Energiemärkte

EU-Gaspreis zieht deutlich an

Ein drohender Arbeitskampf in LNG-Werken in Australien hat neue Sorgen hinsichtlich der Sicherheit der europäischen Gasversorgung geweckt, auch wenn derzeit noch hohe Überschussreserven in der EU vorhanden sind. Am EU-Spotmarkt ist der Gaspreis bereits deutlich gestiegen.

EU-Gaspreis zieht deutlich an

EU-Gaspreis zieht deutlich an

In Australien droht Arbeitskampf in der LNG-Industrie – Vorräte könnten bald schrumpfen

Ein drohender Arbeitskampf in LNG-Werken in Australien hat neue Sorgen hinsichtlich der Sicherheit der europäischen Gasversorgung geweckt, auch wenn derzeit noch hohe Überschussreserven in der EU vorhanden sind. Am EU-Spotmarkt ist der Gaspreis bereits deutlich gestiegen. Seit Juni hat er sich in etwa verdoppelt.

ku Frankfurt

Der Preis für Erdgas am europäischen Spotmarkt, der nach Ende des Winters zeitweilig wieder auf den Stand vor Ausbruch der europäischen Energiekrise von wenig mehr als 20 Euro je Megawattstunde gefallen war, zeigt seit wenigen Wochen wieder deutliche Aufwärtstendenzen. Im laufenden Monat ist bereits zweimal ein Niveau von fast 40 Euro erreicht worden.

Der Gaspreis hatte am virtuellen niederländischen Übergabepunkt Title Transfer Facility (TTF) auf dem Höhepunkt der Energiekrise vor ziemlich genau einem Jahr ein Rekordniveau von mehr als 310 Euro je Megawattstunde markiert. Der massive Preisauftrieb war eine Reaktion auf das veränderte geopolitische und energiepolitische Umfeld, in dem sich die Europäische Union seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs befindet. Insbesondere war er eine Reaktion auf die Entscheidung der Bundesregierung, die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen, sowie danach auf die Zerstörung der Pipeline durch bis heute von den europäischen Behörden nicht benannte Akteure. Dadurch wird Europa nur noch zu einem unbedeutenden Teil durch vertraglich fest vereinbarte Gaslieferungen über Pipelines versorgt, sondern muss sich auf dem internationalen Spotmarkt per LNG-Flüssiggastanker eindecken und die dort üblichen großen Preisschwankungen hinnehmen. Der milde Winter hat aber dafür gesorgt, dass die europäischen Gasspeicher deutlich weniger entleert wurden als beispielsweise im Winter davor (vgl. Grafik). Warnungen und Modellrechnungen der Bundesnetzagentur, dass Deutschland zum Ende des Winters das Gas ausgehen könnte, realisierten sich daher nicht, auch wenn sich die Netzagentur mit den Einsparbemühungen von Unternehmen und privaten Haushalten in Deutschland nicht zufrieden zeigte. Der Preis für Erdgas wurde nach Einschätzung von Analysten auch dadurch gedrückt, dass die Nachfrage in Asien aufgrund der konjunkturellen Schwäche deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. Aber auch in Europa und den USA zeigt sich die Konjunktur schwach, und in Europa und insbesondere in Deutschland kommt das Problem der Deindustrialisierung hinzu, das insbesondere die energieintensiven Branchen betrifft.

Füllstand vorgeschrieben

Der TTF-Gaspreis erreichte Anfang Juni sein Jahrestief und steigt seither wieder deutlich an, obwohl der Füllstand der europäischen Gasspeicher eigentlich für den gegenwärtigen Zeitpunkt im Jahr ausgesprochen gut ist. Nach Angaben von Gas Infrastructure Europe beträgt der Füllstand aktuell 89,75% in der EU, in Deutschland liegt er sogar bei 91,92%. Die EU-Kommission hatte vorgeschrieben, dass bis zum 1. November ein Niveau von 90% erreicht werden soll.

Gleichwohl hat sich der Monatskontrakt am Übergabepunkt TTF auf aktuell 37,50 Euro je Megawattstunde erhöht.  Der Zweimonatskontrakt notiert mit aktuell 43 Euro noch höher. Damit ist auch wieder die hohe Volatilität erkennbar, die für den künstlich geschaffenen europäischen Spotmarkt typisch ist: Binnen zwei Tagen hatte die Notierung um mehr als 28% angezogen. Aktuell hat zu einem Anstieg des Gaspreises geführt, dass sich in LNG-Flüssiggaswerken in Australien, die 11% zum weltweiten Angebot beitragen, ein Streik abzeichnet. Der Streik ist bereits von den australischen Behörden genehmigt worden für den Fall, dass die dort beschäftigten Arbeitnehmer mehrheitlich für den Arbeitskampf stimmen. Erwartet wird, dass für Europa bestimmte LNG-Tankerladungen nach Asien umgeleitet werden, um dort Lücken zu füllen.

"Zentrale Herausforderung"

Die Bundesnetzagentur hat in ihrem jüngsten Lagebericht zur Gasversorgung betont, die Vorbereitung auf den Winter 2023/24 bleibe eine "zentrale Herausforderung". Es bleibe ein sparsamer Gasverbrauch wichtig. Ole Hvalbye, Rohstoffanalyst bei der SEB Bank, schreibt in einer Studie, gegenwärtig lägen die Gasreserven um 179 Terawattstunden (TWh) über dem für den gegenwärtigen Zeitpunkt im Jahr durchschnittlichen Niveau. Allerdings könne sich dieser Überschuss bis Dezember auf 78 TWh reduzieren, wozu auch umfangreiche angekündigte Wartungsarbeiten bei norwegischen Produzenten zwischen dem 15. August und dem 7. November betrügen. Hvalbye hält es für möglich, dass die Überschussreserve bis Jahresende auf nur noch 29 TWh zurückgeht. "Dies legt nahe, dass der TTF-Gaspreis steigen wird, sobald sich der Winter nähert – ein Trend, den die gegenwärtigen Preise in gewisser Weise schon reflektieren", sagt er laut der Nachrichtenagentur Reuters.

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