"ETF-Zulassung ist der Anfang einer größeren Entwicklung"
Im Interview: Jean-Marie Mognetti
"Der Anfang einer größeren Entwicklung"
Coinshares-CEO erwartet nach US-Zulassung für Spot-ETFs auf Bitcoin neue Fortschritte bei Krypto-Regulierung – Kaufoption für Fondsanbieter gezogen
Jean-Marie Mognetti glaubt daran, dass die neuen Spot-ETFs in den USA mittelfristig bedeutende institutionelle Mittel anziehen werden. Der Coinshares-CEO beobachtet schon jetzt einen zunehmend härteren Konkurrenzkampf zwischen den Vermögensverwaltern am globalen Digital-Assets-Markt – und will dabei selbst durch eine Übernahme in Amerika den Druck erhöhen.
Herr Mognetti, die US-Börsenaufsicht SEC hat Spot-ETFs auf Bitcoin nach einer jahrelangen Hängepartie die Freigabe erteilt. Was bedeutet das für den Markt?
Der Markt hat einen weiten Weg hinter sich gebracht, um zu diesem Moment zu gelangen. Viele Teilnehmer haben nicht daran geglaubt, dass es je zu einer US-Zulassung für Spot-ETFs auf Bitcoin kommen würde, nun ist sie endlich da. Selbst SEC-Chef Gary Gensler als bekannter Krypto-Kritiker hat für die Freigabe der neuen ETFs gestimmt. Das ist für Vermögensverwalter wie uns natürlich eine sehr positive Entwicklung. Wir haben unsere Produktsuite in Europa seit 2015 aufgebaut. In den USA haben wir lange keine Gelegenheit gesehen, eine Präsenz aufzubauen – das hat sich nun drastisch geändert.
Wie wollen Sie konkret davon profitieren? Mit Invesco, die in den USA einen Bitcoin-Spot-ETF aufgelegt hat, arbeiten sie ja schon in Europa für ein Blockchain-Aktien-Produkt zusammen.
Wir wollen ein Plattform-Modell in den USA aufbauen, wie wir es bereits in Europa haben. Dafür brauchen wir den richtigen Startpunkt, deshalb haben wir nun unsere Option zum hundertprozentigen Erwerb von Valkyrie Funds gezogen, die in den Vereinigten Staaten jetzt ebenfalls einen Spot-Bitcoin-ETF an den Start gebracht hat. Damit haben wir in einem umkämpften Markt einen Fuß in der Tür.
Welche Rolle soll das Coinshares-Research, das in Europa populär ist, künftig im Amerika-Geschäft spielen?
Wir verdienen kein Geld mit Research. Für uns sind die Marktanalysen aber extrem wichtig, um die Bildung der Investoren zu Digital Assets zu fördern und neue Anlegerkreise zu erschließen. Erst dadurch wird ja ein großflächigerer Vertrieb möglich. Ein Wealth Manager, der über die vergangenen drei Jahre noch keine Krypto-Allokation aufgebaut hat, wird dies nicht plötzlich nur deshalb ändern, weil einige neue Produkte handelbar sind. Wir müssen diesen Marktteilnehmern schon genau erklären, warum Investitionen in Bitcoin eine gute Idee sind. Da sehe ich uns gegenüber anderen Assetmanagern wie Blackrock im Vorteil, weil wir uns auf Kryptowährungen konzentrieren und keine anderen Baustellen im Fixed-Income- oder Rohstoffbereich haben.
Sie sprechen die Konkurrenzsituation im Markt an. Nicht nur in den USA drängen neue Adressen ins Digital-Assets-Segment, auch in Europa lancieren zuvor wenig aktiv Vermögensverwalter neue Krypto-Produkte. Wie beeinflusst das Ihren geschäftlichen Ausblick?
Der Markt in Europa ist momentan tatsächlich etwas überfüllt. Das bedeutet, es besteht nicht viel Platz für neue Anbieter, wie sich auch an den jüngsten wenig erfolgreichen Produkt-Launches ablesen lässt. Wer doch Erfolg haben will, muss sich in diesem wettbewerbsintensiven Umfeld irgendwie von der Konkurrenz abheben. Selbst unsere Kooperationspartnerin Invesco ist in Europa erst relativ spät in den Markt für Exchange Traded Products (ETPs) auf einzelne Kryptowährungen vorgestoßen und hatte dementsprechend einigen Aufholbedarf.
Eine lange Historie und entsprechende Expertise im Kryptomarkt sind für Produktanbieter auf beiden Seiten des Atlantiks also entscheidend, um Investoren anzulocken?
Das ist definitiv ein wichtiger Unterscheidungsfaktor. In den USA hat sich das zum Beispiel dadurch gezeigt, dass der Grayscale Bitcoin Trust am ersten Tag als ETF das meistgehandelte Krypto-Spot-Produkt war, obwohl der Anbieter nicht in den von Blackrock und anderen Adressen mit umfangreichen Gebührensenkungen geführten Preiskampf eingestiegen ist. Denn Grayscale ist schon länger im Segment vertreten und genießt bei Anlegern einen Ruf als führende Digital-Assets-Adresse. Natürlich ist der Markt in den Vereinigten Staaten zu Beginn aber deutlich preissensitiver als in Europa, wo Exchange Traded Products auf Kryptowährungen nunmehr seit neun Jahren verfügbar sind. Über die Zeit werden dann aber auch andere Faktoren stärker in den Fokus rücken.
Welche denn?
Die Liquidität und Handelsvolumina des jeweiligen Produkts werden vermutlich ebenso in den Mittelpunkt rücken wie die Geld-Brief-Spannen. Die Größe des Emittenten ist natürlich auch immer ein Faktor…
...womit wir wieder bei Blackrock wären. Wie passt der Einzug solcher traditionellen Intermediäre ins Digital-Assets-Segment damit zusammen, dass es bei der Entwicklung von Digital Assets ursprünglich darum ging, zentrale Institutionen und Finanzmarktstrukturen zu überwinden?
Zunächst einmal konnte Blackrock es sich natürlich nicht leisten, diesen Moment zu verpassen. Wenn der weltgrößte Assetmanager in irgendeinem ETF-Segment nicht die Nummer eins ist, hat das unmittelbare Auswirkungen auf seinen Aktienkurs. Entsprechend hat Blackrock im Vorfeld alles dafür getan, die mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Natürlich steht die Präsenz dieser Adressen zu einem gewissen Grad im Kontrast zur ursprünglichen Funktion und Ambition von Digital Assets. Doch um global erfolgreich zu werden, brauchen wir eine institutionelle Adoption digitaler Anlagen – und die wird eben erst durch Anti-Geldwäsche-Kontrollen, Know-Your-Customer-Vorschriften und die Beteiligung von Vermögensverwaltern wie Blackrock. Dass ein Assetmanager von dieser Größe mit vollem Einsatz ins Segment geht, ist ein wichtiges Gütesiegel für Krypto-Anlagen und eine Bestätigung über die SEC-Freigabe von Spot-ETFs hinaus.
Ist die Zulassung der Spot-Bitcoin-ETFs jetzt also wirklich der Moment, in dem der Damm bricht und nennenswertes institutionelles Kapital in den Kryptomarkt fließt?
Ich denke nicht, dass das von einem Moment auf den anderen passiert. Die Spot-ETFs sind sicherlich ein revolutionäres Anlageinstrument, das über die Zeit durchaus in großem Stil institutionelle Mittel anziehen kann. Aber Marktteilnehmer sollten auch nicht vergessen, dass Anlageprodukte einen sechsmonatigen Track Record vorweisen können müssen, um auf vielen Wealth-Management-Plattformen Aufnahme zu finden. Und es gibt andere Faktoren, die für eine Verzögerung sorgen können. Bei Vanguard sind die Produkte beispielsweise zunächst nicht handelbar gewesen, weil die Compliance-Prüfung länger dauert. Nun ist also das richtige Werkzeug verfügbar, der Zeitpunkt für den Einstieg institutioneller Investoren ist aber vielleicht noch nicht da. Dafür müssen sich die Produkte noch etwas länger am Markt behaupten und Assets einsammeln, um relevant zu werden.
Prominente Köpfe wie Lynn Martin, die Präsidentin der New York Stock Exchange, argumentieren allerdings, dass sich institutionelle Investoren erst dann mit nennenswerten Summen ins Digital-Assets-Segment vorwagen werden, wenn ein einheitliches US-Rahmenwerk vorhanden ist. SEC-Chef Gary Gensler hat gesonderten Krypto-Regeln aber mehrfach eine Absage erteilt. Inwiefern droht dies den Markt noch auszubremsen?
Das kommt immer darauf an, worüber konkret wir reden. Wenn es um die Tokenisierung von Vermögenswerten oder die Nutzung von Distributed-Ledger-Technologie für kommerzielle Anwendungen geht, dann braucht es sicher ein höheres Maß an Regulierung. Auch die Definitionen für Wertpapiere müssen eindeutiger werden. Was reine Investitionen in Kryptowährungen angeht, bewegen sich die Dinge aber sehr schnell. Anfang November hat niemand damit gerechnet, dass im Januar Spot-ETFs auf Bitcoin handelbar würden. Wenn die Sterne richtig stehen und die nötigen politischen Interessensvertreter und Marktteilnehmer zusammenkommen, kann sich die amerikanische Krypto-Regulierung auch in anderen Bereichen schneller entwickeln als vielerorts gedacht. Gary Gensler hat in seinem Statement zur ETF-Freigabe klar zum Ausdruck gebracht, dass der Schritt keine Blanko-Zustimmung zu allen Ausprägungen von Digital Assets bedeutet. Aber die Zulassung ist definitiv der Anfang einer größeren Entwicklung.
Welche Rolle könnte ein Machtwechsel in Washington für die Kryptoregulierung spielen?
Die USA sind und bleiben unabhängig von politischen Machtverhältnissen ein hoch komplexer Marktplatz. Es gibt so viele verschiedene Regierungsbehörden mit einander überschneidenden Kompetenzen, dass selbst die am besten informierten Krypto-Marktteilnehmer häufig den Überblick verlieren. Grundsätzlich erscheint ein Wechsel zu einer republikanischen Mehrheit im Senat und damit einem rot dominierten Kongress erst einmal vorteilhaft für die Kryptomarkt, da dies nach bisherigen Erfahrungen eine fortschrittliche Regulierung begünstigen würde. Sicher lässt sich das aber natürlich nicht sagen, auch unter demokratischer Kontrolle sind regulatorische Fortschritte möglich, wie sich nun gezeigt hat.
Welche kurzfristigeren Auswirkungen der ETF-Freigabe erwarten Sie für den globalen Markt für digitale Anlagen?
Investoren müssen zunächst einmal beachten, dass Krypto-Anlageprodukte nicht über verschiedene Kontinente hinweg funktionieren. Exchange Traded Products werden relativ isoliert in Europa gehandelt, die neuen Spot-ETFs ausschließlich in den USA. Generell sind die Spreads weit und Währungseffekte nicht zum Vorteil der Investoren. Dennoch verändert sich das Umfeld durch die ETF-Einführung in den USA. Der Schritt wird maßgeblichen Einfluss auf den Preisbildungsprozess an den Kryptomärkten haben und auf die Marktinfrastruktur. Darüber unterhalten wir uns bislang nicht genug. Denn es wird ja attraktiver, bei Blackrock für 12 bis 25 Basispunkte Gebühr in Bitcoin zu investieren als bei Coinbase zu 35 Basispunkten. Für eine sehr lange Zeit waren die Konsumenten Preisnehmer der Kryptobörsen, die nun einen neuen Wettbewerb erhalten.
Die neuen Bitcoin-Idnexfonds mögen zwar nicht über Grenzen hinweg handelbar sein, die über sie generierte Liquidität könnte aber durchaus in den globalen Kryptomarkt fließen. Das zieht nach Erwartung von Analysten auch Volatilitätsanstiege nach sich. In welchem Ausmaß besteht also ein erhöhter Bedarf an neuen Anlageprodukten zum Management dieser Volatilität?
Produkte zur Volatilitätskontrolle waren immer ein großer Teil der Entwicklung am Kryptomarkt, vor allem in Europa. Allerdings sieht man diese deutlich häufiger in Form eines Basket-ETPs als eines börsengehandelten Produkts auf einen Einzelwert. Das Geschäft von Coinshares besteht darin, Anlegern die Produkte anzubieten, die sie haben wollen und deren Struktur Sinn ergibt. Wenn wir also eine erhöhte Nachfrage nach Produkten zur Volatilitätskontrolle feststellen, werden wir uns das genau anschauen.
Coinshares bietet in Europa eine ganze Bandbreite an ETPs auf unterschiedliche Kryptowährungen an. Wie dürfte sich die Nachfrage nach diesen im Vergleich zu Bitcoin-Produkten entwickeln?
Die Nachfrage richtet sich stark nach der Liquidität. Niemand wird viel Geld in einen obskuren Herausforderer-Token stecken, der hochgradig illiquide ist. Bitcoin wird daher der dominante Spieler im Markt bleiben und Ether dicht dahinter auf dem zweiten Platz folgen. Es gibt noch ein paar weitere Token großer Blockchains, auf die durchaus noch ein relevanter Teil unserer Assets under Management entfallen dürfte, aber die Konzentration liegt schon in Produkten auf die beiden größten Kryptowährungen.
Anleger spekulieren unterdessen bereits darauf, dass ein neuer Spot-ETF auf die zweitgrößte Digitalwährung Ether in den USA Zulassung finden könnte…
SEC-Chef Gensler hat seine Ansichten zum Kryptomarkt klar betont. Ein Spot-Produkt auf Ether wird also wohl nicht sehr kurzfristig die Freigabe der Börsenaufsicht erhalten. Das heißt aber nicht, dass das nicht passieren wird – auf Sicht von sechs Monaten halte ich eine solche Zulassung durchaus für vorstellbar. Hinzu kommt, dass Gary Gensler nicht SEC-Vorsitzender auf Lebenszeit ist und sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin eine ganz andere Perspektive auf den Kryptomarkt besitzen könnte.
Der Freigabe für die Bitcoin-ETFs ging allerdings ein ziemliches Chaos voraus. Der Account der SEC auf der Plattform X vermeldete bereits am 9. Januar die Zulassung, was sich als von Hackern platzierte Falschmeldung herausstellen sollte. Investorenschützer argumentieren, dass der Vorfall schwerwiegende Probleme bei der Krypto-Regulierung und die Intransparenz digitaler Anlagen veranschaulicht hat…
Aus meiner Sicht ist das ein vorgeschobenes Argument. Der Account der SEC hätte auch von irgendjemandem außerhalb der Krypto-Sphäre gehackt werden und falsche Nachrichten zu einem anderen Thema verbreiten können. Dann wäre die Kursreaktion bei einem anderen betroffenen Asset wohl ebenfalls nicht ausgeblieben. Den Cyberangriff als Beispiel für die angebliche Manipulationsanfälligkeit des Kryptomarkts zu nehmen, halte ich für weit hergeholt. Wie jeder vergleichsweise illiquide Markt sind Digital Assets natürlich nicht völlig frei von Manipulationsversuchen, mit einer zunehmenden Beteiligung institutioneller Investoren wird sich dieses Problem aber auch verringern.
Die Analysten der Deutschen Bank warnen unterdessen vor dem Risiko von Diebstählen im zugrundeliegenden Markt und davor, dass von den ETF-Anbietern genutzte Verwahrer wie Coinbase kompromittiert werden könnten. Welche Gefahr geht davon aus?
In den USA besteht natürlich schon eine starke Konzentration auf einige wenige Verwahrer. Manche ETF-Anbieter arbeiten mit Gemini zusammen, der Großteil aber mit Coinbase, die bei zahlreichen Digital-Assets-Entwicklungen Vorreiter war und die vom Regulator geförderten Voraussetzungen mitbringt. Mich stimmt diese Konzentration nicht wirklich besorgt, zumal sie sich in einigen Monaten aufzulösen beginnen dürfte. Dann werden mehr Verwahradressen verfügbar sein und die Vermögensverwalter danach trachten, nicht mehr alle Eier in denselben Korb zu legen. Wir planen auch, weiterhin mit Coinbase zusammenzuarbeiten, werden uns daneben aber noch weitere Custodians suchen.
Zur Person
Jean-Marie Mognetti ist Mitgründer und CEO des Krypto-Produktanbieters Coinshares. Zusätzlich zu seinen Aufgaben als Unternehmenschef verantwortet er auch den Eigenhandel, das Kapitalmarktportfolio und das Risikomanagement von Europas größtem Assetmanager für digitale Vermögenswerte. Seine Firma ging aus dem Rohstoff-Hedgefonds Global Advisors hervor, für den Mognetti seit 2011 in verschiedenen Führungspositionen tätig war und für dessen 2014 lancierten Bitcoin-Fonds er als Direktor verantwortlich war. Vor seiner Tätigkeit für Global Advisors arbeitete er als quantitativer Fondsmanager bei Hermes Commodities Advisors sowie im Energiehandel von Lehman Brothers. Der Trading-Experte hält einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaft und Finanzen der Université Paris Dauphine sowie einen Master in Banking, Finance und Versicherungswesen der gleichen Hochschule. Zudem schloss er ein Master-Studium in mathematischem Trading und Finance an der Sir John Cass Business School in London ab.
Das Interview führte Alex Wehnert.