KREDITWÜRDIG

ESM sorgt für eine anhaltende Beruhigung

Von Christian Lenk *) Börsen-Zeitung, 27.9.2012 Der Herbst steht vor der Tür und mit ihm stürmische Zeiten. Wohl dem, der bei Wind und Wetter einen schützenden Schirm bei sich trägt. Zumindest für den Euro scheinen sich mit dem Urteil des...

ESM sorgt für eine anhaltende Beruhigung

Von Christian Lenk *)Der Herbst steht vor der Tür und mit ihm stürmische Zeiten. Wohl dem, der bei Wind und Wetter einen schützenden Schirm bei sich trägt. Zumindest für den Euro scheinen sich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September solche Sorgen in Luft aufgelöst zu haben: Der Weg für den dauerhaften Rettungsschirm, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), ist frei. Aber auch vor dieser wegweisenden Entscheidung war der Euro nicht schutzlos den (Natur-)Gewalten der Finanzmärkte ausgeliefert. An dieser Stelle soll daher neben dem ESM auch ein Überblick über dessen Vorgänger verschafft werden, nicht zuletzt, um etwas Licht in den Begriffswirrwarr der verschiedenen Institutionen zu bringen. MaßnahmenkatalogIm Kontext der europäischen Staatsschuldenkrise wird an dieser Stelle also die “Feuerwehr” vorgestellt. Eingebettet ist diese in einen wesentlich weiter reichenden Maßnahmenkatalog, der insbesondere präventiv wirken, also “Brände” verhindern soll. Hierzu zählt insbesondere der Fiskalpakt, der als Schuldenbremse für die Euro-Länder dient und verstärkte Sanktionen im Falle einer Verletzung durch diese Länder vorsieht. Zusätzliche Organe, wie eine europaweite Bankenaufsicht, sollen flankierend wirken, um die Währungsunion wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern.Mit dem Ausbruch der Eurokrise im Jahr 2010 begann sogleich die Ausgestaltung eines Rettungsschirms für den Euroraum, der auf drei Säulen basierte:- Internationaler Währungsfonds (IWF): bis zu 250 Mrd. Euro- Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM): bis zu 60 Mrd. Euro- Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF): bis zu 440 Mrd. Euro .Zusätzlich wurden bilaterale Darlehen der Euro-Staaten und des IWF (insgesamt 73 Mrd. Euro) an Griechenland ausgezahlt. EFSF und EFSM werden in naher Zukunft ihre Tätigkeit stark zurückfahren und keine neuen Programme mehr finanzieren. Ihre Aufgaben übernimmt der längerfristig ausgelegte ESM.Der EFSM ist Bestandteil des Haushalts der Europäischen Union (EU). Im Namen der EU emittiert die Europäische Kommission Anleihen, um damit verschiedene Programme zu finanzieren, die der Unterstützung von Mitgliedstaaten dienen, darunter den EFSM. Dessen Volumen liegt bei bis zu 60 Mrd. Euro, wovon momentan 22,5 Mrd. Euro für Irland und 26 Mrd. Euro für Portugal vorgesehen sind. Die Verschuldung der EU wird durch ihre 27 Mitgliedstaaten garantiert. Dabei besteht auch bei Zahlungsunfähigkeit eines Programmlandes zunächst kein unmittelbares Kreditrisiko, denn hinter der Emittentin steht der Haushalt der EU. Alle EU-Staaten sind gesetzlich verpflichtet, diesen mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um alle Verpflichtungen erfüllen zu können – die EU-Staaten haften gesamtschuldnerisch.Die EFSF wurde im Mai 2010 gegründet. Eigentümer der Zweckgesellschaft sind die 17 Mitgliedstaaten der Eurozone, wobei sich deren Anteile am Kapitalschlüssel der EZB orientieren. Die Euro-Staaten haften anteilig bis zu jeweils vereinbarten Obergrenzen, allerdings nicht gesamtschuldnerisch. Insgesamt belaufen sich die Garantien zugunsten der EFSF auf 726 Mrd. Euro. Um von allen führenden Ratingagenturen mit einer möglichst hohen Bonität eingestuft zu werden, wurde das Kreditvergabevolumen der EFSF auf 440 Mrd. Euro beschränkt. Mit der Zeit wurde der europäische Hilfsfonds schrittweise modifiziert, vor allem, nachdem weitere EWU-Staaten verstärkt in den Fokus der Marktteilnehmer geraten waren. Somit umfasst das Aufgabengebiet der EFSF, das der ESM übernehmen wird, derzeit Darlehen im Rahmen eines umfassenden makroökonomischen Anpassungsprogramms, Interventionen am Primär- und Sekundärmarkt, die Bereitstellung vorbeugender Kreditlinien sowie die Rekapitalisierung von Bankinstituten.Die vor einigen Tagen vorgebrachte Idee, den ESM zu hebeln, ist an sich nichts Neues. Bereits die EFSF wurde mit der Möglichkeit ausgestattet, Anleihen von Programmländern mit einer Kreditausfallversicherung auszustatten.Spätestens zum 30. Juni 2013 wird die EFSF keine neuen Programme mehr finanzieren und ihre Tätigkeit deutlich zurückfahren. Aktuell hat sie Kredite an Portugal, Irland und Griechenland vergeben. Bis zur Rückzahlung der vergebenen Kredite wird sie allerdings weiterbestehen.Mit dem EFSM und der EFSF wurden “Brückeninstitutionen” geschaffen, der Idee nach, um die Lücke bis zur Einrichtung des langfristigen Stabilitätsmechanismus ESM zu schließen. Dieser ist in Aufbau und Funktionsweise eng an die EFSF angelehnt. So verfügt der ESM über das gleiche Instrumentarium an Finanzhilfen wie die EFSF. In einigen Punkten, insbesondere was die Garantiestruktur angeht, sind aber deutliche Unterschiede zu finden. Während die EFSF eine privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft (Société Anonyme) ist, genießt der ESM als Finanzinstitution nach internationalem Recht grundsätzlich einen bevorrechtigten Gläubigerstatus (auch wenn darauf, wie im Falle der Hilfen für spanische Banken, verzichtet werden kann). Der ESM wird zudem über ein Eigenkapital von 80 Mrd. Euro (neben Garantien von 620 Mrd. Euro) verfügen, während die EFSF nur auf Garantien basiert. Somit stehen hinter dem ESM Garantien und Eigenkapital in Höhe von insgesamt 700 Mrd. Euro – durch eine Begrenzung des maximalen Kreditvolumens auf 500 Mrd. wurde auch hier eine Übersicherung zur Ratingverbesserung gewählt. Zeit gewonnenDer dauerhafte Rettungsschirm ESM wird wohl im Oktober seine Arbeit aufnehmen können, wenn die ersten Eigenkapitaltranchen eingezahlt werden. In Kombination mit dem bedingten Anleiheankaufprogramm der EZB ist damit die “Feuerwehr” zur Eskalationsbegrenzung in der Eurozone deutlich gestärkt, auch wenn Risiken fortbestehen. Zum einen sind die Konsequenzen eines möglichen Nein der Karlsruher Richter zu EZB-Anleihekäufen im Hauptsacheverfahren noch nicht absehbar. Zum anderen könnte zukünftig der Fall eintreten, dass der Bundestag bei nochmals steigender Euro-Skepsis Gesuche für ESM-Hilfen ablehnt. Dennoch sollte der Rettungsschirm für eine anhaltende Beruhigung der Bedenken um die Refinanzierung der Peripheriestaaten sorgen – auch einen möglicherweise stürmischen Herbst sollte die Eurozone also halbwegs trockenen Hauptes überstehen.In einer ersten Reaktion haben sich die Marktakteure erleichtert darüber gezeigt, dass die europäische “Brandschutzmauer” nunmehr errichtet ist. So haben sich die Risikoaufschläge für Peripherieanleihen Anfang September signifikant zurückgebildet. Enttäuschende europäische Konjunkturdaten und die anhaltende Unsicherheit, inwieweit Spanien die Hilfen des ESM in Anspruch nimmt, haben allerdings jüngst zu einer erneuten Spread-Ausweitung der Peripherie-Bonds gegenüber Bundesanleihen geführt.—-*) Christian Lenk ist Analyst im Bereich Fixed Income Floor Research der DZ Bank.