MARKTCHANCEN 2020

ETFs knacken die Marke von 6 Bill. Dollar

Die passive Revolution geht ungebremst weiter - Starke Nachfrage nach Rentenprodukten - BlackRock erwartet Verdoppelung der Assets binnen fünf Jahren

ETFs knacken die Marke von 6 Bill. Dollar

Von Werner Rüppel, FrankfurtJens Weidmann ist sicherlich jemand, der etwas von Geld versteht und bei der Anlage seines Vermögens sachlich und nüchtern entscheidet. Und in was investiert der Bundesbankpräsident? Wie einer Pflichtmitteilung der EZB zu entnehmen ist, in zwei börsennotierte Indexfonds der DWS-Marke Xtrackers: In einen ETF auf den Dax und in einen ETF auf den Weltaktienindex MSCI All Country World. Die laufenden Kosten dieser Produkte betragen übrigens 0,09 % bzw. 0,40 % pro Jahr.Doch nicht nur Notenbanker setzen auf die transparenten und insbesondere im Vergleich zu herkömmlichen Fonds kostengünstigen Indexprodukte. Auch immer mehr institutionelle Investoren und zunehmend auch private Anleger kaufen ETFs. Das Angebot an Indexfonds wird immer breiter und umfasst nicht allein Aktien-, sondern inzwischen auch Renten-ETFs sowie nachhaltig ausgerichtete Indexfonds.Auch 2019 hat sich die passive Revolution ungebremst fortgesetzt. Laut dem Analysehaus ETFGI sind die weltweit in ETFs und börsengehandelten Indexprodukten (ETPs) angelegten Gelder im Oktober über die Marke von 6 Bill. Dollar geklettert und lagen Ende November bei 6,1 Bill. Dollar. “Wir erwarten, dass das verwaltete Vermögen in ETFs sich in den kommenden fünf Jahren weltweit auf 12 Bill. Dollar verdoppeln wird”, erklärt Peter Scharl, Leiter Privatkundengeschäft in Deutschland, Österreich und Osteuropa beim Marktführer BlackRock. “Europa wird von knapp 1 Bill. auf etwa 2 Bill. Euro zulegen.”Für die ETF-Industrie war 2019 erneut ein Rekordjahr. Die Zuflüsse in börsennotierte Indexprodukte betrugen bis November laut ETFGI weltweit satte 477 Mrd. Dollar, wobei Aktien-ETFs 215 Mrd. Dollar und Anleihe-ETFs 208 Mrd. Dollar neue Gelder vereinnahmen konnten. Dabei waren nach dem Kurseinbruch am Aktienmarkt im Vorjahr in den ersten Monaten 2019 vor allem Anleihe-ETFs gefragt, zu größeren Zuflüsse in Aktien-ETFs kam es dann im Zuge der Börsenhausse vor allem gen Jahresende. So betrugen im Monat November die weltweiten Zuflüsse in Aktien-ETFs 56,9 Mrd. Dollar, während Anleiheprodukte auf 16,4 Mrd. Dollar kamen. Aktien-ETFs dominieren Die weltweit in ETFs angelegten Gelder wachsen seit Jahren enorm. Waren laut ETFGI Ende 2005 gerade einmal knapp 430 Mrd. Dollar in ETFs und ETPs angelegt, so sind es jetzt mehr als 6 Bill. Dollar. Wobei 75 % der in Indexfonds angelegten Gelder noch immer auf Aktienprodukte und knapp 20 % auf Anleihe-ETFs entfallen. Dass das die in börsennotierten Indexfonds weltweit angelegten Gelder vom Ultimo 2018 bis November 2019 um rund 31 % gestiegen sind, ist natürlich nicht allein den hohen Mittelzuflüssen, sondern vor allem auch der Aktienhausse zuzuschreiben.Der Trend hin zu einer stärkeren passiven Anlage hat sich in der Fondsindustrie auch 2019 fortgesetzt. “Per Ende Oktober waren 26,8 % des weltweiten Fondsmarktes in Indexfonds (ETFs wie nicht-börsennotierte Indexfonds) angelegt”, erläutert Ali Masarwah, Analyst bei Morningstar. “Unter Herausrechnung von Geldmarktfonds komme ich auf 30,6 % nach 28,7 % vor Jahresfrist.” In den USA stecken laut Morningstar bereits 49 % des Aktienfondsvermögens in passiven Fonds, während es in Europa nur 29,7 % sind. Im Vergleich zu den USA hat Europa also bei passiven Anlagen nach wie vor Nachholpotenzial. Auch in Europa sind die in ETFs und ETPs angelegten Gelder laut ETFGI von 768 Mrd. Dollar Ende 2018 um knapp 28 % auf 982 Mrd. Dollar Ende November geklettert. Und auch hier waren 2019 zu Jahresbeginn vor allem Anleihen-ETFs gefragte, während dann im Oktober und November Aktien-ETFs hohe Zuflüsse auf sich verbuchen konnten.Trotz der hohen Zuwachsraten stellen ETFs in Deutschland nach Meinung von Deutsche Bank Research für Privatanleger (noch) ein Nischenprodukt dar. Mit einem Volumen von mindestens 144 Mrd. Euro machten ETFs hierzulande per Ende September 13 % des Vermögens in offenen Publikumsfonds aus. Bei Privatanlegern seien gerade einmal 8 % in ETFs engagiert. Dies dürfte sich nach Meinung der Deutschen Bank aber ändern: “Das anhaltende Niedrigzinsumfeld lässt aber erwarten, dass sich zunehmend auch traditionelle Sparer mit ETFs vertraut machen werden.” Gerade Sparer, die sich nicht häufig mit ihren Geldanlagen beschäftigen wollen, könnten von ETFs als passiver Anlage profitieren: “Regelmäßiges Ansparen in und/oder Halten von ETFs auf große Marktindizes versprechen langfristig Wertsteigerungen bei vergleichsweise geringen Kosten und Risiken.” Damit argumentiert die Deutsche Bank ähnlich wie die Deutsche Bundesbank, die im vergangenen Jahr in einem bemerkenswerten Aufsatz die hohe Kosteneffizienz der ETFs im Vergleich zu herkömmlichen Investmentfonds hervorgehoben hat. Amundi mit 5 BasispunktenDer scharfe Preiswettbewerb zwischen den Anbietern von europäischen Ucits-ETFs hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Amundi hat unter Nutzung von preiswerten Solactive-Indizes eine Palette von marktbreiten Prime-ETFs zu laufenden Kosten von gerade einmal 5 Basispunkten pro Jahr aufgelegt. Aber auch praktisch alle anderen großen Anbieter haben ihre Gebühren weiter reduziert. Somit bleibt das große Plus der ETFs, dass sie extrem kostengünstig sind im Vergleich zu aktiven Produkten, die bei Aktienfonds durchaus laufende Kosten von etwa 1,5 % bis zu 2 % aufweisen.Unter den europäischen ETF-Anbietern hat übrigens BlackRock mit seiner Marke iShares seine führende Stellung in Europa behauptet. An zweiter Stelle folgt die DWS mit der Marke Xtrackers, die in den kommenden Jahren auch ein starkes Wachstum erwartet. Lyxor hat 2019 Abflüsse erlitten, doch will die Gesellschaft nun nach der Übernahme der Commerzbank-Tochter Comstage – inklusive Thomas Meyer zu Drewer als Leiter des deutschen Privatkundengeschäfts – wieder stärker zulegen. Doch wollen selbstverständlich auch die UBS, Amundi, Vanguard, Invesco und SPDR im europäischen ETF-Geschäft ihren Marktanteil ausbauen. Vor diesem Hintergrund wird der scharfe Preiswettbewerb anhalten, und es ist darüber hinaus mit der Auflegung von etlichen neuen börsennotierten Indexfonds zu rechnen. Inzwischen können Anleger neben den extrem preisgünstigen Standard-Aktienindizes mit ETFs fast alles abbilden: Nachhaltig ausgerichtet Produkte, Anleihenstrategien, Real Estate Investment Trusts, aktive Ansätze im passiven Gewand über Smart-Beta-ETFs und vieles mehr. Wachstumstreiber intaktWie geht es weiter? Die Wachstumstreiber für ETFs wie niedrige Kosten und Transparenz bleiben intakt. Passiv dürfte daher auch künftig stärker als aktiv wachsen, wobei ETFs in Europa Nachholpotenzial haben. BlackRock-Mann Scharl stellt einen weiteren Aspekt heraus: “Speziell die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II, die seit Anfang 2018 in Kraft ist, beschert ETFs noch einmal zusätzlichen Rückenwind.”