Euro-Volatilität sendet Krisensignale

CME-Optionsmarkt bewegt sich auf Niveau wie vor der Finanzkrise und zu Beginn der Deflationsdebatte

Euro-Volatilität sendet Krisensignale

Während der Euro-Dollar-Kurs sich am Kassamarkt derzeit kaum bewegt, sendet der Optionsmarkt für das wichtigste Währungspaar aktuell Krisensignale aus. Die implizite Ein-Monats-Volatilität ist fast so niedrig wie vor der globalen Finanzkrise und zu Beginn der von der EZB losgetretenen Deflationsdebatte.Von Stefan Schaaf, FrankfurtDie wirtschaftlichen Schwächezeichen auf beiden Seiten des Atlantiks halten sich derzeit im Gleichgewicht, so dass sich der Euro-Dollar-Kurs am Kassamarkt auch kaum bewegt. Ganz anders sieht es hingegen am Optionsmarkt aus. Er signalisiert erhöhte Krisenangst. So fiel die von der Börse CME in Chicago berechnete implizite Ein-Monats-Volatilität in Euro/Dollar kürzlich auf Tiefststände, welche die Marktakteure beunruhigen.Der Euro-Dollar-Kurs wurde in der vergangenen Woche zwar hin- und hergeschleudert. Zunächst überraschte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) mit ihrer Ankündigung, in diesem Jahr den Leitzins wohl nicht weiter anheben zu wollen. Und damit nicht genug: Die Fed stieß gar Diskussionen am Markt über eine mögliche Lockerung ihrer Geldpolitik an, indem sie signalisierte, den Abbau ihrer durch ihre drei QE-Programme aufgeblähten Bilanz möglicherweise zu beenden.Der Dollar reagierte mit einem Schwächeanfall, so dass der Euro bis auf 1,1449 Dollar hochschoss. Doch die Freude währte nur kurz: Mit schwachen Konjunkturdaten aus Deutschland und damit der größten europäischen Volkswirtschaft geriet der Euro erneut unter Druck und sackte bis auf 1,1273 Dollar. Zum Wochenbeginn hat sich nun ein Gleichgewicht bei Werten um 1,13 Dollar herausgebildet.Während am Kassamarkt also eher Ruhe herrscht, stehen am Derivatemarkt die Zeichen auf Sturm. Und das, obwohl die implizite Volatilität so niedrig wie seit langem ist. Sie ist ein Maßstab für die erwartete zukünftige Marktvolatilität eines Wechselkurses bis zum Fälligkeitsdatum. Sie stellt also die aus Optionspreisen abgeleitete, erwartete Schwankungsanfälligkeit dar. Für den Euro-Dollar-Kurs sackte diese implizite Volatilität am vergangenen Donnerstag auf 5,62 Punkte ab. Sie erreichte damit Werte, wie sie 2007 im Vorfeld der globalen Finanzkrise und 2014 im Umfeld der von der Europäischen Zentralbank (EZB) diagnostizierten Deflationsgefahr beobachtet wurden. “Dornröschenschlaf””In beiden Fällen folgte auf die Ruhe in Euro-Dollar eine Phase, in der es mit der gefühlten Sicherheit erst einmal eindeutig vorbei war”, argumentiert Sören Hettler, Analyst der DZ Bank. Für den Experten stellt sich die Frage, “ob der Dornröschenschlaf anhält oder es sich vielmehr, wie 2007 und 2014, um die Ruhe vor dem Sturm handelt”.In den beiden genannten historischen Fällen war es eine Ruhe vor dem Sturm. Auf die Tiefststände bei der impliziten Volatilität folgte ein starker Anstieg (vgl. Grafik). Und da die Finanzmärkte erhöhte Volatilität stets als Risikoindikator werten, würden Verwerfungen im Euro-Dollar-Kurs über kurz oder lang auch andere Segmente des Kapitalmarktes betreffen, so dass es beispielsweise mit der derzeit vergleichsweise großen Gelassenheit der Aktienmärkte gegenüber Rezessionsängsten schnell vorbei sein könnte. Hettler zufolge schürt die globale Geldpolitik die Hoffnung, “dass zusätzliche expansive Maßnahmen ergriffen werden, sollte eine neue Krisensituation eintreten”. Allerdings sei zu bezweifeln, dass dies genügt, um jegliche Turbulenzen im Keim zu ersticken. “Und angesichts der fragilen politischen Rahmenbedingungen sowie der immer wieder auftretenden Hiobsbotschaften von Seiten der Konjunktur sollten sich Marktakteure nicht zu sicher sein, dass die Beruhigungspille ihre Wirkung nicht doch früher oder später verliert.” Gleichgewicht des SchreckensSolche Warnungen sind vom Terminmarkt offenbar bisher nicht gehört worden. Oder er erwartet weiterhin ein konjunkturelles Gleichgewicht des Schreckens in der Eurozone und in den USA. Laut Bloomberg-Daten liegt der Terminkurs für einen Euro mit Sicht von drei Monaten bei 1,1382 Dollar und mit Sicht auf sechs Monate bei 1,1470 Dollar – und damit nur unwesentlich über dem aktuellen Niveau. Die Werte sind jüngst in Reaktion auf die schwachen deutschen Konjunkturdaten, die Rezessionsängste für die wichtigste Volkswirtschaft der Währungsunion auslösten, deutlich gefallen. Mitte März signalisierte der Terminmarkt noch eine Aufwertung des Euro auf 1,15 bzw. 1,16 Dollar mit Sicht von drei bzw. sechs Monaten. Terminkurs schwächt sich abErst auf Jahressicht traut der Terminmarkt dem Euro wieder etwas mehr an Aufwertung zu. Aktuell wird ein 12-Monats-Kurs von 1,1637 Dollar je Euro gehandelt. Mitte März waren es allerdings noch 1,1765 Dollar.Damit stellt sich die Frage, ob die von zahlreichen Brokern prognostizierte Euro-Aufwertung in Bereiche von 1,20 bis 1,25 Dollar zum Jahresende hin kommen wird. Allerdings sprechen die Leitzinserwartungen durchaus für solch eine Entwicklung. Laut der Commerzbank rechnet der Markt noch immer mit einer Leitzinsanhebung in der Eurozone im Jahr 2020, während er für die USA beginnt mit einer Zinssenkung zu rechnen. Und immerhin zeigte mit dem am Montag veröffentlichten Ifo-Index das wichtigste Stimmungsbarometer für die deutsche Wirtschaft Zeichen einer Stabilisierung.Dazu kommt nun für den Dollar ein weiterer Belastungsfaktor mit aufkommenden Spekulationen über die Unabhängigkeit der Federal Reserve hinzu. Grund dafür ist die von Präsident Donald Trump angekündigte Nominierung seines früheren Wahlkampfberaters Stephen Moore für einen vakanten Direktorenposten bei der Fed. “Moore gehört zu der kleinen, aber (neuerdings wieder) lauten Gruppe von Ökonomen, die glauben, das US-BIP könne langfristig mit einer Rate von 3 bis 4 % wachsen”, erläutert Ulrich Leuchtmann, der die Devisenanalyse der Commerzbank leitet. “Entsprechend wird er – falls er vom US-Senat bestätigt wird – in der Fed (weil tatsächlich das Potenzialwachstum nur bei knapp 2 % liegt) nahezu ständig eine extrem expansive Geldpolitik vertreten.”