zeichen für mögliche Verzögerungen im US-Zinserhöhungszyklus gewertet. Draghis Schweigen hingegen wurde von den Marktakteuren als implizite Zustimmung dafür gewertet, dass die jüngste Aufwertung der Gemeinschaftswährung – sie hat seit Jahresbeginn fast 14 % an Wert zum Dollar gewonnen – vollkommen in Ordnung ist. Das Resultat war am Montag am Markt abzulesen: Der Euro kostete mit 1,1980 Dollar so viel wie zuletzt Anfang 2015. Nun hätte Draghis Schweigen allein wohl nicht genügt, um den Kurs weiter in die Höhe zu treiben. Die Gemeinschaftswährung hat einfach einen Lauf, Devisenanalysten sprechen von Momentum. Im Fußball würde man sagen: Wenn es läuft, dann läuft es.Für das Euro-Momentum gibt es politische und ökonomische Gründe, der Gemeinschaftswährung spielen aber auch interne Schwierigkeiten anderer wichtigen Währungen in die Hände.Weitgehend Konsens ist derzeit am Markt, dass die EZB wohl ihre ultralockere Geldpolitik nicht Knall auf Fall straffen wird, dass der Zenit bei den umstrittenen Anleihekäufen jedoch überschritten ist. Das Risiko einer zerstörerischen Deflation scheint im Euroraum gebannt, ihre Wirtschaft wächst wieder und bewegt sich bei den Zuwachsraten inzwischen auf dem Niveau der Vereinigten Staaten, die ihr Wachstum zudem viel stärker auf Pump erzielen.Außerdem profitiert der Euro von einem gesunkenen systemischen Risiko, sprich einer als geringer eingeschätzten Wahrscheinlichkeit des Auseinanderbrechens der Währungsunion. Wendepunkt der Anlegerstimmung war die Präsidentschaftswahl in Frankreich. Dem Euro kommt auch zugute, dass der Dollar unter dem erratischen Verhalten Präsident Trumps leidet und das Pfund von den deutlich werdenden Brexit-Problemen gezeichnet ist. Und in Japan ist kein Ende der ultralockeren Geldpolitik in Sicht, was den Yen drückt. Das alles kann den Euro noch ein gutes Stück über 1,20 Dollar treiben – bis das Momentum erlischt. Auch dafür wird der Markt dann fundamentale Gründe anführen, sei es Schweigen, sei es Reden.