AUSBLICK

Euro pirscht sich an die Marke von 1,21 Dollar heran

Strategen sehen den Schlüssel für den Wechselkurs in den Vereinigten Staaten

Euro pirscht sich an die Marke von 1,21 Dollar heran

Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtSo uneindeutig die Verlautbarungen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi im Anschluss an die Ratssitzung der Währungshüter gewesen sind, so unklar waren auch die Reaktionen der Finanzmärkte darauf. Vor allem bei den Anleihen der europäischen Peripheriestaaten sanken die laufenden Verzinsungen, was anzeigt, dass Marktteilnehmer Draghis Worte als klaren Hinweis auf noch lange auf niedrigem Niveau verharren werden.Der Euro wiederum zog deutlich an, worin sich Erwartungen widerspiegeln, dass eine etwas weniger lockere geldpolitische Linie der EZB allmählich näher rückt. Am Freitag pirschte sich die Währung bis an die Marke von 1,21 Dollar heran. Damit hat sich die Gemeinschaftswährung im laufenden Jahr um bis zu 15 % befestigt.”Die Zins- und die Währungsmärkte scheinen an zwei verschiedenen Pressekonferenzen teilgenommen zu haben”, so am Freitag das Schweizer Bankhaus J. Safra Sarasin. Der Anstieg des Euro auf mehr als 1,20 Dollar sei angesichts der Erklärung Draghis, dass die Erhöhung der Inflationsprognose ausschließlich auf die Aufwertung der Währung zurückzuführen sei, seltsam. Auch die deutliche Aufwertung des Euro in diesem Jahr hält die Bank für sehr verwunderlich. Die reale Zinsdifferenz zwischen den USA und dem Euroraum habe sich in der zweijährigen Laufzeit seit dem Jahresbeginn relativ stabil bei 150 Basispunkten gehalten. Der Euro habe sich in diesem Zeitraum jedoch von 1,05 auf 1,20 Dollar befestigt. Diese Divergenz könne langfristig nicht aufrechterhalten.Allerdings glaubt das Institut, dass der Euro auch von einer Schwäche des Dollar gestützt wird. Der Markt habe die Trumpflation Trades nahezu vollständig wieder ausgepreist, und jüngste Äußerungen des führenden Fed-Mitglieds Brainard hätten die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Leitzinsanhebung reduziert. Der Markt preise nun eine nächste Fed-Leitzinserhöhung im Juli 2018 ein. Die Bank erwartet allerdings bis dahin drei Anhebungen, und zwar in den Fed-Sitzungen im Dezember 2017 sowie im März und im Juni 2018. Ihrer Meinung nach wird der Euro nachgeben, sobald der Markt einen früheren Zeitpunkt für die nächste Leitzinserhöhung in den USA einpreist.Auch die Commerzbank sieht den Schlüssel für den Euro-Dollar-Wechselkurs in den Vereinigten Staaten. Der Dollar leide vor allem unter dem politischen Durcheinander in Washington. Ein neues Abkommen zwischen Präsident Trump und Führern des Kongresses habe einen Zahlungsausfall und einen Stillstand der Bundesverwaltung nur bis zum 8. Dezember verhindert, aber die Blockade in der Finanzpolitik nicht gelöst. Die Verhandlungen über eine tragfähige Lösung für den Haushalt würden sich schwierig gestalten. “Darüber hinaus sehen wir kaum eine Chance für eine baldige große Steuerreform”, so die Bank. “Daher dürfte sich der Dollar erst dann erholen, wenn gegen Jahresende klar wird, dass die Fed an ihrem Zinserhöhungskurs festhält.” Das Institut erwartet den Euro zum Ende des dritten Quartals bei 1,22 Dollar. Die Prognose für das Jahresende liegt bei 1,19 Dollar.