DEVISENWOCHE

Euro/Dollar erwacht aus Dornröschenschlaf

Von Sonja Markten *) Börsen-Zeitung, 25.10.2016 Seit gut zwei Wochen hat die europäische Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar das Nachsehen. So fiel das Währungspaar ausgehend von seiner in den Wochen zuvor im Bereich der Marke von 1,12...

Euro/Dollar erwacht aus Dornröschenschlaf

Von Sonja Markten *)Seit gut zwei Wochen hat die europäische Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar das Nachsehen. So fiel das Währungspaar ausgehend von seiner in den Wochen zuvor im Bereich der Marke von 1,12 Dollar ausgemachten “Wohlfühlzone” vergangene Woche unter die Marke von 1,09 Dollar. Damit verlor Euro/Dollar nicht nur fast 3 % innerhalb von wenigen Tagen, sondern erreichte darüber hinaus den niedrigsten Stand seit mehr als sieben Monaten. Grund hierfür ist ohne Frage die starke Performance des US-Dollar. Dennoch bezweifeln wir, dass die derzeitige Euphorie anhalten wird. Zum einen dürfte die Fed sich nicht als die Stütze erweisen, die der Markt derzeit offensichtlich erwartet. Zum anderen rechtfertigt das fundamentale Bild derzeit keineswegs eine Rückkehr in das goldene Zeitalter des übermächtigen Dollar. Die USA wachsen nach wie vor deutlich unter Potenzial, und die jüngsten Kapitalbilanzdaten haben erneut gezeigt, dass die internationale Nachfrage nach Dollar-Wertpapieren weit hinter die Niveaus zurückfällt, die wir in der Vergangenheit gesehen haben. Euro gab nur moderat nachGrundsätzlich kommen für eine nennenswerte Euro-Dollar-Abwärtsbewegung zwei Ursachen in Frage: eine schwache europäische Gemeinschaftswährung oder ein starker Greenback. Natürlich ist darüber hinaus eine Kombination beider Faktoren möglich. Zumindest eine ausgeprägte Euro-Schwäche lässt sich mit Blick auf den handelsgewichteten Wechselkurs der Gemeinschaftswährung nicht feststellen. So gab dieser in den letzten Tagen, EZB-Pressekonferenz hin oder her, mit 1 % nur moderat nach. Darüber hinaus bewegt sich der Wechselkurs insgesamt auf einem sehr robusten Niveau, konnte der Euro auf handelsgewichteter Basis doch seit Mitte des Jahres knapp 3 % zulegen. Bleibt als Auslöser für die jüngste, deutliche Kursbewegung eine Aufwertung des US-Dollars auf breiter Front. Unterstützung findet diese Einschätzung im Dollar-Index. So legte dieser in den vergangenen Wochen immerhin 2 % zu. Auch das übergeordnete Bild spricht für einen starken Greenback. Seit Mitte August ist hier eine Aufwärtsbewegung zu beobachten, die dem Dollar eine Aufwertung um fast 5 % bescherte. Damit lässt sich festhalten, dass sowohl die Euro-Dollar-Wechselkursbewegung der letzten Wochen als auch das Kursniveau in Form eines Siebenmonatstiefs hauptsächlich auf die derzeitige Stärke des Greenbacks zurückzuführen sind. Spekulationen über die FedAls Haupttreiber für die jüngste – und eigentlich seit geraumer Zeit jede – Dollar-Bewegung müssen in der Regel die Federal Reserve und die Aussicht auf die nächste Leitzinserhöhung herhalten. Aber hat die von Seiten der Finanzmarktteilnehmer beigemessene Wahrscheinlichkeit für eine Anhebung des Zinsniveaus bis Ende des Jahres in den letzten Tagen denn wirklich entscheidend zugenommen? Glaubt man der an den US-Geldmärkten vorherrschenden Wahrnehmung, muss die Antwort auf diese Frage lauten: Nein! So lag die anhand der Fed Funds Futures ermittelte Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im Rahmen der FOMC-Dezember-Sitzung vor zwei Wochen – also bei einem Euro-Dollar-Kurs von 1,12 Dollar – bei 64 %. Gestern lag die Wahrscheinlichkeit bei 67 % und damit nur unwesentlich höher. Eine merkliche Dollar-Stärke lässt sich allein hierauf sicherlich nicht zurückführen.Doch selbst würde man das Argument gelten lassen, dass die Markterwartungen bezüglich der Fed hauptverantwortlich für die aktuelle Dollar-Stärke sind, bleibt zu bedenken, dass Zinserhöhungszyklen der Fed in der Vergangenheit nur sehr selten als verlässliche Stütze für die Währung fungierten. Betrachtet man die US-Leitzinswenden seit Beginn der 1980er Jahre, so stellt man fest, dass es in fast allen Fällen die Erwartung steigender Zinsen vor der ersten Zinserhöhung war, die den Dollar aufwerten ließ. Die tatsächlichen Zinserhöhungen gingen dann oft sogar mit fallenden Kursen einher: 1994 verlor der Dollar-Index in den sechs Monaten nach Beginn des Leitzinserhöhungszykluses 7 %, 1999 waren es 3 %, 2004 fast 8 %.Erschwerend hinzu kommt, dass die Fed im derzeitigen Zyklus vorsichtiger und langsamer agiert als je zuvor. Eine Leitzinserhöhung pro Jahr, dies wäre für die Fed in der Vergangenheit undenkbar gewesen. Ein Grund mehr, die Dollar-positiven Auswirkungen der nächsten Zinserhöhung nicht zu überschätzen. Zumal wir, im Gegensatz zum derzeitigen Konsens, nicht davon ausgehen, dass die Fed schon im Dezember agieren wird. Eine Zinserhöhung im März erscheint uns wahrscheinlicher, womit die Enttäuschung zum Ende dieses Jahres programmiert wäre. Außerdem wird die Fed in dem derzeit global vorherrschenden Umfeld expansiver Geldpolitik ihre Kommunikation weiterhin extrem vorsichtig gestalten. Sie wird auf jeden Fall verhindern wollen, die Markterwartungen zugunsten einer restriktiveren Ausrichtung zu sehr zu schüren und damit eine aggressive Aufwertung des Dollars auszulösen. Keine goldenen Zeiten mehrDie Markerwartungen für die Fed mögen dem Dollar derzeit Auftrieb geben, eine Rückkehr in das goldene Zeitalter des übermächtigen Dollars steht uns jedoch nicht bevor. Und das nicht nur aufgrund der bereits genannten Argumente oder der Tatsache, dass das Wachstum in den USA in diesem und in den kommenden Jahren deutlich unter Potenzial verharren wird. Vielmehr haben die jüngsten Kapitalbilanzdaten aus den USA einmal mehr gezeigt, dass der Dollar nicht mehr von den stetigen, verlässlichen Kapitalzuflüssen der Vergangenheit profitiert. Frappierend ist vor allem die Entwicklung am US-Staatsanleihenmarkt: Konnten die USA sich jahrzehntelang auf kontinuierliche Nachfrage seitens der Zentralbanken (vor allem aus Asien) verlassen, haben ausländische Investoren in diesem Jahr schon 181 Mrd. Dollar an US-Treasuries verkauft. Allen voran auch hier wieder Zentralbanken aus Asien, deren Reserven in den vergangenen zwei Jahren immer weiter gesunken sind. Anstatt sich also auf eine stabile und vor allem preisunelastische Nachfrage seitens offizieller Investoren verlassen zu können, sind die USA heute wesentlich abhängiger von Zuflüssen privater bzw. anderer institutioneller Investoren. Der Status als globale Reservewährung Nummer 1, der dem US-Dollar selbst in Krisenzeiten einen komfortablen Puffer gewährleistete, ist damit zwar nicht grundsätzlich in Frage gestellt, liefert aber nicht mehr dieselbe Unterstützung wie in der Vergangenheit.—-*) Sonja Marten ist Leiterin des Devisenresearch der DZ Bank