ESG reduziert Portfolio-Volatilität
Oddo BHF Asset Management (AM) hat ESG-Kriterien in Rentenportfolios implementiert. Denn immer mehr Anleger wollen nicht nur Rendite, sondern mit ihrem Geld auch einen Einfluss erzielen. Portfoliomanager Bastian Gries erläutert, worauf sein ESG-Ansatz basiert und wie er im Assetmanagement der Credits umgesetzt wird. Von Kai Johannsen, FrankfurtImmer mehr institutionelle Investoren richten ihre Portfolios nach Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten aus, besser bekannt unter ESG (Environment, Social, Governance). Experten erwarten, dass ESG in den kommenden Jahren noch eine sehr viel höhere Bedeutung im Assetmanagement bekommen wird, legen doch immer mehr Investoren, darunter auch Privatanleger, Wert darauf, dass mit ihrem Geld nicht nur eine Rendite erzielt wird, sondern auch ein Einfluss erreicht wird, die Gelder also nach ESG-Kriterien angelegt werden.Grüne und nachhaltige Anleihen, ob nun von Staaten, supranationalen Adressen, Förderinstitutionen oder Banken und Unternehmen, sind deshalb sehr gefragt. Der Markt boomt seit einigen Jahren und wird nach Ansicht von Marktakteuren weiter boomen. “Wir haben als familiengeführtes Unternehmen eine langfristige strategische Ausrichtung, die auch den Nachhaltigkeitsaspekt beinhaltet. Unsere französischen Kollegen beschäftigen sich mit Nachhaltigkeit nun schon seit mehr als zehn Jahren”, sagt Bastian Gries, Leiter Unternehmensanleihen bei dem Assetmanager Oddo BHF AM, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Gries weist damit auch auf unterschiedliche Entwicklungsgrade in Europa hin. Während in skandinavischen Ländern, dem Benelux-Raum oder Frankreich das ESG-Thema schon sehr viel ausgereifter ist, hinkt Deutschland immer noch hinterher, auch wenn sich mittlerweile immer mehr Anleger dieses Themas annehmen. Auch High Yield im BlickGries hat ESG in den Credit-Portfolios von Oddo BHF AM implementiert. In einem ESG-Ansatz sieht er auch eine sehr gute Ergänzung zur langfristigen fundamentalen Kreditanalyse, da zusätzliche, nicht finanzielle Risikofaktoren untersucht werden. “Für die Unternehmen wird die entsprechende Ausrichtung ebenfalls zu einem immer wichtigeren Thema, weil sie von Kunden und Investoren zunehmend mit Fragen zu ESG konfrontiert werden”, sagt er.Bei dem Assetmanager Oddo BHF werden laut Gries derzeit 8,5 Mrd. Euro an Assets under Management, nach ESG-Kriterien verwaltet. Davon entfallen 7 Mrd. Euro auf den Aktienbereich und 1,5 Mrd. Euro auf die Rentenseite. Bislang wird im Rentenbereich ESG bei High-Grade angewendet. “Wir wollen die Analyseprozesse aber auch auf den High-Yield-Bereich ausrollen”, sagt Gries. Dort hätte man es aber häufiger mit kleineren Unternehmen zu tun, bei denen die Transparenz meist nicht so gut sei. Das Gleiche gelte für die Small Caps im Aktienbereich. Zwei-Säulen-AnsatzNeben den klassischen Fonds gebe es bei dem Assetmanager aber auch individuelle Lösungen für Kundenportfolios. Hier würden die Kunden Vorgaben hinsichtlich ESG machen, die es dann umzusetzen gilt. Abseits individueller Kundenvorgaben beschreibt Gries seine Vorgehensweise in Sachen ESG als einen Zwei-Säulen-Ansatz. “Basierend auf der ESG-Analyse optimieren wir das Portfolio hin zu einer deutlich verbesserten ESG-Qualität. Die zweite Säule sieht dann den Dialog mit den Unternehmen vor, um kritische Fragen bezüglich der jeweiligen ESG-Ausrichtung zu adressieren und auf einen langfristig positiven Fortschritt diesbezüglich hinzuwirken”, sagt er. In dem angewandten Best-in-Universe-Ansatz würde jedes Unternehmen für sich bewertet werden und dann das ESG-Risikoprofil im Vergleich zum Investmentuniversum gesetzt. Humankapital betrachtetIm Bereich Umwelt achtet Gries etwa auf das Umweltmanagementsystem des Unternehmens, auf die Umweltchancen, aber auch auf die Umweltrisiken. Konkrete Beispiele nennt Gries mit der CO2-Intensität, der Abfallbewirtschaftung, dem ökologischen Mehrwert von Produkten oder umweltbezogenen Übergangsrisiken. Beim Themenkomplex Soziales werden die Regulierung, die Reputation, das Humankapital und etwa das soziale Ökosystem betrachtet. In der Praxis werden dabei Zwischenfälle mit Lieferanten, das Profil des CEO, die personelle Zusammensetzung der Geschäftsführung, Personalfluktuation, Kundenkapital, Markenwert und auch die Qualität der Unternehmenskommunikation näher betrachtet und bewertet.In Sachen Governance, also der Grundsätze der Unternehmensführung, werden die Nachhaltigkeitsstrategie und beispielsweise die Geschäftsethik in der Analyse zugrunde gelegt. Konkrete Beispiele seien die externe Zertifizierung der ESG-Daten, Rechte der Minderheitsaktionäre, die Vergütungspolitik, die Zusammensetzung des Vorstands und Korruptionsrisiken. Internes Modell als BasisDie Methodik bei Oddo BHF AM basiere auf einem intern entwickelten Modell, das insgesamt 42 Kriterien beleuchte. “Unser vorrangiger Blick gilt dabei den jeweils maßgeblichen Kriterien in jedem der drei Themenblöcke ESG”, so Gries. Als Quelle für die ESG-Analyse dienen dem Assetmanager mitunter externe Datenlieferanten wie etwa Sustainalytics. Für jedes analysierte Unternehmen werde im Anschluss jeweils ein Score ermittelt, und zwar aus einer maximalen Punktzahl von 100. Danach wird das Investmentuniversum auf Basis einer ESG-Ratingskala von 1 (schlechtester Wert) bis 5, der Bestnote, eingeteilt. Auf der Basis der ESG-Ratings werde dann auch ein Emittentengewicht für die Portfoliokonstruktion vorgeschlagen. Die Corporate-Portfolios werden in Richtung ESG optimiert. Die Entwicklungsdynamik bei ESG werde ebenfalls gemessen, was Gries als sogenannte ESG-Momentum bezeichnet.Die ESG-Analyse bedeutet in der strikten Umsetzung dann auch Konsequenzen für die Portfoliozusammensetzung. “Selbst bei einem starken konventionellen Rating kann es zum Beispiel bei heftigen negativen Umwelteinflüssen – ausgelöst durch das Unternehmen – zu Ausschlüssen aus dem Portfolio kommen. Das bedeutet dann wiederum den marktschonenden Verkauf der kompletten Position. Ein Unternehmen kann auch positive Kreditkennzahlen haben. Das ESG-Gesamtpaket kann dann aber auch zu einem geringeren Gesamtgewicht führen, als es die Kreditkennzahlen erwarten lassen würden”, ergänzt Gries. Die ESG-Analysen würden in der Regel alle zwölf bis 18 Monate aktualisiert. Aktiv in diversen InitiativenLänderübergreifend sieht Gries bei den Unternehmen keine Unterschiede. “Die Antworten, die man zu einem Thema bekommt, unterscheiden sich nicht auf der Grundlage der Nationalität. Unternehmen, die das Thema ESG seriös verfolgen, liefern in den einzelnen Ländern nicht diametral entgegengesetzte Aussagen”, sagt er. Oddo BHF AM ist seit 2010 Unterzeichnerin der Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen (UN-PRI) und engagiert sich in diversen internationalen Initiativen und Arbeitsgruppen in Frankreich und Deutschland, um einen nachhaltigen Ansatz des Investierens zu fördern. So ist man auch bei Climate Action 100 plus aktiv. Hier haben sich Investoren zusammengeschlossen, die dann auf Unternehmen mit den größten Treibhausgasemissionen zugehen. Des Weiteren ist man auch beim Carbon Disclosure Project aktiv.Marktteilnehmer können ESG-Kriterien und die Ausgestaltung derselben in der Praxis immer noch weitgehend selbst definieren, was vielerorten als ein erhebliches Problem angesehen wird. Denn darunter leidet Einheitlichkeit und somit auch die Nachvollziehbarkeit durch Anleger. “Die Informationsbeschaffung ist für Kunden leider immer noch ein Problem. Die Transparenz bei großen Unternehmen ist in Sachen ESG gut, bei kleineren Unternehmen ist das leider nicht immer der Fall. Auch die fehlende Standardisierung im Bereich Green und Sustainable Finance ist ein Problem”, sagt Gries. Eine einheitliche EU-Taxonomie werde die weitere Entwicklung dann sicherlich begünstigen. Denn das schaffe Transparenz und bringe die notwendige Vereinheitlichung mit sich. Auch Entwicklungen wie das grüne Pfandbriefgesetz in Luxemburg, das in diesem Jahr ins Leben gerufen wurde, begrüßt Gries in diesem Zusammenhang ausdrücklich. “Das geht alles in die richtige Richtung”, sagt er. Frankreich ist schon weiterIn Frankreich ist die Entwicklung ebenfalls schon weiter. Denn dort wurden für Investoren bereits verpflichtende Klimaberichte eingeführt. In der Änderung von Frankreichs Energiewendegesetz wurde beschlossen, dass Investoren jedes Jahr beispielsweise darüber berichten müssen, in welchem Ausmaß sie umwelt- und insbesondere klimabezogene Überlegungen in ihre Investitionspolitik der Portfolios integriert haben. Darüber hinaus müssen sie auch über die Treibhausgasemissionen berichten, die in ihren Investitionen enthalten sind. “So ein regulatorisches Rahmenwerk wird sicher eines Tages auch für Deutschland kommen”, ist sich Gries sicher. “Ich wünsche mir aber ein harmonisiertes Rahmenwerk auf EU-Ebene”, ergänzt er.Ob ESG-Aspekte künftig für Aktien- und Bond-Portfolios als klare Werttreiber angesehen werden können, darüber gehen die Expertenmeinungen derzeit vielerorten immer noch ein wenig auseinander. “Analysen zeigen, dass langfristig durch ESG nicht unbedingt mehr Performance erzielt werden kann. Das Ziel besteht vielmehr darin, die Risiko-Ertrags-Situation des Portfolios weiter zu verbessern. Konkret bedeutet dies auf lange Sicht eine reduzierte Schwankungsbreite des Portfolios, da es weniger schwerwiegende Einzelereignisse durch ein Unternehmen in einem Portfolio geben soll”, sagt Gries. Das übergeordnete Ziel sei also in risikoadjustierten Erträgen zu sehen sowie dem langfristig positiven Einfluss auf die Unternehmen bei der Implementierung von ESG-Kriterien.