KREDITWÜRDIG

EU wird zum großen Player am Bondmarkt

Von Michael Klawitter *) Börsen-Zeitung, 13.8.2020 Die Verabschiedung des schuldenfinanzierten 750 Mrd. Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds wird die Strukturprobleme der EU und der Eurozone kaum lösen. Die mit Rabatten erkaufte Zustimmung der...

EU wird zum großen Player am Bondmarkt

Von Michael Klawitter *)Die Verabschiedung des schuldenfinanzierten 750 Mrd. Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds wird die Strukturprobleme der EU und der Eurozone kaum lösen. Die mit Rabatten erkaufte Zustimmung der “sparsamen vier” birgt zudem politischen Zündstoff in der Zukunft. Trotzdem sollten die Entscheidungen vom Gipfel die EU-Kapitalmärkte nachhaltig beeinflussen. Die Wahrnehmung, dass sich die EU in Richtung einer Transferunion bewegt, dürfte nur noch schwer zu erschüttern sein, was für strukturell niedrigere und engere Handelsspannen bei Spreads von Staatsanleihen genauso wie für Senior-Bankanleihen aus der Peripherie spricht. Zum anderen wird die EU in den kommenden drei bis vier Jahren mit jährlichen Emissionen von bis zu 180 Mrd. Euro zum bedeutenden Euro-Emittenten, was als Einführung von Euro-Bonds durch die Hintertür verstanden werden kann. Dies dürfte nicht ohne Auswirkungen auf das Spread-Gefüge im hochbenoteten Staatsanleiheuniversum bis hin zu Pfandbriefen bleiben. Ein QuantensprungIm Vergleich zu den bisherigen gemeinschaftlichen Finanzierungsvehikeln der EU/Eurozone (ESM, EFSF, EIB) ist die Einführung des EU-Wiederaufbaufonds ein Quantensprung. Denn während sowohl ESM als auch EFSF unabhängig von der EU sind und von den nationalen Regierungen/Parlamenten kontrolliert werden, erfolgt die Kreditaufnahme und Haftung diesmal direkt durch die EU. Auch bei der Mittelvergabe des Fonds entscheidet maßgeblich die EU-Kommission. Zwar fehlen bislang die Details über den exakten Verteilungsschlüssel für den EU-Wiederaufbaufonds, doch werden laut Medienberichten Italien und Spanien mit jeweils knapp 20 % von den Zuschüssen (insgesamt 390 Mrd. Euro) am stärksten profitieren, gefolgt von Frankreich mit etwa 11 %. Im Verhältnis zum BIP werden die Zuwendungen Spaniens bei etwa 6 %, die Italiens bei gut 4 % und die Frankreichs bei knapp 2 % liegen, während in den Ländern der Kernunion die Nettozuwendungen vernachlässigbar sein sollten. In den Empfängerländern dürften Transfers aus dem EU-Wiederaufbaufonds Mittel aus den nationalen Haushalten ersetzen.Auch wenn der Fonds zeitlich begrenzt angesetzt ist (Antragsstellung bis Ende 2023, Auszahlung bis Ende 2026, Rückzahlung ab 2028 bis spätestens 2058), dürfte bei zukünftigen Krisen die Hürde für eine erneute Ausweitung der Verschuldung der EU deutlich gesunken sein. Die Wahrnehmung bei Investoren, dass mit dem EU-Wiederaufbaufonds ein großer Schritt in Richtung Transfer- und Schuldenunion erfolgt ist, dürfte nur schwer zu erschüttern sein.Dies spiegelt sich auch in den Äußerungen der Ratingagenturen im Anschluss an den Gipfel wider. So beschreibt S&P, dass der EU-Gipfel und seine Beschlüsse einen Durchbruch für die Beurteilung der Kreditrisiken der schwächeren EU-Staaten darstellen. Das Risiko einer Herabstufung des Kreditratings Italiens auf Ramsch bei den nächsten Rating-Updates im Herbst sollte damit trotz des voraussichtlich bis 2021 auf über 160 % des BIP ansteigenden italienischen Schuldenstands deutlich abgenommen haben. Zudem hob S&P den Ausblick des Ratings der EU (“AA+”) auf “positiv” an. Eine Rückkehr zum Top-Rating dürfte anstehen, wenn die zuständigen Gremien, z. B. das EU-Parlament, ihre Zustimmung erteilt haben.Auch wenn der verbesserte Ausblick der Agenturen für die Ratings der fiskalischen Krisenländer nicht heißt, dass sich Spreads von Staatsanleihen aus der Peripherie in einer Einbahnstraße nach unten befinden, sollte ihre Handelsspanne in der Zukunft strukturell niedriger und enger ausfallen. Die Anleihekäufe der EZB sowie die Übergewichtung der Peripherie im Vergleich zum Kapitalschlüssel und zur Laufzeit der gekauften Anleihen dürften diese Entwicklung ebenfalls stützen. Die durchschnittlichen Refinanzierungskosten der Staaten in der Peripherie sollten in den kommenden Quartalen damit weiter zurückgehen, was positive Rückkopplungen auf das Rating hat. Neben Staatsanleihen dürften davon vor allem Senior-Non-Preferred-Anleihen und Nachranganleihen von Banken aus der Peripherie profitieren, die aktuell weiter deutlich höhere Risikoprämien als solche in der Kernunion aufweisen. Kräftige AuswirkungenZusammen mit der Entscheidung der EU vom April zum 100-Mrd.-Euro-Kurzarbeitergeld-Programm SURE wird eine Umsetzung der Beschlüsse zum 750-Mrd.-Euro-Wiederaufbaufonds deutliche Auswirkungen auf das Solva-0-Euro-Anleihesegment haben. Sollte der EU-Wiederaufbaufonds in Gänze ausgeschöpft werden, wird das ausstehende Anleihevolumen der EU von aktuell 51 Mrd. Euro bis Ende 2026 auf knapp 900 Mrd. Euro und damit um mehr als den Faktor 17 zunehmen. Damit wird die EU nicht nur der mit Abstand größte Emittent in der E-Familie (EU, EFSF, ESM, EIB), sondern im Vergleich zu den staatlichen Emittenten in der Eurozone auch deutlich an Boden gewinnen und sich hinsichtlich der ausstehenden Anleihevolumina auf Platz 5 hinter Italien, Frankreich, Deutschland und Spanien schieben. Mit Nettoemissionen von bis zu 180 Mrd. Euro p.a. sollte die EU ein bedeutsamer Euro-Nettoemittent in den kommenden Jahren bleiben.Die Platzierung der zu erwartenden Emissionsflut dürfte dabei anspruchsvoll sein, auch da die EU als bisheriger Nischenemittent bei vielen Investoren nur über unzureichende Kreditlinien verfügen dürfte. Schon bei Emissionsvolumen von anfänglich etwa 10 Mrd. Euro pro Monat (Sept. 20 bis Dez. 20) dürfte die EU nicht umhinkommen, von den aktuellen Niveaus (Zehn- Jahres-ASW-Spread: + 3 Basispunkte (BP)) moderate Spread-Zugeständnisse zu machen. Die zu erwartende Bandbreite der Spread-Ausweitung für die EU sollte dabei auf etwa 5 bis 10 BP (zehnjährige Laufzeit) begrenzt sein. Einerseits zeigt die stetige Abwärtsdrift bei Bund- und Swap-Renditen während der vorigen Wochen, dass die grundsätzliche Nachfrage nach sicheren Anlagen hoch ist. EZB bietet UnterstützungZudem bieten die Anleihekäufe der EZB sowie die sich abzeichnende Verlängerung und Aufstockung des aktuell bis Juni 2021 auf 1 350 Mrd. Euro begrenzten PEPP-Programms Unterstützung. So dürfte die EZB zumindest in den ersten Monaten der Emissionsoffensive der EU etwa 50 % des neuen Materials erwerben. Da steigende Kaufvolumen von Anleihen der EU zwangsläufig eine geringere Nachfrage der EZB nach den Emissionen der bisherigen öffentlichen Emittenten (Solva 0) bedeuten, wird sich die Spread-Matrix hochbenoteter öffentlicher Anleihen insgesamt etwas verschieben. Neben den anderen Emittenten der E-Familie (ESM, EFSF, EIB) dürften sich Staatsanleihen der Kern- und Semikernunion gegenüber Swaps leicht verbilligen. Aber auch deutsche Länderanleihen und selbst Pfandbriefe sollten nicht gänzlich ungeschoren davonkommen, so dass eine Rückkehr auf die Spreads von vor der Krise eher unwahrscheinlich ist. *) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.