EU-Parlament besiegelt Ausbau des Emissionshandels
Ausbau des EU-Emissionshandels besiegelt
Gebäudesektor, Verkehr und Schifffahrt kommen hinzu – EU-Parlament beschließt „größtes Klimaschutzgesetz aller Zeiten“
rec Brüssel
Das Europaparlament hat „das größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten“ besiegelt. So bezeichnet der federführende CDU-Abgeordnete Peter Liese das Reformpaket namens „Fit for 55“, dem eine Mehrheit der Europaabgeordneten in Straßburg zugestimmt hat. Im Zentrum steht der Ausbau des europäischen Emissionshandels. Flankiert wird dies von der Einführung eines Klimazolls. Außerdem geht in drei Jahren ein 87 Mrd. Euro schwerer Fonds zur Entlastung von Verbrauchern an den Start.
Die Reform des Emissionshandels gilt als Herzstück der europäischen Klimapolitik. Der sogenannte Green Deal sieht vor, Europas Wirtschaft bis zur Jahrhundertmitte auf Klimaneutralität umzustellen. Bis dahin müssen die EU-Staaten verbindliche Zwischenziele erreichen. Diese werden nun anspruchsvoller: Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen in der EU um 62% gegenüber 1990 sinken.
EU-Staaten verfügen über Fonds
Dafür unterziehen die EU-Gesetzgeber den Emissionshandel (ETS) einer weitreichenden Reform. Bislang müssen lediglich Industrie und Energiebranche Emissionszertifikate kaufen. Dort sind die CO2-Emissionen seit Einführung des ETS 2005 laut Umweltbundesamt um etwa ein Drittel gesunken. Ab 2027 kommen Verkehr und Gebäudesektor hinzu – zwei Bereiche, in denen es bei der CO2-Einsparung hakt. Zudem wird schrittweise der Schiffsverkehr in den Emissionshandel aufgenommen. Die Zahl kostenloser CO2-Zertifikate sinkt nach und nach – bis 2035 keine mehr gratis zu haben sind.
Auf diese Weise wird sich der Ausstoß von CO2 nach und nach verteuern. Das gilt in wenigen Jahren auch beim Autofahren und Heizen von Gebäuden, was Sorgen vor einer sozialen Unwucht und Protesten in der Bevölkerung schürt. Das ETS für diese Sektoren kommt deshalb erst 2027 und somit ein Jahr später als geplant, der sogenannte Klimasozialfonds zur sozialen Abfederung dafür ein Jahr früher. Wie die insgesamt vorgesehenen 86,7 Mrd. Euro als Ausgleich für höhere CO2-Kosten zum Einsatz kommen, ist allerdings den EU-Staaten überlassen – und bleibt somit vorerst unklar.
Handelskonflikte drohen
Grünen und Linken fällt der neue Ausgleichsfonds zu klein aus. Einzelne Branchen wie die Stahlindustrie befürchten Wettbewerbsnachteile, im Großen und Ganzen haben sich Wirtschaftsverbände indes mit dem Klimapaket arrangiert. Auch Ökonomen äußern sich positiv. Umweltverbänden geht die Reform im Kampf gegen den Klimawandel nicht weit genug.
Eine wichtige Errungenschaft sieht man in Brüssel auch im CO2-Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM). Er soll sicherstellen, dass Unternehmen von außerhalb der EU künftig draufzahlen, wenn der CO2-Ausstoß in ihrem Herkunftsland nicht oder geringer bepreist ist. Ansonsten drohten Wettbewerbsnachteile für hiesige Unternehmen. International gibt es allerdings massive Vorbehalte gegen einen derartigen Klimazoll. Kritiker wittern grünen Protektionismus, es drohen Handelskonflikte.
Entwarnung für Mittelständler
Fraktionsübergreifend sorgt das Klimapaket für viel Applaus. Der für den Emissionshandel verantwortliche Berichterstatter Liese hob Verbesserungen für deutsche Unternehmen hervor. Diese werden bislang teils stärker zur Kasse gebeten als anderswo. Künftig fielen die Emissionen aus Prozesswärme in der Industrie EU-weit unter den CO2-Preis, sagte Liese. Dies verhindere, dass deutsche Mittelständler im europäischen Wettbewerb benachteiligt werden.
„Mit der Reform des Emissionshandels stärkt die EU eines ihrer besten Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel“, sagt Thiemo Wölken, umwelt- und klimapolitischer Sprecher der S&D-Fraktion. „Durch die schneller sinkende Emissionsobergrenze und das Ende der freien Zuteilungen in 2034 werden in Zukunft mehr Unternehmen ihren fairen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen.“ Für Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher und Verhandlungsführer der Grünen, verwirklicht der Emissionshandel „die größte CO2-Reduktion, die wir in Europa erreichen können“. Bloss fordert allerdings ein europäisches Klimageld, um „eine soziale Schieflage“ zu verhindern.
Im letzten Schritt müssen die EU-Staaten den Kompromiss formal absegnen. Deren EU-Botschafter haben dies bereits getan. Im Streit über das Verbrennerverbot ab 2035, das Teil des Gesamtdeals zur Klimapolitik ist, hatte es aufgrund eines Vetos aus Deutschland auf den letzten Metern Verzögerungen gegeben.
Befürworter feiern „das größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten“: Für Gebäude, Verkehr und Schifffahrt werden in der Europäischen Union in wenigen Jahren ebenfalls Emissionszertifikate fällig. Das hat das EU-Parlament beschlossen – im Paket mit einem Klimazoll und einem Ausgleichsfonds.
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