ESG schlägt sich gut in der Krise

Pandemie wirft neues Licht auf Nachhaltigkeit - Verzicht auf Energietitel bringt Vorteile

ESG schlägt sich gut in der Krise

Kapitalmarktinstrumente mit grüner oder nachhaltiger Ausrichtung kommen besser durch die Covid-19-Krise. Das zeigen Untersuchungen von Ratingagenturen und Assetmanagern. ESG-Investmentfonds konnten zudem in den vergangenen Monaten gegen den Trend Mittelzuflüsse erzielen.Von Wolf Brandes und Kai Johannsen, FrankfurtDas Thema Sustainability findet an den Märkten immer mehr Beachtung. ESG-Investments (Environment, Social, Governance) erfreuen sich einer regen Beliebtheit. Und in der Krise wird die Nachhaltigkeit in der Portfolioallokation noch stärker betont. “Wir haben festgestellt, dass in entwickelten Volkswirtschaften Unternehmen mit besseren ESG- und Nachhaltigkeitscharakteristiken während der Krise besser abgeschnitten haben. Wir glauben, dass dies ihre bessere Anpassungsfähigkeit widerspiegelt sowie ihr überlegenes Risikomanagement angesichts systemischer Störungen – einschließlich der Lieferkettenrisiken”, sagt Christopher Kaminker, Head of Sustainable Investment Research & Strategy bei Lombard Odier Investment Managers.Green Bonds erweisen sich laut Lombard Odier als defensive und widerstandsfähige Investments. Fast ein Dutzend Emittenten des öffentlichen Sektors hätten Social Bonds ausgegeben, um Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu finanzieren. “Die Pandemie hat auch ein Licht auf die versteckten wirtschaftlichen und gesundheitlichen Kosten der Luftverschmutzung geworfen. Harvard-Forscher haben dies kürzlich direkt mit Covid-19 in Verbindung gebracht. Wir sind überzeugt, dass dadurch auch zukünftig die Aufmerksamkeit auf den dringend notwendigen Übergang zu saubereren Energie- und Mobilitätsformen gelenkt wird, was sich in fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen niederschlagen dürfte”, führt Kaminker aus. Dadurch würden langfristige Wachstumschancen und Wettbewerbsvorteile für entsprechende Unternehmen in unterschiedlichen Sektoren gefördert. Bedeutung steigtDa Investoren angesichts des jüngsten Abverkaufs verschiedener Anlageklassen ihre Portfolios neu gewichten werden, hält der Investmentexperte eine vorausschauende Analyse der Nachhaltigkeitsdynamik für bedeutender als bisher. “Um Relative-Value-Chancen zu finden, müssen wir verstehen, wie Unternehmen für die mit der Nachhaltigkeitsdynamik einhergehenden Chancen und Risiken gerüstet sind.”Von den heftigen Turbulenzen und Wertverlusten seit Ausbruch der Coronakrise sind keine Segmente der Aktienmärkte verschont geblieben, auch nicht Investmentfonds mit ESG-Fokus, heißt es beim Assetmanager Invesco. Obwohl das Mainstreaming von ESG-Strategien bereits weit fortgeschritten sei, werde dies für viele Investoren die erste Krise sein, in der sie in derartige Strategien investiert sind. Manuela von Ditfurth, Senior Portfolio Manager bei Invesco Quantitative Strategies: “Dieses volatile Marktumfeld hat die Investoren vor enorme Herausforderungen gestellt. Unsere Analysen signalisieren aber, dass Investoren, die einen langfristigen strategischen ESG-Ansatz verfolgen, in dieser Krise eher im Vorteil sind.” Obwohl der kurze Beobachtungszeitraum keine endgültigen Schlussfolgerungen zuließe, seien die gemachten Beobachtungen für Anhänger von ESG-Ansätzen ermutigend. ESG bringt Renditevorteil Nach Berechnungen der Ratingagentur Scope konnten aktive nachhaltige Aktienfonds in allen vier Vergleichsgruppen (Welt, Europa, Nordamerika & Schwellenländer) im ersten Quartal 2020 aktive konventionelle Fonds schlagen. Am größten war der Vorteil bei europäischen ESG-Aktienfonds: Diese haben gegenüber konventionellen Fonds 260 Basispunkte weniger verloren. Als Grund dafür hat Scope einen Verzicht auf Energietitel ausgemacht, da Energieaktien die höchsten Kurseinbußen erlitten haben. Aus Sicht von Scope zahlte sich zudem aus, dass ESG-Fonds in nicht-zyklischen Sektoren übergewichtet waren. “Viele Strategien, die sich auf ESG konzentrieren, haben eine ,Quality Growth` Bias. Dass sich diese Strategien in der Krise gut entwickelt haben, hat sich ebenfalls positiv auf die ESG-Strategien ausgewirkt”, sagt Karsten Stroh, Investment Specialist beim J.P.Morgan Asset Management.Die Durchschnitte bei der Performance verdecken jedoch die Unterschiede innerhalb der ESG-Fonds. Der mehr als 2 Mrd. Euro schwere NN Global Sustainable Equity konnte im laufenden Jahr seinen Wert erhalten. Der Fonds ist aber zu rund 70 % in den USA investiert – überwiegend in Technologieaktien wie Amazon und Alphabet. Andere Fonds mit überdurchschnittlicher Rendite betreiben Cash-Management. Der Ökovison Classic hatte zuletzt eine Kassenquote von 15 %.Vollinvestierte Fonds haben in der Krise immer einen Nachteil. “Ein Hauptproblem war auch, dass wir aufgrund des besseren ESG Rating von Unternehmen stärker in Europa und weniger in den USA investiert haben. Gemessen daran war die Entwicklung relativ stabil”, sagt Christian Zimmermann, Manager des Amundi Global Ecology. Seit Fonds büßte im laufenden Jahr rund 10 % ein. “In der Erholung seit Mitte März konnten wir nicht ganz mithalten. Das liegt auch daran, dass US-Technologiewerte wie Apple, Amazon und Facebook gelaufen sind, die bei uns aus verschiedenen Gründen wie Arbeitnehmerrechte und, Datensicherheit ausgeschlossen sind”, ergänzt er.Anders als konventionelle Fonds haben die Investoren bei ESG-Produkt zugekauft. Die Analysefirma Morningstar hat festgestellt, dass in Europa domizilierte nachhaltige Fonds in der Krise Zuflüsse erzielen konnten. Im ersten Quartal 2020 gab es Käufe in Höhe von 30 Mrd. Euro, während für das gesamte europäische Fondsuniversum Abflüsse von 148 Mrd. Euro gemeldet wurden. – Leitartikel Seite 8