LEITARTIKEL

ETFs können (fast) alles

War da im Verlauf dieses Jahres etwas? Würde ein unbedarfter Beobachter die jüngsten Zahlen über den Markt für börsennotierte Indexfonds betrachten, so käme er nicht auf die Vermutung, dass im Frühjahr 2020 eine Pandemie die Weltwirtschaft und,...

ETFs können (fast) alles

War da im Verlauf dieses Jahres etwas? Würde ein unbedarfter Beobachter die jüngsten Zahlen über den Markt für börsennotierte Indexfonds betrachten, so käme er nicht auf die Vermutung, dass im Frühjahr 2020 eine Pandemie die Weltwirtschaft und, zumindest zwischenzeitlich, auch die Kapitalmärkte schwer getroffen hat. Denn das Wachstum der ETFs ist ungebrochen. Nach weltweit 6 Bill. Dollar angelegter Gelder Ende 2019 haben die kostengünstigen Aldi-Fonds per Ende August mit 7 Bill. Dollar den nächsten Meilenstein erreicht, so die Berechnungen des Analysehauses ETFGI.Im bisherigen Jahresverlauf flossen den passiven Fonds 428 Mrd. Dollar zu und damit weitaus mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum mit 273 Mrd. Dollar. Besonders bemerkenswert ist, dass der August den 15. Monat in Folge mit Nettomittelzuflüssen für die ETF-Industrie darstellt. So sieht ein Wachstumssegment aus, von Beeinträchtigungen durch die Pandemie, zumindest in der Rückschau nach mehreren Monaten, überhaupt keine Spur.Sind ETFs gegen Corona immun? Was erklärt den auch in diesem Jahr anhaltenden Boom der börsennotierten Indexfonds? Ein wesentlicher Grund ist sicherlich, dass sich die kostengünstige Fondshülle in den vergangenen Jahren quasi zum Alleskönner entwickelt hat. Die Rocket Scientists von BlackRock, Xtrackers (DWS), Vanguard, State Street, Lyxor, UBS oder Amundi etc. haben nicht nur herkömmliche Aktienindizes im passiven Mantel abgebildet, sondern auch Faktor- oder Smart-Beta-Strategien, die langfristig einen Mehrwert versprechen, sei es als Outperformance oder in Form eines niedrigeren Risikos. Hinzu kommen nachhaltige ETFs und aktive Strategien im Indexfondsgewand, die J.P. Morgan Asset Management in seiner gerade veröffentlichten Branchenstudie als Wachstumstreiber für die nächsten Jahre sieht.Darüber hinaus hat die ETF-Industrie auf der Aktienseite auch die in Corona-Zeiten besonders gefragten Branchenfonds im Healthcare- und Technologiesektor im Angebot gehabt. Tech-Aktien haben ja massiv angezogen, und die ETF-Lösungen sind nicht nur preiswert, sondern müssen sich auch in Sachen Performance nicht hinter aktiven Produkten verstecken. Die einfache, oft genannte, aber dennoch zutreffende Geschichte lautet: Gerade durch ihre niedrigen Gebühren gelingt es den ETFs, langfristig eine bessere Performance zu erzielen als die meisten aktiven Fonds. Zu diesem Ergebnis kommen regelmäßig die Aktiv-Passiv-Barometer von Morningstar oder anderen Analysten.Viele setzen die Börse oder den Kapitalmarkt mit Aktien gleich. Die vom Volumen her viel größere Orgel sind indes Anleihen. Nur sind Direktinvestments in Festverzinsliche insbesondere für institutionelle Investoren schwierig, ist doch die Liquidität in einzelnen Papieren häufig knapp oder nicht vorhanden. Abhilfe können hier Fixed-Income-ETFs schaffen, ein Produkt, dass die Branche in den vergangenen Jahren entwickelt und ausgebaut hat.Insbesondere im Coronacrash waren Anleihe-ETFs bei Institutionellen, die umschichteten, gefragt. So flossen denn diesen Produkten im bisherigen Jahresverlauf weltweit 161 Mrd. Dollar neue Gelder zu, während Aktien-ETFs nur 138 Mrd. Dollar einsammelten. Darüber hinaus waren vor allem noch passive Produkte auf Gold gefragt.”Die Fixed-Income-ETFs haben sich, anders als teilweise befürchtet, in schwierigen Zeiten bewährt”, erklärt denn auch Stefan Kuhn, Deutschlandchef der zu State Street gehörenden SPDR ETFs. “Viele Investoren ziehen inzwischen ETF-Anlagen direkten Käufen von Anleihen vor.” Wie andere Branchenvertreter geht auch Kuhn davon aus, dass Anleihe-ETFs auch in den kommenden Jahren deutlich zulegen werden.Hinzu kommt, dass es in diesem Jahr pandemiebedingt an den Kapitalmärkten richtig brummt. Die Notenbanken bekämpfen keine Inflation mehr, sie haben die Zinsen abgeschafft und pumpen so viel Geld wie möglich. Dieses soll möglichst in die Wirtschaft fließen, um die pandemiebedingte Rezession abzumildern. Es fließt aber zunächst und vor allem an die Kapitalmärkte. An diesen steht dann mit den börsennotierten Indexfonds ein transparenter und kostengünstiger Alleskönner zur Verfügung. Und über welche Instrumente kaufen immer mehr große Notenbanken wie die Bank of Japan oder die Fed verstärkt Wertpapiere an? Über Aktien- und Anleihe-ETFs.——Von Werner RüppelVom Volumen her ist der Anleihemarkt im Vergleich zu Aktien die größere Orgel. Auch dieses Segment haben sich ETFs erfolgreich erschlossen.——