ESM wird zum Emittenten von Commercial Paper
Herr Anev Janse, Sie wollen nun Commercial Paper auf der Refinanzierungsseite des ESM einführen. Was ist der Grund dafür?
Der ESM war sowohl bei der langfristigen Finanzierung als auch bei der Emission von Drei- und Sechsmonats-Bills erfolgreich. Unsere längste ausstehende Anleihe ist die EFSF-Anleihe 2056 mit einem Kupon von 2%, die 2017 begeben wurde. Mit dem jüngsten Zinsanstieg sind kurzfristige Finanzierungen für Investoren wieder interessanter geworden. Als Investor ist der ESM seit vielen Jahren auf dem Markt für Commercial Paper sehr aktiv. Jetzt haben wir unser Finanzierungsinstrumentarium um Euro Commercial Paper erweitert. Es ist eine großartige Ergänzung für beide Seiten unserer Bilanz, für die Finanzierungs- und die Investitionsseite.
Welche Vorteile bieten Ihnen CPs aus der Produktperspektive heraus?
Euro Commercial Paper – kurz ECP - sind ein sehr gutes Produkt für den Zugang zu kurzfristiger Liquidität. Es bietet uns ein zusätzliches Instrument, um bei Bedarf die Finanzierung zu erweitern, ohne dass wir uns zu sehr auf ein einziges Finanzierungsinstrument verlassen müssen. In Zeiten eines höheren Liquiditätsbedarfs kann der ESM nicht wie eine Bank gegen Sicherheitenstellung auf EZB-Liquidität zugreifen. Daher können wir kurzfristige Instrumente wie ECP emittieren, die täglich emittiert werden können im Gegensatz zu Bills, die einem Auktionskalender folgen, um zusätzlichen Liquiditätsbedarf zu finanzieren. Für Anleger, die mit einer inversen Zinsstrukturkurve konfrontiert sind, sind ECP attraktiv. Mit ECP lassen sich Renditen erzielen, die über der Verzinsung der EZB für öffentliche Haushalte von aktuell Ester minus 20 Basispunkte liegen.
Gibt es weitere Vorteile des Produkts: Zugang zu bestimmten Anlegergruppen oder eine hohe Liquidität?
Wir haben mit dem Handel von Commercial Paper begonnen, und es haben sich verschiedene Anlegergruppen bei uns gemeldet, von neu gegründeten Geldmarktfonds bis hin zu Zentralbanken. Es ist wichtig, dass wir unseren Anlegern eine vollständige Produktpalette anbieten können, und das ECP-Programm wird Investoren nun mehr Möglichkeiten am kurzen Ende bieten, während das Bill-Programm in den Standardlaufzeiten von drei und sechs Monaten mit einem Zielvolumen von bis zu 1,1 Mrd. Euro aktiv bleibt. Als Vorsitzender des ESM-Investitionsausschusses habe ich die Vorteile von Commercial Paper über viele Jahre bereits kennengelernt. Wir haben einen Teil unseres eingezahlten Kapitals in Commercial Paper investiert. Sie bieten eine höhere Rendite als das Parken von Cash bei Zentralbanken. Als Emittent können wir den Anlegern eine Möglichkeit bieten, ihr Geld kurzfristig in hochsichere und benotete Vermögenswerte zu investieren.
Sie haben es angesprochen: Sie haben auch Bills auf der Refinanzierungsseite. Wie unterscheiden sich diese von CP, und warum verfolgen Sie nun einen zweigleisigen Ansatz?
Wir waren die erste europäische supranationale Emittentin, die Bills begeben hat. Unser Bill-Programm besteht seit über zehn Jahren – das erste Papier wurde 2011 von der EFSF ausgegeben. Das Programm wurde später auf den ESM übertragen, und es ist immer noch erfolgreich. Wir waren in der Lage, es in Zeiten eines erhöhten Liquiditätsbedarfs aufzustocken, wie während der Covid-Krise, als wir das Bill-Programm auf 1,5 Mrd. Euro pro Laufzeit – Drei- und Sechsmonats-Bills – aufgestockt und eine weitere Laufzeit von Zwölfmonats-Bills eingeführt haben. Als unser Liquiditätsbedarf zurückging, haben wir die Zwölfmonatslaufzeit gestoppt und die Drei- und Sechsmonats-Bills auf das derzeitige Zielvolumen von 1,1 Mrd. Euro reduziert. Das ECP bietet mehr Flexibilität am kurzen Ende. Es ermöglicht uns, verschiedene Arten von Liquiditätsbedarf zu decken, wie z.B. für Collateral. Während Bills nach einem festen Auktionsplan emittiert werden, kann die Emission von ECP täglich erfolgen und bietet dem ESM daher mehr Flexibilität. Die Commercial Papers können in Bezug auf Volumen und Laufzeit auf die Anforderungen der Anleger zugeschnitten werden.
Welches Volumen streben Sie auf dem CP-Markt an?
Das Programm kann bis zu 20 Mrd. Euro umfassen. Zurzeit befinden wir uns in einer Pilotphase, in der wir uns als neuer Emittent auf dem Markt etablieren wollen. Wir verwalten die ausstehenden Volumina dynamisch und skalieren sie je nach Liquiditätsbedarf nach oben oder unten, wobei wir gleichzeitig eine gute Präsenz, Zuverlässigkeit und Attraktivität für die Anleger sicherstellen wollen.
In welchen Währungen wollen Sie operieren?
Die rechtliche Dokumentierung lässt eine Vielzahl von Währungen zu, aber wir haben zunächst mit dem Euro begonnen. Als Investor ist der ESM daran gewöhnt, in mehreren Währungen zu operieren. Wir investieren in einen breit gefächerten Pool von Wertpapieren, der von Euro und US-Dollar bis hin zu Yen und kanadischen Dollar reicht. Es ist wichtig anzumerken, dass wir beim ESM kein Währungsrisiko eingehen und immer in Euro swappen.
Wie ist die Refinanzierung von ESM und EFSF in diesem Jahr angelaufen, und wo stehen Sie?
Für 2024 haben wir ein Finanzierungsprogramm von 26 Mrd. Euro. Davon entfallen 20 Mrd. Euro auf die EFSF und 6 Mrd. Euro auf den ESM. Bislang haben wir 15 Mrd. Euro für die EFSF und 2 Mrd. Euro für den ESM realisiert und damit bereits mehr als 65% der Gesamtfinanzierung für dieses Jahr abgeschlossen. Interessant ist, dass wir eine hohe Beteiligung asiatischer Investoren sowie von Zentralbanken und Staatsfonds verzeichnen konnten. Das zeigt, dass das Vertrauen in Europa weltweit groß ist.
Wie sind die Finanzierungsaussichten für die zweite Jahreshälfte? Mit welchen Herausforderungen rechnen Sie?
Wir haben noch 5 Mrd. Euro für die EFSF und 4 Mrd. Euro für den ESM an Kapitalbedarf zu finanzieren. Wir haben unsere Emissionen in diesem Jahr bis zu einem gewissen Grad vorgezogen und ähnlich wie unsere Wettbewerber gehandelt. Die zweite Jahreshälfte bleibt für die Finanzmärkte unsicher. Die Wahlen in den USA, der geldpolitische Kurs, das Tempo desselben und die Richtung der Zinssätze müssen abgewartet werden. Geopolitische Herausforderungen stehen weiterhin ganz oben auf der Risikoagenda der Märkte.
Sie veranstalten Anfang Juni wieder ein gemeinsames Investorenseminar mit der EU und der EIB. Warum veranstalten Sie ein gemeinsames Seminar, was ist der Mehrwert für Anleger und Emittenten?
Seit sechs Jahren machen wir das nun schon. Die Veranstaltung erfreut sich zunehmender Beliebtheit und wird von Anlegern aus der ganzen Welt besucht. Wenn sie wissen wollen, was in Europa passiert, sind sie hier genau richtig. Die diesjährige Veranstaltung findet genau zum richtigen Zeitpunkt statt, nämlich kurz vor den Europawahlen. Die Anleger werden also ein gutes Gefühl dafür bekommen, was die wichtigsten Themen vor und nach den Wahlen sind. Mit dieser gemeinsamen Veranstaltung können sich die drei in Luxemburg stationierten Refinanzierungs-Teams als #EuropeUnited und Investment für europäische sichere Anlagen präsentieren. Im März 2024 haben wir zum ersten Mal die Marke von 1 Bill. Euro an sicheren Anlagen der EU, der EIB, des ESM und der EFSF überschritten. Das sind Anleihen, die die Sicherheit der EU oder der Länder des Euroraums stärken. Das sind die sicheren Vermögenswerte Europas.
Im Interview: Kalin Anev Janse
ESM wird zum Emittenten von Commercial Paper
CFO: Instrument bietet mehr Flexibilität am kurzen Ende – Programm kann bis zu 20 Mrd. Euro umfassen
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wird sich auf der Refinanzierungsseite noch mehr Flexibilität verschaffen, und zwar am kurzen Marktende. Er wird Euro Commercial Paper als neue Funding-Instrumente einführen. Das Volumen kann laut ESM-CFO Kalin Anev Janse bis zu 20 Mrd. Euro erreichen.
Das Interview führte Kai Johannsen.