ESM wird zum Sustainable Investor
Herr Anev Janse, der ESM ist nun Unterzeichner der United Nations Principles for Responsible Investment (UN PRI). Was ist der Hauptgrund dafür?Die UN PRI stellen eines der weltweit führenden Rahmenwerke für internationale Investoren dar, die die ESG-Kriterien, also Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte, in ihre Investmentpraktiken integrieren. Ich freue mich darüber, dass wir uns diesem großen Pool von Investoren angeschlossen haben, die sich selbst dazu verpflichten, zu einem verantwortungsvolleren Kapitalmarkt für Investitionen beizutragen. Wir denken, dass der ESM als eine Institution mit einem öffentlichen Mandat ESG-Kriterien bei seinen eigenen operativen Aktivitäten integrieren sollte. Was heißt das mit Blick auf Investmentprozesse und Investoren?Für unsere Investmentprozesse bedeutet das, dass wir hier nun ESG-Kriterien anwenden werden. Wir stellen damit an unsere eigenen Investitionen, aber auch an unsere Vertragspartner diesbezüglich höhere Transparenzanforderungen. Das bedeutet natürlich keine Einschränkungen für unsere bisherigen Anforderungen in Bezug auf Kreditqualität, Liquidität und Ertrag unserer Anlagen. Diese Anforderungen müssen verständlicherweise eingehalten werden, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit unserer Kreditvergabekapazität stehen, die wir im Rahmen unseres Mandats bereitstellen müssen. Wir stellen fest, dass die Investoren in unseren Anleihen, genauso wie wir als Anleiheinvestor, ein verstärktes Augenmerk auf ESG-Faktoren haben. Wir möchten ihnen damit zeigen, dass wir in dieser Hinsicht ebenfalls sehr hohe Standards einhalten. Wir möchten, dass die Investoren in unseren Anleihen wissen, dass sie in eine Institution investieren, die ESG-Aspekte sehr ernst nimmt. Was sind die wesentlichen Elemente der UN PRI, die Sie überzeugen?Die UN PRI stellen ein robustes und glaubwürdiges Rahmenwerk dar, das gleichzeitig genügend Raum für Flexibilität lässt. Das bedeutet, der ESM kann seine eigenen Perspektiven in Sachen ESG im Rahmen einer praktikablen Methodologie umsetzen. Weltweit werden mittlerweile Vermögensanlagen von mehr als 90 Bill. Dollar nach den Grundsätzen der UN PRI verwaltet. Das zeigt, dass sich der ESM nun einer sehr beeindruckenden globalen Initiative mit einer glaubwürdigen Erfolgsbilanz angeschlossen hat. Welchen Teil des Kapitals des ESM werden Sie konform mit den UN PRI anlegen, und legen Sie nur Kapitalteile des ESM derartig an oder auch Kapitel der EFSF?Durch die Unterzeichnung der UN PRI wollen wir die entsprechenden Anlagekriterien für unseren gesamten eingezahlten Kapitalbestand zugrunde legen. Wir sprechen von rund 80 Mrd. Euro an eingezahltem Kapital. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass dies eine ausgesprochen bemerkenswerte Entscheidung darstellt. Denn viele anderen Unterzeichner der UN PRI wollen nur Teile ihres Kapitals konform mit den UN PRI anlegen. Der Rettungsfonds EFSF ist die Vorläuferinstitution des ESM und wurde im Juni 2010 gegründet. Die Struktur der EFSF ist eine andere als des ESM. Die Kapitalaufnahme ist nicht durch umfangreiche Kapitaleinzahlungen unserer Mitgliedstaaten gedeckt wie beim ESM, sondern durch Garantien. Deshalb hat die EFSF auch nur ein begrenztes Volumen an zu investierenden Vermögenswerten. Auch wenn die EFSF kein Unterzeichner der UN PRI ist, sollen die Investmentportfolios der EFSF aber ebenfalls in größtmöglichem Umfang konform mit unserem UN-PRI-Ansatz angelegt werden. Welche Botschaft möchten Sie den Kapitalmärkten und den Marktteilnehmern mit der Unterzeichnung der UN PRI geben? Welches Zeichen wollen Sie hiermit am Markt setzen?Ebenso wie die übrige Welt steht Europa vor umweltbezogenen und sozialen Herausforderungen. Die Art und Weise, wie wir diese Herausforderungen in den nächsten Jahren angehen, wird entscheidend sein. Und die Kapitalmärkte müssen in dieser Hinsicht ebenfalls ihren Teil übernehmen. Das gilt natürlich auch für den ESM. Die Unterzeichnung der UN PRI ist ein wichtiger Schritt im Hinblick auf unsere Bestrebungen in Richtung einer ESG-konformen Ausrichtung der Institution. Wir möchten den Kapitalmärkten und ihren Akteuren damit ganz klar signalisieren, dass wir unseren Beitrag leisten. In welche Arten von Assetklassen beziehungsweise Kapitalmarktprodukte wollen Sie investieren? Investieren Sie die Gelder nur im Fixed-Income-Universum oder auch in anderen Kapitalmarktsegmenten wie etwa Aktien?Unsere Investment Guidelines schreiben uns vor, dass wir ausschließlich in Festzinsanlagen mit erstklassiger Kreditbewertung investieren dürfen. Das wird sich auch nicht ändern. Was sich nun aber durch die Unterzeichnung der UN PRI ändern wird, ist, dass wir das UN-PRI-Rahmenwerk zugrunde legen werden, um die ESG-Dimensionen unserer Investitionen abschätzen und überwachen zu können. Haben Sie zusätzlich zu den UN-PRI-Kriterien auch eigene Kriterien in Bezug auf Green und Sustainable zugrunde gelegt? Wenn dem so ist, wie sehen diese aus?Die UN PRI weisen einen sehr hohen Grad an Flexibilität auf, so dass wir unser eigenes Rahmenwerk für verantwortungsvolle Investitionen auf der Grundlage der Prinzipien konzipieren können. Basis unseres Rahmenwerkes ist, dass wir die Investitionen einzeln bemessen und überwachen werden. Jeden Emittenten und Vertragspartner werden wir im Hinblick auf deren ESG-Performance genau analysieren. Wir werden ein Bewertungssystem für das gesamte Investitionsportfolio konzipieren. Wir werden dafür Sorge tragen, dass diese Bewertungen klar mit unseren ESG-Zielen im Einklang stehen. Wir haben insgesamt schon festgestellt, dass unser Investitionsportfolio schon heute eine sehr starke ESG-Ausrichtung hat. Wir haben ein Investitionsportfolio, das sich aus supranationalen Emittenten, Eurozonenstaaten und Anstalten öffentlichen Rechts des Euroraumes zusammensetzt. Wir denken, dass diese Emittenten einen sehr starken sozialen Einfluss auf die Gesellschaft und Märkte haben. Zudem haben sie einen starken Fokus auf Umweltaspekte und eine robuste Governance. Erste Schätzungen haben gezeigt, dass Ende des Jahres 2018 etwa 69 % der investierten Vermögensanlagen eine entsprechende ESG-Relevanz hatten. In der Zukunft wollen wir die ESG-Dimension unserer Investitionen noch granularer messen. Haben Sie ein Reporting für die UN-PRI-konformen Investitionen des ESM entwickelt, das veröffentlicht wird, um eine entsprechende Transparenz dieser Investitionen für die Öffentlichkeit herzustellen?Für einen Unterzeichner der UN PRI gibt es die klare Anforderung, dass man ein umfangreiches Reporting konzipieren muss. Dieser Report geht dann an die UN-PRI-Institution. Und ein Teil davon ist dann auch für die Öffentlichkeit verfügbar, gemäß den Anforderungen der UN PRI. Dieser Reportingaspekt der UN-PRI-Mitgliedschaft ist ein wichtiger Schritt, um die Transparenz der Institution ESM noch weiter zu erhöhen. Und wir wollen zugleich damit auch in dem gleichen Umfeld wie andere Marktteilnehmer agieren. Erwarten Sie auch auf der Refinanzierungsseite Vorteile aufgrund der Tatsache, dass der ESM nun auch ein UN-PRI-konformer Investor ist?Unsere Investoren wissen, wenn sie unsere Bonds kaufen, dass sie dann in eine sehr bonitätsstarke Institution investieren. Aber sie investieren eben auch in eine Institution mit einem sehr speziellen Mandat. Kern dieses Mandats ist es, ein öffentliches Gut zu gewährleisten, nämlich finanzielle Stabilität. Im Rahmen unseres Mandats gewähren wir Hilfskredite an Staaten der Eurozone, die schwerwiegende finanzielle Probleme haben oder unmittelbar davorstehen. Derzeit haben wir ein ausstehendes Anleihevolumen von etwa 300 Mrd. Euro. Wir haben 1 700 institutionelle Investoren, die in unseren Anleihen investiert sind. Diese Investoren sind von der Mission des ESM überzeugt. Unsere Bonds sollte man bereits jetzt als Stabilitätsbonds ansehen. Mit der Unterzeichnung der UN PRI wollen wir diese Botschaft an die Öffentlichkeit und an unsere Investoren nochmals bekräftigen. Wollen Sie auch Sustainable Bonds emittieren?Wie zuvor erwähnt, besteht der Kern unserer Aufgabe darin, ein öffentliches Gut bereitzustellen. Unser Mandat sieht wie gesagt vor, Hilfskredite an Staaten der Eurozone auszureichen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden oder von Refinanzierungsproblemen betroffen werden könnten. Wirtschaftliche Reformen sind die Voraussetzung für unsere finanziellen Hilfen. Das alles zielt darauf ab, Staaten – den sogenannten Programmstaaten – zu helfen, zu einer langfristigen finanziellen Stabilität und einer wirtschaftlichen Prosperität zurückzufinden, und zwar durch diesen Reformkurs. Die finanzielle Stabilität eines Landes ist eine grundlegende Voraussetzung für Fortschritte in Umwelt- und Sozialaspekten des Landes. Vor diesem Hintergrund können unsere Bonds generell bereits als eine Investition in Nachhaltigkeit angesehen werden. Unsere Anleihen sollten zudem wie gesagt als Stabilitätsbonds klassifiziert werden. ESG-Aspekte sollten zudem über alle Aktivitätsbereiche einer Organisation angegangen werden und nicht nur bei der Kreditaufnahme. Das Interview führte Kai Johannsen.